Super-Schnäppchen von Temu, Shein & Co.: So schützt sich Sachsen vor gefährlicher Importware
Leipzig - Giftige Chemikalien in Bekleidung, leicht entflammbare Akkus in Elektro-Geräten, gefährliche Teile in Kinderspielzeug: Nicht erst seit dem Siegeszug von E-Commerce-Unternehmen wie Temu, Shein, Wish und Alibaba trifft man im Alltag überall auf Waren und Angebote von zweifelhafter Qualität. Wer kümmert sich eigentlich hierzulande um das Thema Produktsicherheit? Ein Besuch beim Zoll und DHL in Leipzig sowie der Landesdirektion Sachsen in Chemnitz.
Diese Zollanmeldung, die Tim Günnel (24) am Rechner im Zollamt Flughafen Leipzig zu bearbeiten hat, weckt sofort seinen professionellen Spürsinn.
Ein Laserpointer aus China für einen Empfänger in Bayern. Der Zollobersekretär erklärt: "Aus Erfahrung wissen wir, dass solche Pointer vielmals schlecht dokumentiert und damit potenziell gefährlich sind."
Mit ein paar Klicks blockt Günnel den Weiterversand der Ware. Das Logistikunternehmen DHL wird elektronisch benachrichtigt. Kurz darauf verlässt der Beamte das Büro, um eine sogenannte Beschaffenheitsbeschau der Ware im Bereich der Zollabfertigung bei DHL vorzunehmen.
Treffer! Eine Mitarbeiterin des Logistikunternehmens hat das Paket geöffnet. Günnel inspiziert den Inhalt.
Die Bedienungsanleitung des Laserpointers ist knapp gehalten - auf Mandarin. Warnhinweise, Prüf-Kennzeichen - Fehlanzeige. Tim Günnel ordnet darum weitere Prüfungen durch die Landesdirektion an.
Spielzeuge und Elektroprodukte besonders häufig unter der Lupe
2023 wurden an den Zollämtern Dresden, Taucha, Löbau und Flughafen Leipzig insgesamt über 34 Millionen Warenpositionen (Einfuhr) abgefertigt.
In 2562 Fällen fielen den Zöllnern Dinge in die Hände, die nicht freigegeben werden konnten, wegen mangelnder Produktsicherheit.
Dabei sind die Regeln sonnenklar: Wer in der EU ein Produkt in den Handel bringt, muss dafür sorgen, dass es die Sicherheitsvorschriften erfüllt. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, wird auf eine Kombination von Kennzeichnung und Kontrollen gesetzt.
Das weltweit anerkannte, deutsche GS-Kennzeichen ("geprüfte Sicherheit") oder die CE-Kennzeichnung sollten Verbrauchern als Auswahlkriterium dienen. Sogenannte Direktimporte unterliegen nicht zwangsläufig einer Kontrolle.
Dulig: "Wenn wir Produktsicherheit und fairen Wettbewerb wollen, brauchen wir eine funktionierende Marktüberwachung"
Die Landesdirektion Sachsen ist im Freistaat die zuständige Marktüberwachungsbehörde für technische Konsum- und Medizinprodukte sowie Arbeitsmittel. Ihre Gewerbeaufsichtliche Untersuchungsstelle gleicht einer modernen (Technik)-Folterkammer.
Spielzeuge, Heimwerkermaschinen, Netzkabel, Akkus, aber auch Waschmaschinen setzt man dort systematisch Stürzen, Zugbelastungen oder definierten Überspannungen aus, um sie zu testen.
Spielzeuge und Elektroprodukte werden dabei besonders häufig unter die Lupe genommen. "Mit der Anzahl dieser Produkte wächst in den Haushalten das Gefährdungspotenzial", berichtet Prüfingenieur Dirk Leonhardt (55). Tatsächlich kennt er Dokumentationen von tödlichen Unfällen, die auf gravierende elektrische Sicherheitsmängel von Geräten zurückzuführen waren.
"Wenn wir Produktsicherheit und fairen Wettbewerb wollen, brauchen wir eine funktionierende Marktüberwachung", sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (50, SPD). Er sieht im massenhaften Direktimport von Billig-Waren auch eine Gefahr für die heimische Wirtschaft. Dulig: "Diese hält sich nämlich an Regeln und Sicherheitsvorschriften."
Das passiert mit mangelhafter Ware
Was passiert mit den mangelhaften Produkten, die der Zoll herausgefischt oder Testkäufer der Landesdirektion im Handel entdeckt haben?
Die Hersteller der Produkte bekommen die Chance nachzubessern. In der Zwischenzeit wird veranlasst, dass der Verkauf der mangelhaften Ware - soweit möglich - ausgesetzt wird. Ganz kritische Produkte werden auch sofort von Vollzugsbeamten der Landesdirektion aus dem Warenkreislauf "entnommen", wie es im Amtsdeutsch heißt, und später vernichtet.
Angesichts der Warenflut, die täglich Deutschland erreicht, sagt Prüfingenieur Dirk Leonhardt: "Natürlich kämpft man da gegen Windmühlen."
Titelfoto: Bildmontage: SMWA/Jürgen Lösel (2) ; IMAGO/onemorepicture