Nachwuchskräfte aus 70 Ländern treten gegeneinander an! Sachsens Starter bei Berufe-WM
Lyon/Berlin/Dresden - Auch das Olympia der Berufe hat sich Frankreich in diesem Jahr geschnappt. Und wie bei Top-Athleten und Paralympioniken trainieren die weltweit besten Nachwuchs-Handwerker und -Dienstleister nahezu täglich hart für die angestrebte Goldmedaille. In der kommenden Woche (10.-15. September) steigt in Lyon die Worldskills 2024. Im 42-köpfigen Team der deutschen Nationalmannschaft sind auch sechs Hoffnungsträger aus Sachsen dabei.
Ob einer davon auch der Fahnenträger bei der pompösen Eröffnungsfeier sein wird, stimmen die Teilnehmer vorher noch ab. In 59 Disziplinen treten 1400 Nachwuchs-Experten (maximal 22 Jahre) aus 70 Ländern an, Deutschland nimmt bei 37 Berufen teil.
Den Wettkämpfern werden äußerst knifflige Aufgaben aus ihrem Berufsfeld gestellt. Dass dabei alles bis auf den Millimeter akkurat gefertigt wird, versteht sich von selbst. Aber auch mit Kreativität und Geschwindigkeit kann man punkten.
Um in der Nationenwertung möglichst weit oben zu landen, ziehen die Deutschen die Vorbereitung auf die Berufe-WM hochprofessionell auf. Die meisten Teilnehmer haben sich in ihrem Fach bereits als Deutscher Meister durchgesetzt.
Die einzelnen Branchenverbände stellen erfahrene Nationaltrainer, welche mit den Kandidaten detaillierte Trainingspläne ausarbeiten. In Vorbereitungstreffen wurde am Teambuilding gefeilt und die Wettkämpfer durch Psychologen aus dem Profi-Sport geschult.
Anders als bei Olympia erfahren die Teilnehmenden nicht direkt nach dem Wettkampf, ob sie gewonnen haben. Sie müssen bis zur großen Abschlussfeier mit den Siegerehrungen warten.
Landschaftsgärtner
Der Landschaftsgartenbau ist einer der wenigen Berufe, in dem man bei Wettkämpfen als Zweierteam antritt. Und der sächsische Galabau-Verband platzt fast vor Stolz: In den letzten vier Jahren stellte Sachsen dreimal den Bundessieger. Bei der Bundesgartenschau in Mannheim setzten sich 2023 Theo Kleinstäuber aus Bad Gottleuba und der Dresdner Anton Schimeck durch, die ihre Lehre gemeinsam bei der Pomosus Garten- und Landschaftsbau Dresden abschlossen.
Während Theo schon seit Kindesbeinen die Geheimnisse des Fachs im elterlichen Betrieb kennenlernte, gab es bei Anton eine zufällige Inspiration: "Unser Nachbargrundstück wurde durch Landschaftsgärtner umgestaltet, da sprang der Funke über."
Die beiden inzwischen 20-Jährigen arbeiten mit einem nahezu blinden Verständnis Hand in Hand, führen die Gestaltung aber auch mit höchster Präzision aus - mit Umsicht und Verstand.
In den letzten Monaten trafen sie sich teils mehrmals pro Woche, um sich für Lyon einzuspielen.
Pflege
Die angehende Pflegefachfrau Anna Telle (20, zweites Lehrjahr) aus Chemnitz tritt in der Disziplin Gesundheits- und Sozialbetreuung an. Ihr Lebensmotto "immormiddorruhe" wird im Moment hart auf die Probe gestellt. Für ihre Hobbys Singen, Ukulele spielen und Kraftsport bleibt gerade wenig Zeit. Denn die Deutsche Meisterin paukt 280 Kriterien aus 30 Krankheitsbildern, die sie fehlerfrei beherrschen muss.
