Klingenthal - Sie zeigt abgerissene Finger, verstümmelte Hände und den tragischen Tod eines 22-Jährigen aus Oschatz, der durch ein geschossartig herumfliegendes Teil eines verbotenen Silvesterknallers förmlich hingerichtet wurde.
Die Präventionsbeauftragte Doreen Weber (49) fährt schwere Geschütze auf, um Schüler vor den Gefahren illegaler Böller zu warnen. Ihre schaurigen Schockmomente sollen unbedarfte Pennäler vor dem Schicksal als verstümmeltes Opfer gleichgültiger Knallerei retten. Wir wollten wissen, ob der blutige Nachhilfeunterricht wirkt.
Er hat die Hände in den Taschen, schlendert lässig auf die Kamera zu. Er hatte eine verreckte Kugelbombe noch einmal gezündet. Was dann passierte, weiß er nicht mehr, gesteht ein junger Mann im Video und zieht dann plötzlich seine Hände aus den Hosentaschen. Schockmoment! Statt Finger hat er nur noch Stumpen. Die Explosion hat ihm beide Hände zerschmettert.
Es ist still im Mehrzweckraum vom Sportcampus in Klingenthal (Vogtland). Die Schüler der Klassen 9a und 9b halten kurz den Atem an. Der Junge im Film ist kaum älter als sie. Die Schockaufnahmen wirken, wenn es auch keiner offen zugeben will. Manche grinsen sogar.
"Das ist oft ein Ausdruck von Verlegenheit, genau wie etwas vermeintlich wegzulachen", sagt die Polizistin. "Jugendliche wollen trotz der verschreckenden Bilder cool wirken und geben vor Mitschülern und der Clique nicht gern zu, dass sie emotional berührt sind."
Polizeihauptkommissarin warnt: "Kauft keine Böller auf den grenznahen Märkten in Tschechien!"
Polizeihauptkommissarin Doreen Weber (49) kennt ihre Pappenheimer genau. Seit elf Jahren ist sie Präventions- und Opferschutzbeauftragte bei der Bundespolizeiinspektion in Klingenthal, Dienstort Plauen. Jahr für Jahr ist ihr Silvestermantra dasselbe: "Kauft keine Böller auf den grenznahen Märkten in Tschechien!"
Pyrotechnik der Kategorien F1 - Kleinfeuerwerk - und F2 - Silvesterfeuerwerk - darf man zwar ohne Erlaubnis nach Deutschland einführen.
"Bei F1 liegt das Mindestalter bei zwölf Jahren, für F2 schon bei 18 Jahren", sagt sie. Die Kategorien F3 und F4 für Mittel- und Großfeuerwerke darf man ohne Sondererlaubnis gar nicht einführen und sind Fachleuten vorbehalten.
"Manche Knaller vom Tschechenmarkt tragen doch sogar ein CE-Prüfzeichen und eine BAM-Nummer", wendet jemand ein. "Oft ist diese angebrachte BAM-Registriernummer der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung jedoch gefälscht oder nur zum Schein aufgeklebt", weiß Weber.
Warnung von der Polizei: "Die Einfuhr nicht gekennzeichneter Pyrotechnik ist eine Straftat"
Ein tschechischer Fachlehrer aus der Schule habe ihr gerade erzählt, dass selbst seine Landsleute ihre Silvesterböller sicherheitshalber nur in Deutschland kaufen. Denn in illegalen Knallern mit bombastisch klingenden Namen wie "La Bomba" oder "Viper" steckt nicht Schwarzpulver wie bei sachgerecht geprüften, sondern ein sprengstoffähnlicher Blitzknallsatz (BKS).
"Die Einfuhr nicht gekennzeichneter Pyrotechnik ist eine Straftat. Einige Gramm BKS reichen bereits aus, um Toilettenbecken oder ganze Waschmaschinen auseinander zu sprengen", beweist Weber in einer weiteren Videosequenz.
Gliedmaßen sind überhaupt kein Hindernis für einen BKS-Wumms. Die Röntgenaufnahmen von zertrümmerten sowie abgerissenen Hand- und Fingerknochen tun schon beim Hinschauen weh. Spätestens jetzt ist jedem klar: Hier geht's nicht um Spaß mit Böllern - das sind Bomben!
Im vergangenen Jahr erst ist ein 22-Jähriger in der Oberlausitz beim Zünden einer Kugelbombe mit BKS ums Leben gekommen. Dann wieder Zweifel. Man könne doch an der Länge der Zündschnur abschätzen, wie lange sie brennen wird und sich in Sicherheit bringen.
"Ein Trugschluss", warnt Weber. "Bei Kugelbomben ist die Zündschnur zwar länger, die Bombe explodiert aber sofort nach der Zündung."
Kleiner Böller kann junge Menschen zum Bankrott führen
Nachdem aufrüttelnde Bilder mehr gesagt haben als tausend mahnende Worte, bringt Weber noch den Faktor Geld ins Spiel: "Wird jemand mit Pyrotechnik ab Kategorie F3 erwischt, muss immer unsere Entschärfergruppe aus Dresden anrücken. Die Kosten für den Abtransport in Spezialbehältern und die spätere Vernichtung liegen bei 100 Euro aufwärts", rechnet sie vor.
Auch das sogenannte Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion oder eine gefährliche Körperverletzung durch Feuerwerkskörper kann teuer werden. Weber: "Man ist bereits ab dem siebten Lebensjahr schadenersatzpflichtig und die Verjährung dauert 30 Jahre." So kann ein kleiner Böller schon in jungen Jahren zum Bankrott führen.
Am Ende die entscheidende Frage an die Schüler: Haben Webers Lektionen gewirkt, um über die eigene Silvesterböllerei nachzudenken? Nur einer traut sich in der Masse zaghaft, sich zu melden.
"Ich werde jetzt wohl eher vor dem Haus mit Freunden böllern als in einer großen Menschenmenge", sagt Jonas (16) aus der 9b. Doch Weber ist sich sicher, dass sie auch die schweigende Mehrheit zum Nachdenken gebracht hat.