Sachsen, Land der "Querdenker"? So denken die Bürger übers Impfen und die Corona-Regeln
Dresden - Eine erste repräsentative, regionalisierte Studie zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber den Corona-Maßnahmen in Sachsen bestätigt die starke Verbreitung von Impf-Skepsis, Verschwörungsdenken und Regierungskritik.
Es gebe aber Unterschiede zwischen Regionen, sozialen Gruppen, politischer Orientierung, sagte der Direktor des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) der TU Dresden, Hans Vorländer, bei der Vorstellung der Ergebnisse am Mittwoch in Dresden.
"Das Bild, dass Sachsen ein Kernland der Querdenker sei und eine in Teilen renitente Bevölkerung habe, die einzelne Maßnahmen strikt ablehnt, ist so gezeichnet zurückzuweisen."
Die Befunde unterschieden sich nicht grundlegend von denen für Deutschland insgesamt.
"Das Lager der Corona-Kritiker ist stark ausgeprägt", stellte Vorländer fest. Viele der Befragten lehnten die staatlichen Schutzmaßnahmen ab, zeigten Verständnis für Corona-Proteste und ein erheblicher Teil der Bevölkerung sei coronabezogenem Verschwörungsdenken sehr nah.
"Männer sind kritischer als Frauen, Jüngere deutlicher als Ältere und auch bezüglich Ausbildung und Berufstätigkeit gibt es große Unterschiede", sagte Vorländer.
Ebenso fielen AfD-Sympathisanten besonders auf.
Ausgangssperre als wenig sinnvoll erachtet, Maskenpflicht erhält viel Zuspruch
Dabei wiesen Ost- sowie Südwestsachsen in fast allen Kategorien höhere Werte auf als Nordsachsen und die Großstadtregionen, wobei Ostsachsen am kritischsten seien.
In den Landkreisen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Mittelsachsen, Görlitz und im Erzgebirge gibt es laut Vorländer eine sehr hohe Zustimmung zu Corona-Protesten, eine höhere Anfälligkeit für Verschwörungstheorien und Skepsis gegenüber den Maßnahmen.
Während die Ausgangssperre laut Studie für wenig sinnvoll erachtet wird, ist die Zustimmung zur Maskenpflicht mit 58 Prozent sehr hoch.
Kritisiert werden vor allem die sozialen und psychischen Belastungen als Folge der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, besonders von Frauen.
73 Prozent der Befragten sind impfbereit, der Anteil der Impf-Skeptiker liegt mit 21 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Vorländer zufolge sind sie unter Jüngeren überrepräsentiert.
"Wer ohne Kinder im Haushalt lebt, tendiert dazu, das Angebot nicht in Anspruch nehmen zu wollen."
73 Prozent wollen sich impfen lassen, Impf-Skeptiker vor allem in Ostsachsen
Impf-Skeptiker seien eher in Ostsachsen zu Hause. Auch rechts der Mitte oder der AfD zuzuordnende Befragte wollten sich eher nicht oder auf gar keinen Fall impfen lassen.
42 Prozent der Befragten sind mit dem Pandemie-Management der Landesregierung unzufrieden, die Hälfte mit dem des Bundes.
Allerdings findet es rund die Hälfte der Befragten schade, dass die Politik nicht härter durchgegriffen hat. "60 Prozent halten es für richtig, dass der Staat zum Schutz der Gesundheit seiner Bürger notfalls auch private Freiheiten einschränkt."
Coronabezogenes Verschwörungsdenken ist stark verbreitet.
Etwa 44 Prozent glauben, dass die Regierung aus Rücksicht auf die Pharmalobby Nebenwirkungen und Langzeitschäden der Impfstoffe verschweigt.
35 Prozent meinen, sie nutze die Pandemie als Vorwand, um die Bürger zu überwachen, und die Hälfte glaubt, dass die Gefahr in den Medien übertrieben wird.
Vor allem AFD-Anhänger zeigen Sympathie für "Querdenker"
"Eher Männer als Frauen, Arbeiter als Selbstständige und Menschen unterer Einkommensgruppen, sind anfällig, AfD-Sympathisanten besonders exponiert", sagte Vorländer.
Sehr oft seien es Befragte in den Landkreisen Bautzen, Zwickau und Mittelsachsen, am wenigsten im Vogtlandkreis, dem Landkreis und der Stadt Leipzig.
Die meisten Befragten stehen der Bewegung "Querdenken"- und anderen Corona-Protesten distanziert bis ablehnend gegenüber. "Aber 42 Prozent äußern auch Verständnis, rund die Hälfte sogar sehr großes", berichtete Vorländer.
Auch hier seien AfD-Anhänger oder sich eher rechts beschreibende Befragte überrepräsentiert.
Befragte, die selbst eine Infektion durchgemacht oder eine mit schwerem Verlauf im engeren Umfeld erlebt haben, stehen den staatlichen Maßnahmen weniger kritisch gegenüber und sind weniger anfällig für Verschwörungsdenken.
Titelfoto: Bildmontage: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa,