Weltmeister Richard (31) holt Segelflug-WM mit 70 Piloten nach Sachsen
Oschatz - Er ist so etwas wie der Beckenbauer von Oschatz. Der Star-Pilot Richard Münzberger (31) hat zwar keine Fußball-, aber immerhin die Weltmeisterschaft im Segelkunstflug nach 30 Jahren erstmals wieder nach Deutschland geholt.
Wie Beckenbauer ist auch er selber schon Weltmeister und will den Titel jetzt im heimischen Luftraum verteidigen. Dabei sorgt er auf dem Flugplatz in Oschatz für die süßesten Nackenschmerzen des Sommers. Denn wenn die Weltelite der Kunstflieger vom 31. Juli bis 10. August Figuren in den Oschatzer Himmel malt, recken alle neugierig die Köpfe in den Nacken und werden zu Dauer-Luftguckern.
Dass die WM jetzt über deutschem Boden stattfindet - damit ist dem Kunstflug-Weltmeister ein kleines Kunststück gelungen.
Der Gastgeber
Die Kunstflug-WM wird vom kleinen Fliegerclub Oschatz mit knapp 100 Mitgliedern organisiert. Viele Mitglieder opfern für die WM-Vorbereitungen ihren gesamten vierwöchigen Jahresurlaub. Alle stellen sich auf ein riesiges WM-Interesse ein.
Richard Münzberger: "Kamen bei den Deutschen Meisterschaften täglich bis zu 3000 Zuschauer, werden jetzt bis zu 7000 Schaulustige pro Tag erwartet."
Der Weltmeister
Richard Münzberger schnupperte schon als Kind Höhenluft. Als Sechsjähriger fragte er bei einem Flug nach Kenia keck den Piloten, ob er mal mit ins Cockpit darf - er durfte. Der gebürtige Leipziger wuchs in Döbeln und Oschatz auf, studierte in Osnabrück und im englischen Bristol Luft- und Raumfahrttechnik und wohnt jetzt mit seiner Freundin in Berlin.
Beim Fliegerclub Oschatz machte er als 17-Jähriger seinen Flugschein - noch vor dem Führerschein! Er trainiert mit einem polnischen Segelkunstflugzeug SZD-59-1 Acro, Baujahr 2016.
Vor zwei Jahren wurde er damit Deutscher Meister, 2023 in Polen Kunstflug-Weltmeister in der Einzelwertung der Advanced-Klasse.
Der Zuschlag
Die Idee, die Weltmeisterschaft nach Oschatz zu holen, entstand vor zwei Jahren.
"Nachdem unser Verein die Deutsche Meisterschaft 2022 mit 55 Teilnehmern durchgeführt hatte, lobten viele Teilnehmer und Oschatzer die perfekte Organisation und Herzlichkeit untereinander", erzählt Münzberger: "Es sei die beste Meisterschaft seit 30 Jahren gewesen. Deshalb bat uns die ausrichtende Fédération Aéronautique Internationale, dass wir uns dieses Jahr als WM-Ausrichter bewerben sollten."
Das planten die Oschatzer eigentlich erst für 2025. Schließlich machten sie das Rennen gegen konkurrierende Austragungsorte in Polen, Österreich und den USA. Am 31. Juli steigt auf dem Oschatzer Neumarkt die Eröffnungsfeier.
Die Sponsoren
Die Weltmeisterschaft auszurichten, schlägt mit über 100.000 Euro zu Buche - für den kleinen Verein ohne Sponsoren allein nicht zu stemmen. "Allein die Stadt Oschatz hat uns mit mehreren Tausend Euro unterstützt", sagt Münzberger. Oberbürgermeister David Schmidt (CDU) stellt den Marktplatz (Neumarkt) zur Verfügung.
Eine Spedition lässt mehrere 40-Tonner ankarren, um die Startbahn für sanfte Landungen planieren zu können. Zudem helfen der Oschatzer Turn-, Tennis-, Fecht- und Heimatverein, der Sportverein Fortschritt Sachsen sowie der Tanzsportclub ehrenamtlich im Bierzelt, am Bratwurstgrill, an der Hüpfburg oder beim Auf- und Abbau mit.
