TAG24 mit MP Kretschmer auf Stippvisite in Görlitz: "Wo ich bin, spüre ich positive Energie"
Görlitz - Am 1. September ist Landtagswahl - diesmal wird die Abstimmung so spannend wie nie!
Die Dauer-Dominanz der CDU ist dahin - schafft es die AfD, an ihr vorbeizuziehen? Und was bedeutet das für die Regierungsbildung? Können die Grünen vom starken Interesse am Klimaschutz profitieren?
Wird es die FDP in den Landtag schaffen? In loser Folge begleitet TAG24 Spitzenkandidaten der aussichtsreichsten Parteien. Diesmal: Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU).
Seit der Wende stellt die CDU in Sachsen den Ministerpräsidenten. Bislang unangefochten. Kretschmer ist der erste Regierungs-Chef, der um einen CDU-Sieg kämpfen muss. Und um sein Direktmandat in Görlitz.
Kretschmer kandidiert dort, wo er 2017 gegen die AfD verlor, aus dem Bundestag flog. "Als die Möglichkeit bestand, war klar, dass ich hier antrete", erzählt Kretschmer, während er durch den Görlitzer Ortsteil läuft, wo er aufwuchs. "Ich bin Weinhübler. Es war eine schöne Kindheit."
Mit seinen Eltern wohnte er in einer Werkswohnung der Stadtwerke, gleich neben dem Wasserwerk. Hier, wo sein Vater arbeitete, jobbte er in den Ferien. "Handlanger-Arbeiten waren es." Zeit für eine Stippvisite bei der früheren Nachbarin Irmtraud Hänchen (72) ist noch. Dann muss er weiter.
Hier geht es um die Zukunft Sachsens
Seit er nach dem Rücktritt von Stanislaw Tillich (60, CDU) ins Amt kam, tourt er unablässig durch den Freistaat, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen und gegen die diffuse Unzufriedenheit vieler Sachsen zu kämpfen. Ungewohnt für die CDU. Kretschmer ist überzeugt, dass er nur mit persönlichen Gesprächen die Leute erreicht.
Als Person ist Kretschmer durchaus populär - aber reicht das für die CDU bei der Wahl? Sein Problem: Die Lage im Freistaat ist eigentlich gut, die Stimmung aber schlecht. Wird sie besser?
"Da wo ich bin, spüre ich positive Energie. Es geht doch darum, für das Land mehr zu erreichen", beschwört Kretschmer. Was er meint: Schwarzmalerei der AfD helfe nicht weiter. Die CDU habe Fehler eingeräumt, das Ruder rumgerissen, etwa bei den Lehrern und Polizisten.
Die Regierungsbildung dürfte so schwierig wie noch nie werden. Womöglich ist ein Vierer-Bündnis aus CDU, SPD, FDP und Grünen die einzige Option. Eine Koalition mit AfD und Linken hat Kretschmer ausgeschlossen.
Auch zu den Grünen geht er auf Distanz: "Zwischen uns liegen Welten. Diese Begeisterung, alles zu verteuern, zu regulieren oder zu verbieten, ist nicht meins." Er wolle eine stabile Regierung.
"Eine Minderheitsregierung kommt nicht infrage." Wer Protest wähle, schade sich selbst. "Sie werden am 2. September aufwachen und die Suppe auslöffeln müssen. Der Rest Deutschlands wird den Kopf schütteln und dann seiner Wege gehen. Hier geht es um die Zukunft Sachsens."
"Von Sachsen. Für Sachsen." Das Programm der CDU
In ihrem rund 60-seitigen Regierungsprogramm (Motto: "Von Sachsen. Für Sachsen.") spricht sich die CDU für den Ausbau der Infrastruktur aus, dazu gehört auch schnelles Internet.
Zudem wird die Wiedereinführung der Meisterpflicht versprochen. Sachsen solle zum sichersten Bundesland werden.
Gegenüber Straftätern gebe es null Toleranz. Die Schleierfahndung in Grenznähe soll ausgeweitet werden. Die Ausbildung der Erzieher soll schulgeldfrei werden.
Die CDU will zudem eine Landarztquote einführen sowie den Familiensonntag einführen. An diesem Tag können einmal monatlich staatliche Museen etc. kostenlos besucht werden.
Mit dem "Volkseinwand" sollen die Bürger die Möglichkeit bekommen, vom Landtag beschlossene Gesetze zurückzuweisen.
Vom Görlitzer Stadtrat zum Ministerpräsidenten
Michael Kretschmer (44) ist gebürtiger Görlitzer. Der gelernte Informationselektroniker studierte in Dresden Wirtschaftsingenieurwesen.
Bereits mit 19 Jahren wurde er Stadtrat in Görlitz. 2002 bis 2017 war er Bundestagsabgeordneter. Dann verlor er gegen die AfD-Konkurrenz. Von 2005 bis 2017 gehörte Kretschmer als CDU-Generalsekretär bereits zur Parteispitze.
Stanislaw Tillichs (60, CDU) überraschender Rücktritt 2017 erwischte die CDU kalt. Kretschmer übernahm als CDU-Chef und Ministerpräsident. Im Wahlkampf wird er von seiner Lebensgefährtin Annett Hofmann (44), einer Ex-MDR-Journalistin, unterstützt.
Sie ist auf Plakaten und im Wahlwerbespot zu sehen. Sie leben mit ihren beiden Söhnen (7, 9) in Dresden. Zusammen sanieren sie ein Umgebindehaus im Zittauer Gebirge.