Neues Wohngeld-Gesetz: Droht jetzt das große Chaos?
Dresden/Berlin - Der Bundesrat in Berlin nickte gestern - wie zuvor schon der Bundestag - das neue "Wohngeld-Plus-Gesetz" ab. Es wird ab 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen mit Blick auf die steigenden Wohnkosten stärker unterstützen. Das Gesetz stellt die umfangreichste Reform des Wohngelds dar. Sachsen stimmte der Reform zu. Wohl wissend, dass die kommunalen Verwaltungen Schiffbruch erleiden können, wenn nun eine Flut von Wohngeld-Anträgen über sie hereinbricht.
Sachsen ist nach Mecklenburg-Vorpommern das Land mit den zweitmeisten Wohngeldhaushalten. 2,1 Prozent aller Haushalte mit Hauptwohnsitz im Freistaat Sachsen bekamen 2020 die Unterstützung.
Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt lag bei 1,5 Prozent. Mit Blick auf die beschlossene Wohngeld-Reform sagt Oliver Schenk (54, CDU), der Chef der Sächsischen Staatskanzlei sowie Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten: "Wir rechnen mit einem Faktor von 2,5 bis 3 bei der Zahl der Begünstigten in Sachsen." Soll heißen: Die Zahl möglicher Empfänger wird rasant ansteigen.
Die sächsische Regierung erwartet durch das neue Wohngeld-Gesetz hierzulande jährliche Mehrkosten in Höhe von 75 Millionen Euro. Hinzu dürfte noch eine hohe Summe als sogenannter Mehrbelastungsausgleich kommen. Der wird von den Kommunen gegenwärtig vehement gefordert, denn sie sind für die Bearbeitung der Wohngeld-Anträge zuständig.
Weil die "Wohngeld Plus"-Reform in kürzester Zeit - mit guten Absichten - durchgepeitscht wurde und jetzt eiligst Fachkräfte zur Bearbeitung der Anträge aufgestockt werden müssen, sehen sich Städte und Landkreise in erheblichen Schwierigkeiten.
Wohngeldbezieher werden in den kommenden Monaten viel Geduld benötigen
Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages Mischa Woitscheck (56) erklärt: "Die Wohngeldstellen werden nicht in der Lage sein, bis zum Inkrafttreten der Reform Anfang 2023 das zusätzliche Personal einzustellen und zu schulen, das erforderlich ist, um eine mindestens dreifache Zahl an Wohngeldanträgen zu bearbeiten."
Er erwartet vom Land "konstruktive Abstimmungen", wie den Kommunen die zusätzlichen Personal- und Sachkosten ausgeglichen werden. Woitscheck spricht von "praktisch unzumutbaren Fristen", die der Bund den Kommunen setzt. Er schimpft, dass das Land in Sachen Mehrbelastungsausgleich "den Kopf in den Sand steckt".
Seine düstere Prophezeiung: Wohngeldbezieher werden die nächsten Monate sehr viel Geduld aufbringen und einen Antragsstau akzeptieren müssen.
Mischa Woitscheck: "Wir bedauern dies, weil damit ein wichtiges politisches Vorhaben gleich beim Start mit sehr viel Unmut auf allen Seiten verbunden sein wird."
Titelfoto: IMAGO/Political-Moments