Kadaver hängt seit Wochen am Baum: Tote Hirschkuh wird zum Fall für die Wissenschaft
Bad Schandau - Seit einigen Wochen hängt in einer Buche an den Lehnsteigtürmen bei Schmilka eine tote Hirschkuh. Die natürliche Verwesung des Tieres wird wissenschaftlich beobachtet. Erste erstaunliche Erkenntnisse bereichern ein bundesweites Forschungsprojekt.
Der tödliche Sturz der Hirschkuh in den Baum ist ein Glücksfall gewesen für die Wissenschaft.
Nationalparksprecher Hanspeter Mayr: "Ein am Boden liegendes Aas ist im Frühjahr normalerweise binnen drei Wochen bis auf das Skelett und einige Fellpartien zersetzt. Dieser Zeitraum verlängert sich bei unserer Hirschkuh aufgrund ihrer Lage und der frischen Witterung."
Kadaver fördern Artenreichtum in der Natur, denn sie spenden als "Nährstoffimpuls" neues Leben. Mithilfe einer Wildkamera und einer Insektenfalle sind die Forscher in Schmilka quasi live dabei.
Bislang haben wohl fast ausschließlich Insekten und Bakterien sich an der Zersetzung beteiligt.
Mayr: "Nahezu planmäßig haben sich die Käferarten Totengräber und Uferaaskäfer eingefunden, die am häufigsten an diesen Prozessen beteiligt sind. Große Aasfresser wie Füchse oder ein Dachs können den Kadaver nicht erreichen. Überraschend für uns ist, dass weder Rabenkrähen noch die größeren Kolkraben von dem Aas gefressen haben."
Auf den Bildern der Kamerafalle tauchen nachts lediglich regelmäßig Fledermäuse auf. Die fliegenden Säugetiere haben allerdings kein Interesse an der toten Kuh. Sie fressen kein Aas.
Tote Hirschkuh kann kaum noch erschnüffelt werden
Immer der Nase nach zum Kadaver? Fliegen und Käfer orientieren sich genau so über weite Strecken. Für neugierige Zweibeiner ist es inzwischen schwieriger, das tote Tier zu erschnüffeln.
"Die anfängliche Blähphase des Kadavers, in der schwefelhaltige Fäulnisgase im Verdauungstrakt entstehen und austreten, ist vorbei. Das hat den Vorteil, dass es vor Ort nahezu keine Geruchsbelästigung mehr an der Stelle gibt", berichtet Hanspeter Mayr.
Titelfoto: Mike Jäger