Ihre Eltern arbeiten ebenfalls in der Pflege, die Mutter etwa als Expertin für Wunden. Darüber wurde auch am Abendbrottisch gesprochen. Anna: "Was meinem Bruder den Appetit verdarb, weckte bei mir den Hunger auf mehr Wissen in diesem Gebiet."
Die Zeisigwaldkliniken Bethanien in Chemnitz haben ihrer Auszubildenden kürzlich ein komplettes Zimmer geblockt und eine intensive Trainingswoche anberaumt.
Ihre Mitschülerinnen durften dabei sein, um Anna etwas auf den WM-Trubel vorzubereiten.
Sanitär, Heizung, Klima
Für Julius Dohr (20) entstand der Berufswunsch des Anlagenmechanikers für Sanitär, Heizung und Klima (SHK), als im elterlichen Haus in Schkeuditz die Heizung ausfiel. Julius: "Da kam dann ein netter Handwerker zu uns und merkte, dass ich ihm ganz gespannt dabei zusah. Er erklärte mir alles genau. Da wusste ich, dass ich den Beruf erlernen möchte."
Inzwischen hat er bei der Glesiener Haustechnik GmbH bereits seinen Gesellenbrief gemacht. Gegen die deutsche Konkurrenz setzte er sich durch, als er im Wettbewerb das Völkerschlachtdenkmal aus Kupferrohr baute.
Für die Goldmedaille in Lyon überlässt er nichts dem Zufall. Julius hat sich selbst ein Trainerteam aus einigen ehemaligen Titelträgern zusammengestellt.
Dazu gehört auch der aus dem Erzgebirge stammende Nathanael Liebergeld, der 2015 in São Paulo Gold für Deutschland holte.
Floristik
Die Inspiration und die Materialien für ihre Meisterwerke holt sich die Floristin Kim Büchold (19) in der Natur ihres Heimatdorfes Mülsen (bei Zwickau). Hier begann sie im Laden "La Floria" bei ihrer Mutter auch die Ausbildung, in der Berufsschule Dresden verfeinerte sie ihre Kenntnisse und Fertigkeiten.
Den Anstoß für die Bewerbung bei den Worldskills gab ihr der Berliner Starflorist Björn Kroner, der die Fernsehsendung "Garten & Lecker" moderiert und ihr außergewöhnliches Talent bemerkte. Tatsächlich wurde Kim Deutsche Meisterin und wird nun auch von Kroner auf die WM vorbereitet.
Mit der Teilnahme wünscht sich die Blumenzauberin auch eine veränderte Wahrnehmung ihres Berufsfeldes. Kim: "Wir sind Künstler und verdienen diese Anerkennung und ein entsprechendes Gehalt."
Neben Friseuren sind Floristen die Ausbildungsberufe mit dem geringsten Gehalt in Sachsen.
Betriebs-Elektronik
"Schnell und effizient", so beschreibt sich Moritz Gersch (19) aus Bannewitz selbst. Und die Eigenschaften braucht der Elektroniker für Betriebstechnik auch, wenn er möglichst viele Punkte in der Disziplin Elektroinstallation erreichen möchte. Und es trifft sich gut, dass der deutsche Nationaltrainer dafür auch sein Arbeitskollege bei SachsenEnergie in Dresden ist.
Kürzlich trainierte Moritz gemeinsam mit den Konkurrenten aus der Schweiz und Italien, um voneinander zu lernen und sich optimal für die Olympiade der Berufe vorzubereiten.
Sein Ziel ist zumindest eine Exzellenz-Medaille. Moritz: "Auf alle Fälle will ich besser sein als die Schweden. Denn dorthin will ich vielleicht mal auswandern und mein Können zeigen."
Die Kontaktaufnahme könnte in Lyon leichtfallen, denn die Deutschen sind gemeinsam mit Ungarn und Schweden im selben Hotel untergebracht.
Titelfoto: Montage: Norbert Neumann, Uwe Meinhold, Luise Schumann