Noch einen Monat bis zum offiziellen Winterbeginn: Kommt jetzt auch noch die Peitsche vom Pol?
Sachsen - Die Nerven liegen bei vielen Menschen blank angesichts der schlechten Corona-Nachrichten. Beziehungen drohen zu zerbrechen, wenn hierzulande Impfgegner und -befürworter aufeinandertreffen und sich über politische Entscheidungen in Rage reden. Worüber kann man also noch sprechen, ohne ein "Minenfeld" zu betreten? Übers Wetter - und den kommenden Winter!
Wir haben Wetterfrösche gebeten, Prognosen dazu abzugeben. Außerdem berichtet ein Forstmann hier von spannenden Naturbeobachtungen rund um den Globus.
"Kommende Woche könnte es im Erzgebirge schon winterliche Allüren geben. Lange wird uns dieses Winterwetter aber nicht erhalten bleiben", sagt der Hobby-Meteorologe Sören Klippstein (32). Der Freiberger beschäftigt sich seit 20 Jahren in seiner Freizeit mit Wolken, Windstärken und Warmfronten über dem Erzgebirge.
Sören Klippstein erklärt auf Facebook aktuelle Wetterlagen, die die Menschen zwischen Altenberg und Johanngeorgenstadt staunen oder schwitzen lassen. Über die baldige Stippvisite des Winters sagt er: "Ursache dafür ist die gestörte Zirkulation des Polarwirbels Ende Oktober. Sie wird jetzt für uns wetterwirksam."
Obwohl Klippstein Wetter-Parallelen zwischen den Jahren 2010 und 2021 sieht, erwartet er keinen Rekordwinter, wie es ihn 2010 gab.
"Das wird ein Winter, der seinem Namen alle Ehre machen wird"
Auch die Jahreszeitenvorhersage des Deutschen Wetterdienstes, die jeweils die Abweichungen des Niederschlags und der Temperatur vom Mittel der Jahre 1990 bis 2019 abbildet, kommt gänzlich ohne Superlative aus. Im Modell ist zu sehen, dass der Niederschlag in Deutschland sich in den Monaten November, Dezember und Januar etwa im langjährigen Durchschnitt bewegt.
Im Gegensatz zu den vergangenen - überdurchschnittlich warmen - Jahren spricht die Vorhersage für die diesjährigen ersten Wintermonate nur von einer im Vergleich leichten Temperaturerhöhung von 0,2 bis 0,5 Grad Celsius.
"Das wird ein Winter, der seinem Namen alle Ehre machen wird", meint der prominente Medien-Meteorologe Kai Zorn (47). Der Tölzer betreibt einen eigenen, sehr erfolgreichen YouTube-Channel und beobachtet und interpretiert die Entwicklungen der Großwetterlagen.
Er glaubt: "Der kommende Winter wird ein Spiegel des vergangenen, aber mit längeren, intensiven Kaltphasen und kürzeren, schwächeren Warmphasen." Die Chancen für weiße Weihnachten stehen nicht besser oder schlechter als in den Vorjahren, so Zorn. Zudem hält er es für sehr gut möglich, dass Väterchen Frost erst Ende April die Puste ausgehen wird.
Der Diplom-Meteorologe Dominik Jung (44) vom privaten Wetterdienst "Q.met" nutzt verschiedene Langfristwettermodelle von nationalen Wetterdiensten, um abzuschätzen, was die kalte Jahreszeit bringen wird. Jung: "Seriöse Modelle sagen, dass der kommende Winter leicht zu warm werden soll, zu warm im Vergleich zu den aktuell vergangenen 30 Jahren von 1991 bis 2020." Natürlich schließt das nicht aus, dass es auch mal Schneefälle geben könnte. "Unterm Strich ist aber nichts Extremes an Winterwetter mit Kälte und Schnee in Sicht", so Jung.
Pflanzen deuten nicht auf Extremwetter hin
Verrät uns Mutter Natur, wie der Winter wird? "Bei den Pflanzen finden wir keine Anzeichen, die auf einen Winter mit extremem Wetter hindeuten würden", sagt Forstingenieur Alexander Peters (59) aus Berggießhübel. Eindeutige Aussagen könne man aber treffen in Bezug auf Abweichungen in den Vegetationszyklen als Folge von klimatischen Veränderungen.
Peters beschäftigt sich seit fast drei Jahrzehnten im Staatsbetrieb Sachsenfort mit dem Monitoring und Datenmanagement der Phänologischen Gärten und Waldklimastationen im Freistaat. "Solche Gärten gibt es auf der ganzen Welt. Sie wurden eingerichtet, um vergleichbare phänologische Daten erheben zu können.
Die verschiedenen Pflanzen in all diesen Gärten stammen von jeweils einer Mutterpflanze ab. Das heißt, sie sind alle genetisch identisch. Das ist wichtig für die Vergleichbarkeit der Messdaten", erklärt Peters.
Hierzulande werden über ein Dutzend dieser Gärten von Sachsenforst, Forschungsinstituten, dem Deutschen Wetterdienst, Ehrenamtlichen und Studierenden gepflegt, betreut und beobachtet. Man unterscheidet bei diesen Anlagen zwei Typen: jene, die Waldökosysteme und jene, die Obstbäume und eventuell Zierpflanzen im Fokus haben.
Die Betreuer der Gärten dokumentieren fortlaufend genau zum Beispiel bei Fichte, Apfelbaum und Schneeglöckchen, wann die Pflanzen blühen oder austreiben. Die Humboldt-Universität zu Berlin und die Internationale Gesellschaft für Biometeorologie beschäftigen sich mit der Auswertung der entsprechenden Daten.
Die Beobachtungen erlauben zusammen mit den weltweit gesammelten Wetter- und Klimadaten Rückschlüsse auf allgemeine Trends. Alexander Peters: "Die Vegetationsperiode des Vorfrühlings beginnt in unseren Breitengraden mittlerweile fünf bis zehn Tage eher."
Das bedeutet Phänologie
Die Phänologie erfasst die Entwicklungsschritte bestimmter Wild-, Zier- und Nutzpflanzen, aber auch Beobachtungen aus der Tierwelt wie das Eintreffen der ersten Schwalben oder das Schlüpfen der ersten Maikäfer.
Von diesen Naturphänomenen abgeleitet entstand der phänologische Kalender. Dieser kennt zehn Jahreszeiten, deren Beginn durch konkrete, sogenannte Zeigerpflanzen definiert ist.
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