Der Agrargenossenschaft Altoschatz-Merkwitz gehören die Felder unter dem Flugfeld. "Für den Wettkampf lässt sie den Winterweizen extra früher abernten und wir markieren dann die Kunstflugfläche sowie das Mittelkreuz mit Folien", erzählt Münzberger. Für Süßes zwischendurch präsentiert sich ein Leipziger Start-up mit Fair-Trade-Schokolade. "Das ist bestimmt ein Renner beim Familientag am 4. August", ist sich Münzberger sicher.
Außerdem hat ein Fliegerclub-Vereinsmitglied bei seinem REWE-Händler um Unterstützung angefragt. "Sie sponsern jetzt Lebensmittel und die Milch für den Kaffee", sagt Münzberger. Die WM-Teilnehmer sind in Hotels und Pensionen bis nach Riesa untergebracht. Manche schlafen auch in Zelten oder Wohnmobilen. Münzberger: "Für die WM wird extra ein Campingplatz auf der grünen Wiese eingerichtet, den ein weiterer Sponsor mit Strom- und Wasseranschlüssen ausstattet."
Für WLAN-Router, Laptops und Freizeitsportgeräte wie eine Tischtennisplatte oder ein Kickertisch werden noch Sponsoren gesucht.
Die Teilnehmer
Eine WM-Starterlaubnis haben sich bislang 70 Piloten geholt, darunter auch fünf Frauen. Sie kommen aus Tschechien, Österreich, Italien, der Schweiz, den Niederlanden oder Rumänien. Die am weitesten entfernten Teams fliegen von Australien, Kanada und Japan ein.
Die größte deutsche Konkurrenz kommt jedoch direkt aus den Nachbarstaaten, vor allem aus Frankreich und Polen. "Insbesondere die polnische Nationalmannschaft ist in diesem Jahr gut trainiert", schmunzelt der Kunstflieger.
Die Kunstfiguren
Viele der Luftnummern heißen so, wie sie aussehen: Die "Kneifzange" darf zum Beispiel nicht wie ein Hammer aussehen. Bei der "Käseecke" muss ein dreieckiges Stück in der Luft abgeflogen werden. Die Kunst dabei: "Ein Looping muss exakt rund und darf nicht oval geflogen werden, eine senkrechte Linie nicht halb schräg", erklärt der Kunstflieger.
Bei mancher Figur kommt Münzberger mit 280 km/h an die Grenzen seines Flugzeugs und dem Boden bis zu 200 Meter nah. Die Kraft muss dabei bis zum Schluss der Prüfung reichen, denn Kunstflug-Segelflugzeuge haben keinen eigenen Motor. Sie müssen über ein Verbindungsseil mit einem Motorflugzeug in die Luft gezogen werden.
Der Wettkampf
Die Kunstflug-Wettbewerbe finden in einem Würfel statt. Der hat allerdings stattliche Ausmaße, trumpft mit Kantenlängen von je einem Kilometer in Länge, Breite und Höhe auf. In diesem Riesenwürfel müssen die Flugzeuge ihre Figuren in den Himmel malen - ansonsten gibt's Punktabzug.
In drei bis vier Minuten müssen zwischen acht und zehn Figuren astrein geflogen werden. Alle Figuren und ihre Reihenfolge legt die Jury dabei erst kurz vor dem Start fest, sie müssen von den Teilnehmern auswendig gelernt werden.
Mit bis zu 4000 Punkten Startbonus (richtet sich nach dem Schwierigkeitsgrad der Figuren) heben die WM-Teilnehmer ab. Wer am Ende die wenigsten davon durch Flugfehler eingebüßt hat, kann sich den Pokal schnappen.
Titelfoto: Bildmontage: IMAGO/Sylvio Dittrich ; privat