"Rücksichtslose" Abschiebungen nach Venezuela? So reagiert das Innenministerium

Dresden - Der Sächsische Flüchtlingsrat beklagt zwei "drastische Fälle von Abschiebungen". Im Innenministerium will man von den Vorwürfen offenbar nichts wissen.

Der Sächsische Flüchtlingsrat kritisiert "rücksichtslose Abläufe" im Zuge zweier Abschiebungen von Familien nach Venezuela. (Symbolbild)  © Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Die erste Abschiebung sei bereits am 19. Dezember vollzogen worden, als es für Damarys C., ihren Sohn Santiago (11) und ihren Ehemann Euler C. aus Löbau (Landkreis Görlitz) zurück in ihr Heimatland Venezuela gegangen sei, heißt es in einer Mitteilung am Mittwoch.

Am 7. Januar sei auch das Ehepaar Juan und Lucilla M. aus Flöha (Landkreis Mittelsachsen) zurück in das südamerikanische Land abgeschoben worden. In beiden Fällen seien die gesundheitlichen Probleme von Betroffenen ignoriert worden, lautet der Vorwurf.

So habe Euler C. mit "schweren Herzproblemen" zu kämpfen gehabt, Lucilla M. sei bereits für eine Knieoperation in Deutschland eingeplant gewesen und ihr Mann Juan sei an Diabetes erkrankt.

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Abseits der Gesundheitszustände der Venezolaner verweist der Flüchtlingsrat auf weitere "rücksichtslose Abläufe" im Zuge der vollzogenen Abschiebungen. So hätten beide Familien große Anstrengungen unternommen, sich im Freistaat und in Deutschland gut zu integrieren - etwa in Form von regelmäßigen Besuchen eines Deutschkurses.

Den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit lässt das sächsische Innenministerium auf Nachfrage von TAG24 allerdings unkommentiert.

Zwei weitere Sachverhalte werfen ebenfalls Fragen auf.

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Sächsischer Flüchtlingsrat fordert Abschiebe-Stopp nach Venezuela

Das sächsische Innenministerium hat den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit nicht kommentiert.  © Holm Helis

Laut Flüchtlingsrat sei die Familie im ersten Fall erst einen Tag vor ihrer Abschiebung in eine Wohnung gezogen, die ihr vom Sozialamt zur Verfügung gestellt worden sei. Nur um sie einen Tag später wieder zu verlieren?

"Sie durchsuchten unsere Kleidung und Habseligkeiten nach Bargeld. Wir hatten zehn Minuten Zeit, um unsere Sachen zu packen - dann fuhren wir ohne Essen, Wasser oder eine Toilette nach Berlin. Mein Mann musste sich übergeben, sein Auge war stark gerötet, aber niemand kümmerte sich darum", schildert Damarys C. ihre prompte Abreise in der Mitteilung.

Für die Unterbringung sei in diesem Fall der Landkreis Görlitz zuständig gewesen, so die Antwort aus dem Innenministerium.

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Das Ehepaar im zweiten Abschiebe-Fall habe derweil noch einen Sohn, der weiterhin in Deutschland lebe und sich um die Pflege seiner Eltern hätte kümmern können. Dies sei nun nicht mehr möglich.

"Trotz schwerwiegender gesundheitlicher Risiken und der deutlichen Bemühungen um Integration wurden Familien auseinandergerissen und in die Diktatur Maduros abgeschoben", schreibt der Flüchtlingsrat und fordert deshalb einen Abschiebe-Stopp nach Venezuela.

Innenministerium: "Nicht beabsichtigt, Abschiebungen nach Venezuela auszusetzen"

Flüchtlingsrat-Sprecher Dave Schmidtke (34) fordert ein Abschiebe-Stopp nach Venezuela.  © Uwe Meinhold

"Es ist hochgradig paradox, dass das Auswärtige Amt kürzlich die Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie unter Maduro einfordert, aber dennoch aus Sachsen in dieses Land abgeschoben wird", erklärt Flüchtlingsrat-Sprecher Dave Schmidtke (34).

Im Innenministerium sieht man das anders: "Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt, Abschiebungen nach Venezuela gemäß § 60a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aus humanitären Gründen vorübergehend auszusetzen."

Das Staatsministerium verweist darauf, dass jeder venezolanische Staatsbürger hierzulande einen Asylantrag stellen könne.

Die Zustände in Venezuela selbst sowie "inländische Fluchtalternativen" würden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geprüft.

Erstmeldung vom 15. Januar, 11 Uhr. Zuletzt aktualisiert am 16. Januar, 6.29 Uhr.

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