Sie sind die architektonischen Visitenkarten der Lausitz: Tourismus hält Umgebindehäuser am Leben
Sachsen - Umgebindehäuser zählen im europäischen Raum zu den bedeutendsten Volksbauweisen.
Wie schön und vielfältig diese jahrhundertealte Volksarchitektur ist, kann man in der Oberlausitz heute noch bewundern. Dass dort viele Umgebindehäuser wieder strahlen und aus Ruinen "auferstehen", ist Liebhabern und dem Tourismus zu verdanken.
Umgebindehäuser prägen das Antlitz vieler Dörfer und damit die gesamte Oberlausitz. Liebevoll saniert ziehen die charmanten Bauwerke die Blicke auf sich.
"Die Häuser sind der Kitt unserer ländlichen Gemeinschaft. Sie stiften Identität", ist Winfried Menzel (53) aus Dittelsdorf überzeugt. Er ist Fachberater für Umgebindehäuser und hat schon dutzende Bauherren im Dreiländereck beraten.
Noch etwa 4000 Umgebindehäuser gibt es in Deutschland. Am häufigsten sind sie in der Lausitz, aber auch im Vogtland anzutreffen.
Dass so viele Umgebindehäuser die Jahrhunderte überdauert haben, erklären Historiker und Architekten mit einer alten Berufsweisheit: Armut ist der beste Denkmalpfleger.
Umgebindehäuser werden teils zu Ferienobjekten ausgebaut
Wirklich bedrohlich für die Bausubstanz waren vor allem die vergangenen drei Jahrzehnte, da die Lausitz nach dem Mauerfall ausblutete und der Komfort moderner Eigenheime mehr geschätzt wurde als die traditionelle Volksbauweise.
Menzel: "Zum Glück dreht sich dieser Trend." Mit der Rückbesinnung auf alte Werte und Traditionen stiegen auch die Aktien der alten Umgebindehäuser.
Liebhaber sanieren die Denkmäler für Wohnzwecke. Mit dem Aufschwung des Tourismus in der Region steigen zunehmend auch Investoren ein und bauen Häuser zu Ferienobjekten aus.
Urlaub im Umgebindehaus wird immer beliebter! "Gut 200 Umgebindehäuser werden allein in Deutschland im Oberlausitzer Bergland schon touristisch genutzt", weiß Winfried Menzel.
Vorzeigeobjekte: Die "Kleenen Schänke" in Cunewalde. Carola Arnold bietet dort mit viel Herzblut organisierte Koch- und Schreibkurse sowie Kulturveranstaltungen an.
In den Tourismus werden große Hoffnungen gesetzt
Einen der ältesten historischen Umgebindebauernhöfe der Oberlausitz baute Familie Kipke in Ebersbach-Neugersdorf zum Urlauberparadies "Grünsteinhof" aus.
Auch ein Aufenthalt im "Marktquartier 5" in Neusalza-Spremberg verspricht Urlaubern Entschleunigung.
Das historische Umgebindeferienhaus von Ulrike und Ulrich Neumann verfügt über Ofen, Sauna und eine gemütliche Stube. Am Fuße des Kottmars unweit der Spreequelle in Walddorf liegt das Haus "Spinnwebe".
Altes Handwerk und herzliche Gastlichkeit erwarten dort die Besucher.
Winfried Menzel setzt große Hoffnungen in den Tourismus.
"Ich wünsche mir, dass aus Besuchern Bewohner werden. Wir brauchen Menschen, die diese Häuser lieben und hier bleiben", so Menzel.
Situation in Tschechien
Nordböhmen besitzt eine ähnliche Dichte an Umgebindehäusern wie die Oberlausitz. Man geht davon aus, dass dort auch noch etwa 4000 Bauwerke dieser Art existieren.
Einstmals bewohnten viele Handwerker diese Häuser. In Sluknov (Schluckenau) waren dies vor allem Leineweber.
In Jetřichovice (Dittersbach) im Nationalpark Böhmische Schweiz hingegen Glasmacher.
Besonders sehenswert:
- Architektur & Glasherstellung in Novy Bor
- Der kultige Brauerei-Gasthof Beranův hostinec pod Lipami im Dorf Trávníček (www.beranuv-pivovar.cz).
- Die zahlreichen mit Schiefer verkleideten Umgebinde- und Fachwerkhäuser im Dorf Kryštofovo Údolí (9 km westlich von Liberec).
Umgebindehäuser in Polen
In Polen feiert die Umgebinde-Architektur (etwa 1500 alte Gebäude gibt es dort noch) ein verblüffendes Comeback.
Junge Architekten entwerfen dort Pläne für den Bau neuer Häuser nach alter Tradition.
Die bemerkenswerte Idee kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bestand der Denkmäler jenseits der Neiße sehr bedroht ist.
Besonders dem Engagement von Elzbieta Lech-Gotthardt und dem Verein "Stellmacherhaus" aus Zgorzelec ist es zu verdanken, dass Prominente inzwischen öffentlich für den Erhalt der Denkmäler eintreten.
Sehenswertes Umgebinde kann man heute in Bogatynia und im Dorf Antoniow (Antonienwald) in der Nähe von Jelenia Gora (Hirschberg) entdecken.
Titelfoto: Imago