Ohne abzuheben! Diese Sächsin "fliegt" zum Mars
Plauen - Der Raumanzug lässt sie in eine ferne Welt abtauchen: Anika Mehlis (42) probt als Analog-Astronautin den tatsächlichen Aufenthalt auf dem Mars. Zuletzt war sie für die Expedition "AMADEE-24" in Armenien im Einsatz. Über vier Wochen erforschte die Vogtländerin gemeinsam mit einem internationalen Team das Zusammenspiel von Mensch und Technik. Die gesammelten Erfahrungen sollen künftigen wissenschaftlichen Operationen auf dem Roten Planeten dienen.
Für die Mission zeichnete sich das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) verantwortlich. Mehlis agierte vor Ort als Teamleiterin. "In Analogie zum Mars haben wir auf der Erde die Abläufe trainiert. Dies war im Ararat-Gebirge aufgrund der geografischen und geologischen Gegebenheiten möglich", erzählt die 42-Jährige.
Dass sie in ihrem Leben überhaupt einmal mit Raumanzug durch die Steinwüste laufen würde, war vor wenigen Jahren noch gar nicht abzusehen.
"Ich habe zufällig in der 'Freien Presse' gelesen, dass das ÖWF nach Analog-Astronauten sucht. Da ich die Herausforderung liebe und gerne dazulerne, habe ich mich im Jahr 2018 beworben", sagt Mehlis. Mit ihren Sprachkenntnissen (Deutsch, Englisch fließend) sowie Diplom-Abschlüssen (Biologie, Umwelttechnik) hatte sie dabei gute Chancen und wurde schließlich aus mehr als 100 Personen ausgewählt.
Doch damit war es längst nicht geschafft, zahlreiche Tests folgten - so unter anderem die Überprüfung von medizinischer Eignung und Sportlichkeit.
Auch ein Konzentrations-Check unter Stress war dabei: "Ich musste helle und dunkle Reiskörner mit Essstäbchen voneinander trennen. Dafür hatte ich 60 Minuten Zeit", erinnert sich die gebürtige Plauenerin, die letztlich erfolgreich die Prüfungen gemeistert hat und seit 2019 ehrenamtlich im Dienst des ÖWF steht.
Expedition in die israelische Negev-Wüste
Knapp zwei Jahre dauerte es, bis ihre erste Expedition startete. Es ging in die israelische Negev-Wüste. "Natürlich war ich aufgeregt und hatte Respekt, vor allem vor der Isolation mit fünf weiteren Personen und dem 50 Kilogramm schweren Raumanzug", sagt Mehlis.
Entsprechende Trainings hätten sie aber gut vorbereitet. "Für mich stand nach der Mission fest, dass ich das unbedingt wiederholen möchte."
Im März dieses Jahres bot sich eine solche Gelegenheit. Für die Armenien-Expedition stellte das ÖWF ein Team aus sechs Analog-Astronauten zusammen - auch Mehlis war dabei.
"Meine Kollegen kamen aus den Niederlanden, Spanien, Österreich, Italien und auch Deutschland. Wir absolvierten in Vorbereitung gemeinsam die Basistrainings." Per Flugzeug ging es dann in den Kaukasus.
Notfall-Situation: Sauerstoff-Filter am Anzug defekt
Dort war eigens für das Großprojekt ein langgezogenes Gebäude mitten im Nirgendwo errichtet worden. "Es kam darauf an, dass die Station autark ist. Die nächste Zivilisation war etwa 20 bis 25 Minuten entfernt", erklärt die Kommandantin. Auf sie und ihre Kollegen warteten insgesamt 15 Experimente aus den Kategorien Robotik, Geo-, Human- sowie Lebenswissenschaften.
"Besonderen Spaß hat mir eine simulierte Notfall-Situation gemacht, bei der ein Sauerstoff-Filter am Anzug defekt war. Als Team mussten wir eine Lösung für das Problem finden", so die Wissenschaftlerin.
Ein Kontrollzentrum in Wien überwachte die Vorgehensweise. "Das Funksignal war um etwa zehn Minuten verzögert, um eine Situation auf dem Mars nachstellen zu können."
Die Arbeitstage waren lang: Von 7.30 Uhr bis 21 oder gar 22 Uhr mussten die Mitglieder einsatzbereit sein. Sie lebten in Isolation, durften das Gebäude nur mit Schutzanzug verlassen.
"Jeder hatte nur ein kleines Zimmer mit Bett und Schrank", erzählt Mehlis über die strapaziöse Reise, die sie jedoch gern absolviert hat. Sogar den kompletten Jahresurlaub ihres eigentlichen Jobs als Infektionsschutz-Referentin ließ sie dafür sausen. "Ich kann mit meiner Arbeit einen Beitrag für die Weltraumforschung leisten", sagt die dreifache Mutter stolz.
Ob sie dann auch mal selbst Astronautin werden möchte? "Das ist aktuell nicht mein Ziel, aber man soll niemals nie sagen ..."
Titelfoto: OeWF/Arnaud Becker