Riesenerfolg, aber trotzdem auf der Kippe: Wie geht's in Sachsen weiter mit dem Deutschlandticket?
Dresden - Das Deutschlandticket wird am 1. Mai ein Jahr alt.
Mehr als elf Millionen verkaufte Tickets stehen für eine Erfolgsstory. Viele feiern das Angebot gar als Tarifrevolution. Nie war es einfacher quer durch die Republik im Nah- und Regionalverkehr zu reisen.
Der monatliche Preis für das Ticket liegt (in der Regel) bei 49 Euro - aber wie lange noch? Die zukünftige Finanzierung des Angebots sowie der Ausbau des ÖPNV sind nach wie vor unklar.
Das Deutschlandticket hat das Leben von Daniel Kräcker (51) verändert. Der Dresdner Programmierer erzählt: "Meine Frau und ich sind jetzt am Wochenende viel mit Bus und Bahn unterwegs. Wir haben uns eine Schlösserlandkarte zugelegt und schauen uns Burgen, Parks und Schlösser an. Der Tarif-Hick-Hack, den es gab, hat uns früher davon abgehalten."
Seit der Einführung des Tickets scheint es Volkssport zu sein, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Wer am Wochenende in Sachsen im Nahverkehr zwischen Zittau und Adorf unterwegs ist, trifft massenhaft Menschen, die auf Sightseeing-Tour sind und sich bei der Fahrkartenkontrolle als Besitzer eines 49-Euro-Tickets outen.
Eine Deutschlandticket-Hoffnung bereits geplatzt
Das hat positive Effekte: Der Städtetourismus hat zugenommen - vor allem in Leipzig und Dresden, die gut ans Bahnnetz angeschlossenen sind. "Die Anbindung an den ÖPNV ist heute ein entscheidender Faktor für eine Destination", sagt deshalb auch Sachsens Tourismus-Ministerin Barbara Klepsch (58, CDU).
Geplatzt ist dagegen die Hoffnung, dass mehr Menschen das Auto in der Woche stehen lassen und Bus & Bahn fahren. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass dies nur in geringem Umfang passiert.
"Das Deutschlandticket ist ein Erfolg und soll es auch bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass auch das ÖPNV-Angebot gesichert und ausgebaut werden muss. Ohne zusätzliche Finanzmittel wird das aber nicht gelingen. Auch darin sind wir Verkehrsminister uns einig", sagte Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (50, SPD) am Donnerstag nach der Verkehrsminister-Konferenz in Münster.
Dort war das Deutschlandticket Topthema und dessen künftige Finanzierung ein Zankapfel!
Zuschüsse von Bund und Land müssen wohl erhöht werden
Bund und Länder stellen 2023 bis 2025 jährlich und jeweils hälftig insgesamt drei Milliarden Euro für das Deutschlandticket zur Verfügung, um Einnahmeausfälle bei den Verkehrsbetrieben auszugleichen.
Die pro Jahr bereit gestellten 1,5 Milliarden Euro vom Bund werden nach einem festen Verteilschlüssel ausgezahlt. Sachsen erhält jährlich 43 Millionen Euro und stellt selbst 43 Millionen Euro bereit.
Ob dieses Geld den Bedarf der Länder deckt, ist ungewiss. Endgültig abgerechnet wird erst 2025 - für 2023. Konkret für Sachsen heißt das: Der Freistaat zahlte 2023 insgesamt 64,1 Mio. Euro an Kommunen und Landkreise. Diese müssen ihrerseits bis März 2025 nachweisen, welche Löcher das Deutschlandticket in ihre Budgets gerissen hat.
"Um das Angebot dauerhaft zu erhalten, ist es wichtig, dass die Zuschüsse von Bund und Land erhöht werden, um die Fahrpläne von Bahn und Bus auszubauen und die Kapazitäten zu erweitern", sagt der Sprecher vom Verkehrsverbund Oberelbe. Ein ehrgeiziges Ziel!
Tatsächlich stehen diverse Nahverkehrsangebote auf der Kippe, weil Geld fehlt. Aktuell verhandelt der Freistaat über die ÖPNV-Mittel für 2024 bis 2027. "Ziel ist es dabei, Bestandsverkehre zu sichern und Abbestellungen zu vermeiden.
Darüber hinaus gehende zusätzliche Angebotserweiterungen sind mit diesen Mitteln voraussichtlich nicht finanzierbar", heißt es aus Duligs Ministerium.
Das sagt Pro Bahn Mitteldeutschland
"Das Deutschlandticket hat sich bewährt und muss weitergeführt werden mit einem attraktiven Preis", sagt Markus Haubold (38), der Vorsitzende vom Fahrgastverband Pro Bahn Mitteldeutschland.
Der Verband wünscht sich, dass es künftig abgestufte Angebote des Tickets gibt - dazu gehören etwa Offerten für Kinder und Familien. Haubold: "Endlich geklärt werden muss auch, wie die Fahrradmitnahme in ganz Deutschland einheitlich funktionieren kann."
Der Fahrgastverband verteilt Hausaufgaben an die Politik: Der Verkehr muss überall ordentlich ausgebaut werden. Dort, wo der Nahverkehr gewachsen ist, sollte nachjustiert werden.
Im ländlichen Raum muss investiert werden, damit die Menschen dort überhaupt an den ÖPNV angeschlossen werden. Markus Haubold: "Das Deutschlandticket hat keinen Wert, wenn im Ort kein Bus fährt."
Titelfoto: Bildmontage: SMWA/Kristin Schmidt, PantherMedia/Sergio Monti