Licht und Schatten in Sachsens Solarbranche: Eine Fabrik macht zu, eine andere öffnet
Sachsen - Die Nachrichten aus der Solarbranche in Deutschland sind gegenwärtig extrem widersprüchlich.
Im sächsischen Freiberg soll eine Fabrik geschlossen werden, während gleichzeitig in Ottendorf-Okrilla bei Dresden neue Produktion aufgebaut wird.
Der heimische Versorger SachsenEnergie kaufte sich nun groß in das Geschäft ein, von dem andere sagen, dass China den Markt kaputt macht.
Von Licht & Schatten - lest Ihr hier.
SachsenEnergie übernimmt SunStrom
Die Unterschriften unter dem Vertrag sind noch frisch: Am Freitagmittag wurde in Dresden die Übernahme des sächsischen Solarexperten SunStrom durch den Kommunalversorger SachsenEnergie notariell besiegelt. Ein strategischer Einkauf. SachsenEnergie will künftig noch zügiger Solarstromanlagen ausbauen.
"Mit SunStrom haben wir Experten für Planung, Errichtung und Sanierung von PV-Anlagen an unserer Seite", erklärt der Chef von Ostdeutschlands größten Kommunalversorger, Frank Brinkmann (54). Beide Firmen haben gemeinsam bereits über 100 PV-Projekte realisiert. Der Deal: SachsenEnergie übernimmt 97 Prozent der Anteile der SunStrom. Das Team um Firmengründer Reiner Matthees (52) hält in Zukunft drei Prozent. Über den Kaufpreis der Anteile vereinbarte man Stillschweigen.
Die Firma SunStrom ist auf dem hiesigen Solarmarkt keine Unbekannte. Das Dresdner Unternehmen (2000 gegründet) beschäftigt 40 Mitarbeiter und realisierte als Komplettanbieter bislang über 5100 Solarstromanlagen auf Dächern oder Flächen. Dazu zählen Anlagen der Deutschen Werkstätten Hellerau, der BMW Welt in München und des Bundeskanzleramtes in Berlin.
SachsenEnergie will bis 2040 technische Anlagen aufbauen, die vier bis fünf Terawattstunden grüne Energie erzeugen können. Jährlich investiert der Kommunalversorger 100 Milionen Euro in die Gewinnung Erneuerbarer Energien.
Sunmaxx geht neue Wege
Es entspricht dem Zeitgeist, die Sonne anzuzapfen, um Strom erzeugen oder warmes Wasser gewinnen zu können. Weltweit beschäftigten sich Wissenschaftler und Unternehmer damit. Das Start-up Sunmaxx geht dabei allerdings neue Wege. Es entwickelt und produziert photovoltaisch-thermische Solarmodule (PVT) vor den Toren Dresdens in Ottendorf-Okrilla.
"Unsere Produkte lösen Begeisterung bei den Kunden aus", berichtet Sunmaxx-Chef Wilhelm Stein (54) vergnügt und führt ein Modul aus seinem Werk vor. Von vorn sieht das aus wie ein gewöhnliches Solarmodul. Die Innovation wird erst auf der Rückseite des Panels sichtbar. Et voilà! Dort befindet sich flächig integriert ein Wärmetauscher. "Die Technologie ist weltweit einzigartig. Wir verbinden Solar- und Automobil-Know-How in unseren Produkten", erklärt dazu Stein.
Der promovierte Physiker und Pionier der High-Tech-Industrie muss die Vorteile dieser technischen Lösung nicht wortreich erklären. Sogar ein Laie erkennt die auf einen Blick: Die Sunmaxx PVT-Module liefern gleichzeitig Strom und Warmwasser. Sie weisen laut Stein einen Gesamtwirkungsgrad von 80 Prozent aus und gestatten es, Dach- oder Stellflächen doppelt effizient zur Energiegewinnung zu nutzen.
Ein Geniestreich? Wilhelm Stein stapelt zuerst tief: "Das ist Kraft-Wärme-Kopplung zum Anfassen." Erst später beim Analysieren des Solar-Marktes taut er auf. Dann erklärt der Manager selbstbewusst: "Wir wollen den Wärmemarkt revolutionieren. Diese Technologie ist der Game-Changer."
Er hat eine Vision: In Zukunft sind Wohn-, Büro- und Industriegebäude komplett klimaneutral.
Der Chef hat eine Vision
Seit über 25 Jahren gilt das Interesse von Wilhelm Stein der Solarindustrie. Er baute bereits mehrere Fabriken mit auf. Für Sunmaxx formuliert er anspruchsvolle Ziele. "Aktuell produzieren wir pro Monat mehrere Hundert bis etwa 1000 Module. Angestrebt ist, die Jahresproduktion auf 120.000 Module pro Jahr anzuheben. Mit dem Hochlauf unserer Produktionsstätte in Ottendorf-Okrilla betreiben wir derzeit eines der weltweit größten PVT-Werke", so Stein.
Perspektivisch soll das Werk im 4-Schicht-Betrieb arbeiten und die Belegschaft kräftig wachsen. Gegenwärtig beschäftigt das Unternehmen 25 Männer und Frauen. Ende des Jahres sollen es bereits 80 sein. Abnehmer für seine PVT-Module will Stein auf der ganzen Welt suchen und finden. Dabei gibt er Gas. Wilhelm Stein: "Unser Modul gibt es noch nicht in China. Wenn die Chinesen in diese Technologie einsteigen, dann wollen wir schon weiter sein." Bereits in zwei Jahren wird es die nächste Modulgeneration geben, prophezeit er.
Der Sunmaxx-Boos: "Die Branche entwickelt sich in atemberaubenden Tempo."
Solarmarkt: Hilfen sind umstritten
Auf dem weltweiten Solarmarkt wird aktuell mit harten Bandagen gekämpft.
Chinesische Produzenten überschwemmen mit Anlagen zu Dumpingpreisen den Markt. Viele europäische Hersteller sind deshalb schwer unter Druck. Zur Rettung der deutschen Solar-Industrie starteten Sachsen und Sachsen-Anhalt am 2. Februar im Bundesrat eine Initiative für ein sogenanntes "Solarpaket I" (Stichwort Resilienzboni). Am Freitag hätte die Bundesregierung im Bundesrat liefern sollen - hat sie aber nicht.
Könnte da noch was kommen? Ungewiss. Hilfen für die Solar-Industrie sind umstritten - selbst innerhalb der Branche.
Der Schweizer Hersteller Meyer-Burger, der in Freiberg Europas größte Solarfabrik betreibt, hatte dem Bundestag zu Jahresbeginn erfolglos ein Ultimatum gesetzt. Jetzt steht dort die Fertigung und der Konzern bereitet die Verlagerung der Fabrik in die USA vor. Laut IG Metall sind die gut 500 Mitarbeiter von Meyer Burger auf Null-Stunden-Kurzarbeit gesetzt.
Steht der erneute Niedergang der Solar-Industrie in Europa bevor? Möglicherweise. Dagegen spricht, die Zuversicht der Branche. Das Start-up 1Komma5° bekundete zuletzt Interesse am Kauf der Fertigung der Freiberger Fabrik.
Titelfoto: Montage: Norbert Neumann,