Neuer Bericht: Sicherheit in Sachsen ist besser als ihr Ruf!

Dresden - Sachsens Ministerien für Inneres und Justiz veröffentlichten in dieser Woche gemeinsam den zweiten periodischen Sicherheitsbericht (PSB).

Kriminaltechniker untersuchen einen Tatort in der Dresdner Altstadt.
Kriminaltechniker untersuchen einen Tatort in der Dresdner Altstadt.  © Roland Halkasch

Der analysiert unter anderem die Unterschiede zwischen der Wahrnehmung von Kriminalität und den tatsächlichen Fallzahlen. Außerdem betrachtet er die Entwicklung von Kriminalität von 2019 bis 2023.

Lest hier, wie der Innenminister und die Parteien die Ergebnisse des Berichts einordnen und welche Schlüsse sie ziehen - für die zukünftige Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und für die Sicherheits-, Sozial- und Bildungspolitik.

Die gefühlte Lage

Cybercrime befindet sich auf dem Vormarsch.
Cybercrime befindet sich auf dem Vormarsch.  © 123rf/princeph

Bei einer Umfrage gaben 69 % der Befragten an, dass die Kriminalität in Sachsen in den letzten zwölf Monaten eher zu- bis stark zugenommen hat (2022: 46 %). Gut zwei Fünftel der Befragten halten es für "eher bis sehr wahrscheinlich", innerhalb des Jahres Opfer eines Betrugs im Internet zu werden.

Cyberkriminalität und Eigentumsdelikte bereiten der sächsischen Bevölkerung die größten Sorgen. Sogenannte Vorurteilskriminalität oder sexuelle Belästigung werden als weniger dringlich eingestuft.

Das Gros der Menschen fordert härtere Strafen für Delinquenten und eine bessere Ausstattung der Polizei. Private Cops oder Bürgerwehren werden überwiegend abgelehnt.

Darunter auch die "Freien Sachsen": Innenminister wollte rechte Gruppen verbieten lassen
Sachsen Darunter auch die "Freien Sachsen": Innenminister wollte rechte Gruppen verbieten lassen

Paradox: Gleichzeitig fühlen sich 97 % der Menschen in Sachsen tagsüber "eher bis sehr sicher" - insbesondere in ihrem Wohnviertel. Als unsicher nimmt eine Mehrheit Parks, Bahnhöfe und den ÖPNV wahr.

Die tatsächliche Lage

Beamte einer Tatortgruppe in Leipzig.
Beamte einer Tatortgruppe in Leipzig.  © dpa/Hendrik Schmidt

Im Bundesvergleich liegt die Kriminalitätsbelastung hierzulande im Mittelfeld. Rein statistisch betrachtet stieg nach der Corona-Pandemie die Zahl der in Sachsen erfassten Straftaten von 2021 bis 2023 um 49.806 Fälle (rund 20 %) an.

Dazu muss allerdings unbedingt angemerkt werden, dass es auffällige Zunahmen bei Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz/EU (ausländerrechtliche Verstöße) gab. Diese Entwicklung steht direkt in Beziehung zu den gestiegenen Zuwanderungszahlen und verstärkten Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen.

Klammert man die ausländerrechtlichen Verstöße aus, so befinden sich die polizeilich erfassten Fallzahlen von 2023 nahezu auf dem Niveau von 2019. Fakt ist, dass sich die Kriminalität wandelt. Diebstahl ging zurück.

Dafür nahmen Raub, Cybercrime, Körperverletzung sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Kinder- und Jugendkriminalität zu.

Der Anteil ermittelter nicht-deutscher Tatverdächtiger stieg deutlich. Hier ist wiederum herauszuarbeiten, dass bestimmte Delikte (bspw. unerlaubte Einreise) im Prinzip nur Personen ohne deutschen Pass begehen können.

Ausgewählte Aussagen zu Straftatbeständen

Fälle geschlechtsspezifischer Kriminalität haben in Sachsen in den letzten Jahren zugenommen.
Fälle geschlechtsspezifischer Kriminalität haben in Sachsen in den letzten Jahren zugenommen.  © 123RF/bialasiewicz
  • Gewalt gegen Frauen: Die geschlechtsspezifische Kriminalität nimmt zu (+22 %). Vorsätzliche einfache Körperverletzungen machen da etwa ein Drittel der Straftaten aus. Bei Fällen von Zwangsheirat, Stalking, Freiheitsberaubung und Bedrohung verzeichnete man einen Anstieg um 28 Prozent an. Viele Straftaten passieren im sozialen Umfeld der Opfer. Man geht davon aus, dass viele Fälle nicht angezeigt werden. Aus Furcht ändern Frauen ihr Verhalten und meiden bestimmte Situationen bereits.
  • Diebstahl: Die Bekämpfung der Diebstahlkriminalität wird auch zukünftig erhebliche Ressourcen der sächsischen Ermittlungsbehörden binden, so die Einschätzung.
  • Geldwäsche: Seit 2019 registrierte man fünfmal mehr Fälle (2023: 546) und noch mehr Verdachtsfälle. Allerdings gab es nur unwesentlich mehr Verurteilungen.
  • Rauschgiftkriminalität: Vor seiner Freigabe war Cannabis mit einem Anteil von rund zwei Dritteln an allen Rauschgiftdelikten die mit Abstand am häufigsten vorkommende Drogenart. Rauschgift wird immer mehr übers Internet gehandelt. Bedenklich ist die Zunahme an Kokain-Delikten (+81 %).
  • Hasskriminalität: Sie grassiert - vor allem dort, wo unkontrolliert und anonym kommuniziert werden kann, greift Hass um sich.

