Noch-Landrat Neubauer über die Demokratie in Deutschland: "Es ist zehn nach zwölf!"

Freiberg/Dorfchemnitz - Wie steht es um die Demokratie in Deutschland? "Es ist nicht nur fünf vor zwölf, es ist zehn nach zwölf", beantwortet Noch-Landrat Dirk Neubauer (53, parteilos) diese Frage in einer Doku der ARD. Auch Thomas Schurig (parteilos), Bürgermeister von Dorfchemnitz, äußert sich darin.

Dirk Neubauer (53) trat im Juli als Landrat zurück.
Dirk Neubauer (53) trat im Juli als Landrat zurück.  © Uwe Meinhold

Der Rücktritt von Mittelsachsens Landrat Neubauer im vergangenen Monat sorgte für viel Gesprächsstoff.

Auch in der ARD-Dokumentation "Machen wir unsere Demokratie kaputt?" machte er die Gründe für seinen Rücktritt noch einmal deutlich: "Dieser unfassbare Hass, der da wächst - das hat schon eine Dimension, die ist schwer zu tragen."

Neubauer spricht erneut von Drohungen, Hass und Hetze, die er und seine Familie in der Vergangenheit immer wieder erfahren haben. "Es sagen Leute zu mir: 'Was haben Sie denn erwartet? Wenn Sie in so einem Amt sind, gehört das dazu.' Nein, gehört es nicht."

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Er habe immer wieder Mails bekommen, die suggerierten, man suche das Gespräch mit ihm. "Wenn Sie dann aber Bilder von diesen Veranstaltungen sehen, dann sehen Sie mich in Sträflingskleidung und da wird geredet von dem größten Feind für den Landkreis - von mir. Das ist keine Einladung zum Dialog, das ist eine Einladung zur Hinrichtung."

"Das ging ziemlich lange und ich habe mir sehr lange eingeredet, dass es mit mir nichts macht. Aber irgendwann ist Ende und das ist jetzt erreicht", so der 53-Jährige sichtlich betroffen und den Tränen nah.

Wo steht die Demokratie jetzt?

Der 53-Jährige sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr.
Der 53-Jährige sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr.  © Kristin Schmidt

"Aus meiner Sicht wird's Zeit, dass wir verstehen, dass es auf jeden Einzelnen ankommt", sagt Neubauer.

Die Demokratie sei überlebenswichtig für uns alle.

"Wenn wir es nicht schaffen, gemeinsam die Dinge auszutarieren, dann werden wir in der Geschichte wirklich rückwärts laufen."

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"Es ist nicht nur fünf vor zwölf, es ist zehn nach zwölf." Dennoch glaubt Dirk Neubauer fest an die Demokratie.

Schurig: "Wenn wir aufhören, miteinander zu reden, dann ist die Demokratie vorbei"

In Dorfchemnitz ist Thomas Schurig (parteilos) seit zwei Jahren Bürgermeister.
In Dorfchemnitz ist Thomas Schurig (parteilos) seit zwei Jahren Bürgermeister.  © imago/Robert Michael

In Dorfchemnitz (Landkreis Mittelsachsen) haben bei der letzten Bundestagswahl knapp 48 Prozent der Einwohner die AfD gewählt.

Bürgermeister Thomas Schurig ist parteilos und betrachtet den hohen Anteil der AfD-Wähler nicht als große Gefahr.

"Ich kann nur die Bürger bei mir in der Gemeinde beurteilen und der Zusammenhalt hier ist sehr gut", so Schurig. "Ich kann mich als Bürgermeister nicht hinstellen und sagen 'Ihr seid von der AfD, mit euch rede ich nicht. Für mich zählt im Gemeinderat die Stimme von jeder Person."

Solange eine Partei auf dem Wahlzettel stehe, sei sie für Schurig demokratisch wählbar. "Wenn ein Staat oder ein Verfassungsschutz denkt, dass es nicht so ist, dann müssen sie diese Partei halt verbieten."

Alle AfD-Wähler über einen Kamm zu scheren, schüre nur Ausgrenzung. "Und wenn man durch die Ausgrenzung nicht mehr miteinander redet, dann wird sich nichts ändern und nichts bessern"

Schurig weiter: "Wir müssen einen Dialog führen. Wenn wir aufhören, miteinander zu reden, dann ist die Demokratie vorbei - dann ist sie am Ende."

Die komplette Dokumentation könnt Ihr Euch in der ARD-Mediathek anschauen oder am heutigen Montagabend, 20.15 Uhr, im Ersten.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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