Sachsen plant den Wald der Zukunft
Dresden - Die Waldfläche im Freistaat Sachsen beträgt insgesamt 520.917 Hektar. Das entspricht einer Bewaldung von 28,2 Prozent. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist das nicht viel. Umso mehr muss der Wald also leisten - für Mensch, Tier, Natur und Klima. Wie balanciert man alle diese Interessen und Funktionen aus? Mit einem neuen Waldgesetz soll es gelingen. Bevor das vorliegt, muss Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (47, Grüne) dicke Bretter bohren. Tausende Vorschläge, Ideen und Wünsche haben ihm Bürger schon zu Protokoll gegeben.
Das öffentliche Beteiligungsverfahren lief vom 1. August bis 31. Oktober 2020. Auf dem Online-Portal des Freistaates meldeten sich dazu 1716 Leute mit 3140 Beiträgen zu Wort. Fünf Themen waren vorgegeben. Im Fokus der Beteiligten lag der Wald als Erholungsraum (82 Prozent). Aber auch zum Wald als Wirtschafts- und Naturraum hatten viele was zu schreiben. Das Interesse an den Forstbehördlichen sowie Versuchs- und Forschungsaufgaben fiel dagegen laut Ministerium geringer aus.
Alt wie ein Baum ist aktuelle Waldgesetz nicht. Es stammt von 1992. Trotzdem muss dringend die Axt angelegt und nachgebessert werden. Der Wald, das Klima, die Bedürfnisse der Menschen, selbst Flora und Fauna haben sich in den vergangenen 30 Jahren drastisch verändert.
Der aktuelle Schädlingsbefall und die vielen toten Bäume in den Wäldern machen das schmerzlich bewusst. Nur noch jeder vierte Baum in Sachsens Wäldern zeigt keine erkennbaren Schäden.
Der Grüne Günther kann bei der Novellierung des Gesetzes nun zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.
Das will der grüne Minister ändern
Auf Nachfrage erklärt sein Sprecher, dass er künftig die Prioritäten auf einen schnelleren ökologischen Umbau der Wälder in artenreiche Mischwälder mit hohem Laubbaum- und Tannenanteil setzen will. Er plant zudem die Integration des Naturschutzes in die Waldbewirtschaftung. Dass Günther dabei die Wünsche von Wanderern, Berg-, Rad- oder Laufsportlern nicht vergessen sollte, ist ihm bewusst.
Der Minister drückt aufs Tempo beim Anpassen der Wälder an den Klimawandel und der Beseitigung von Waldschäden. Entsprechende Förderprogramme ließ er schon starten. Zur Freude der privaten, kommunalen und kirchlichen Waldbesitzer lag dabei sein Augenmerk nicht nur auf dem Staatsbetrieb Sachsenforst.
Vor allem zwei Aspekte, die ins Gesetz sollen, tragen Günthers Handschrift: der zunehmende Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel sowie die "Auswilderung" von Forst.
Der Sprecher dazu: "Im Staatswald wird bis Ende 2022 ein Zehntel der Waldfläche einer natürlichen Waldentwicklung überlassen. Ein wesentlicher Teil solcher Flächen findet sich bereits heute in den Wäldern der Schutzgebiete von Sachsenforst. Etwa 2,3 Prozent der Staatswaldfläche sollen nun noch zusätzlich in den Forstbezirken von Sachsenforst ausgewählt werden."
Wolfram Günther steht zum Koalitionsvertrag: "Windenergieanlagen im Wald schließen wir aus."
Das wollen andere: Gruppen und Verbände reden ein Wörtchen mit!
Kommunen, Bergsportler, Jäger und Naturschutz - alle wollen ihre Themen ins Gesetzgebungsverfahren einbringen.
- Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetags, Mischa Woitscheck, sagt: "Die Novelle des Waldgesetzes muss einen modernen Ausgleich zwischen den Funktionen des Waldes als Wirtschaftsraum, als Erholungsraum und als Naturraum herstellen."
- Wilhelm Bernstein, der Vizepräsident vom Landesjagdverband Sachsen stellt fest: "Die wirtschaftliche Nutzung des Waldes muss zukünftig parallel zur Klimastabilität, Natur- und Artenschutz, Erholungs- und Freizeitfunktionen stehen." Für die betriebswirtschaftlichen Verluste, die dadurch Waldeigentümern entstehen, fordert er finanziellen Ausgleich. Zudem verlangt er einen Umbau der Forstbehörden: "Die Obere Jagd- und Forstbehörde muss aus dem Staatsbetrieb Sachsenforst herausgelöst werden."
- Rainer Petzold vom Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) erklärt: "Wir erwarten, dass der Erhalt und die Entwicklung der Erholungsfunktion des Waldes neben den anderen Waldfunktionen eine große Bedeutung erhält. Das freie Betretensrecht des Waldes zum Zwecke der Erholung soll dabei unabhängig von der Eigentumsform erhalten bleiben und sogar gestärkt werden." Der SBB würde begrüßen, wenn dieses Betretensrecht die Markierung von Wanderwegen oder die Duldung von Umlenk- und Sicherungshaken für die Bekletterung von Felsflächen beinhaltet.
- Der Vorsitzende vom Naturschutzverband Sachsen Tobias Mehnert möchte, dass der Schutz des Waldes als Lebensraum obenan gestellt wird und landesweit unbewirtschaftete Rückzugsgebiete für bedrohte Arten geschaffen werden. Er schlägt vor, dass Waldbesitzer als Anreiz eine Grundsteuerbefreiung erhalten, "wenn sie dauerhaft auf die nutzungsbedingte Fällung von Bäumen verzichten".
Wie geht's jetzt mit dem Gesetz weiter?
Das ursprünglich im November 2020 geplante öffentliche "15. Forstpolitische Forum des SMEKUL" (fiel wegen Corona aus) wird im Sommer 2021 nachgeholt.
Insbesondere Interessensvertreter aus den Bereichen Waldbesitz, Naturschutz, Wasser, Walderholung, Forst- und Holzunternehmen, Behörden, Forstbeschäftigte und Wissenschaft sollen da zu Wort kommen.
Fürs Jahr 2021 sind die Erarbeitung eines Referentenentwurfs sowie die Abstimmung innerhalb der Staatsregierung geplant. Im Jahr 2022 ist die Anhörung von Verbänden vorgesehen.
Geplant ist, dass der Gesetzentwurf Ende 2022/Anfang 2023 in den Landtag kommt.
Titelfoto: imago images/Westend61