So unterschiedlich bewerten die Parteien das Papier

Albrecht Pallas (45, SPD).
Albrecht Pallas (45, SPD).  © imago/Sven Ellger

Sachsens schwarz-grün-rote Vorgänger-Regierung schrieb in ihrem Koalitionsvertrag fest, dass ein erster PSB erstellt wird. Das Papier sollte Experten, Öffentlichkeit und vor allem den Landtag umfassend über die Sicherheitslage informieren. Das sagen jetzt die innenpolitischen Sprecher von AfD, SPD und Linken zum 2. PSB.

Sebastian Wippel (44, AfD): "Wenn rund 70 Prozent der Sachsen das Gefühl haben, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert, ist das eine Ohrfeige für die Regierung und zugleich ein klarer Arbeitsauftrag. Wir brauchen härtere Strafen für Kriminelle, mehr Polizeipräsenz, Grenzkontrollen und konsequente Abschiebungen."

Albrecht Pallas (45, SPD): "Wir erhöhen die Sicherheit und bekämpfen die Kriminalität in Sachsen entschlossen. Doch die Kriminalität entwickelt sich immer weiter. Wir setzen uns für eine Verstetigung des PSB mit angemessenen Ressourcen ein. Dann kann Kriminalpolitik wirksam und nachhaltig werden."

Rico Gebhardt (61, Die Linke): "Wir verhindern Kriminalität am besten mit Prävention. Wer keine Armut kennt, mit Gewalterfahrungen und Suchtproblemen nicht alleingelassen wird und auf ein stabiles soziales Umfeld bauen kann, hat eine viel geringere Neigung, kriminell zu werden. Merkwürdig ist, dass Kriminalprävention dennoch kein Schwerpunkt im Haushaltsentwurf der Staatsregierung ist."

Sebastian Wippel (44, AfD).
Sebastian Wippel (44, AfD).  © Petra Hornig
Rico Gebhardt (61, Die Linke).
Rico Gebhardt (61, Die Linke).  © Thomas Türpe

Minister gegen allzu viel Milde bei jungen Tätern

Innenminister Armin Schuster (62, CDU).
Innenminister Armin Schuster (62, CDU).  © DPA/Robert Michael

Drei Fragen zum Bericht an Sachsens Innenminister Armin Schuster (62, CDU).

TAG24: Welcher Trend in der Entwicklung der Kriminalität macht Ihnen am meisten Sorgen?

Armin Schuster: Ganz klar der starke Anstieg bei Jugendlichen und sogar Kindern. Da kommen Sicherheitsbehörden an ihre Grenzen und das völlig zu Recht. Polizisten sollen und können nicht ersetzen, was zu Hause an Erziehung zu leisten ist.

TAG24: Wo zeigt die Studie Ihrer Ansicht nach wichtige Ansatzpunkte?

Schuster: Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung entspricht nicht der Tatsache, dass wir eines der sichersten Länder in Deutschland sind. Es geht also um subjektive Sicherheit und deshalb setzen wir verstärkt auf unsere Bürgerpolizisten und zum Beispiel die Sondereinheit für Jugendbanden. In Dresden zeigt diese Arbeit bereits messbare Erfolge.

TAG24: Welche Konsequenzen für die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz ziehen Sie aus der Studie?

Schuster: Polizei und Justiz sollten junge Erwachsene, die Straftaten begehen, konsequent nach Erwachsenenstrafrecht behandeln. Ich bin mir mit der Justizministerin einig, dass bei 18- bis 21-Jährigen der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts grundsätzlich keine Rolle mehr spielt. Wer volljährig ist, muss in allen Bereichen des Lebens volle Verantwortung für sein Tun und Handeln übernehmen. Das sollte dann auch vor Gericht gelten.

Viel mehr als nur Zahlen

Polizisten auf der Leipziger Eisenbahnstraße bei einer linken Protestaktion gegen die Räumung eines besetzten Hauses. Von 2019 bis 2023 hat sich die Stellenanzahl der Polizeibediensteten in Sachsen um rund vier Prozent auf 14.315 erhöht.
Polizisten auf der Leipziger Eisenbahnstraße bei einer linken Protestaktion gegen die Räumung eines besetzten Hauses. Von 2019 bis 2023 hat sich die Stellenanzahl der Polizeibediensteten in Sachsen um rund vier Prozent auf 14.315 erhöht.  © dpa/Sebastian Willnow

Periodische Sicherheitsberichte (PSB) sind umfängliche und wissenschaftlich fundierte Einschätzungen der Kriminalitätslage.

Die Berichte sind breit angelegt, analysieren komplex und dienen der strategischen Bewertung. Kriminologen, Soziologen und Juristen arbeiten dafür zusammen.

Das unterscheidet die Berichte im Wesen von Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS). Diese zeigen lediglich, welche Straftaten der Polizei bekannt werden und wer verdächtigt wird.

Der Bund gab 2021 seinen dritten PSB heraus.

Titelfoto: Bildmontage: dpa/Sebastian Willnow, 123RF/bialasiewicz

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