Nach Tiermissbrauchs-Vorwurf: Wie werden Sachsens Polizeihunde ausgebildet?
Klipphausen - Ein Hund, ein Schnüffeln und dann heißt es: Straftat oder harmlos? In der Polizeihundeschule in Naustadt (bei Klipphausen/Nossen) werden Experten auf vier Pfoten ausgebildet.
Ihre Waffe ist ihre Nase, denn sie kommen Kriminellen zumeist durch Schnuppern auf die Spur. Jetzt erschüttert ein Vorfall am Rande des AfD-Parteitags in Riesa das Vertrauen in den Hundeeinsatz.
TAG24 wollte wissen: Wie werden Polizeidiensthunde eigentlich ausgebildet? Dafür waren wir einen Schnuppertag lang dabei, als sich die Vierbeiner mit Rauschgift, Sprengstoff, Blutspuren, flüchtenden Räubern und Demonstranten auseinandersetzen mussten.
Jacke, Hose, Hemd. Die belgische Schäferhündin Abby (4) schnüffelt sich durch eine Garderobe Kleidung. Hoch konzentriert, voller Eifer. Plötzlich wird die eben noch rastlos schnuppernde Hündin steif, friert förmlich wie in Schockstarre ein.
"Das ist das antrainierte Zeichen dafür, dass sie fündig geworden ist", erklärt Abbys Hundeführerin Polizeihauptmeisterin Claudia T. (39). "Sie erkennt winzige Anhaftungen von Blutspuren an Textilien, wenn Täter zum Beispiel ein Kleidungsstück im Müll entsorgt oder ein Tatmesser weggeworfen haben."
So können dank Abbys Nase am Tatort Beweisstücke gefunden und gesichert werden. "Auf Blut von Wild- oder Haustieren reagiert mein Hund übrigens nicht", sagt Ausbilderin Claudia.
Löchrige Wand stellt Schnüffelnase auf die Probe
Abbys vierbeinige Kollegin Ivy (4) ist Sprengstoffexpertin. In einer Trainingswand mit 30 Löchern im Keller der Schule stöbert ihre Nase genau das Loch auf, hinter dem probeweise Eurodyn 2000 versteckt liegt - ein handelsüblicher Sprengstoff aus dem Bergbau. Aber auch TNT und militärische Sprengstoffe erkennt sie förmlich am Geruch.
Abby und Ivy wurden als Welpen an der sächsischen Diensthundeschule eingeschult. Über insgesamt zwei Jahre verläuft eine Ausbildung zum Spürhund.
"Der kürzeste Lehrgang für Diensthundeführer dauert zwei, der längste 18 Wochen", weiß Polizeihauptkommissar Markus Otto (44), Leiter der Diensthundeschule.
Die Schulabgänger kommen in die Diensthundestaffeln der fünf sächsischen Polizeidirektionen. Dort sind insgesamt 100 Supernasen auf vier Pfoten im Einsatz, darunter auch zwei Trailer-Spezialhunde. Sie können die Spur von Vermissten auch noch 24 Stunden nach ihrem Verschwinden aufnehmen.
Polizeihauptkommissar Otto über Training: "Genau ein spezieller Stoff"
"Egal, ob Sprengstoff oder Rauschgift - unsere Spürhunde werden immer nur auf genau einen speziellen Stoff abgerichtet", sagt Otto.
So war Artus einst ein Hundeschulabgänger aus Sachsen, der bundesweit erstmals auf den Fund von Datenträgern trainiert werden konnte. Doch Artus ist 2023 verstorben.
Jetzt ist seine Nachfolgerin - die belgische Schäferhündin Dzanga (5) - in der Lage, versteckte USB-Sticks und Tablets oder eingeschmuggelte Handys im Knast aufzuspüren.
Wie genau seine vierbeinigen Schüler das machen, weiß Otto übrigens nicht: "Ob sie bestimmte Duftpartikel auf Leiterbahnen riechen - wir können da nur mutmaßen."
Übung für den Ernstfall: Gewaltbereite Gruppen bei Fußballspiel
Seine ausgebildeten Hunde haben nicht nur ein gutes Näschen für Rauschgifte, Sprengstoffe, Bargeld, Datenträger oder können Brandmittelspuren zur Ermittlung von Brandursachen und Blut riechen.
"Sie werden bei uns auch ausgebildet, um mit ihrem Hundeführer Platzverweise bei Fußballspielen oder Demonstrationen durchzusetzen", sagt Otto. Dafür werden sie trainiert, bei Knallbomben nicht schreckhaft und inmitten von Rauchschwaden ohne Sicht nicht zögerlich zu sein.
So heißt das nächste Szenario auch: gewaltbereite Gruppen bei einem Fußballspiel trennen und Übergriffe auf Polizeikräfte vermeiden. Ivy bekommt dafür einen Ledermaulkorb mit einer Metallschiene aufgesetzt.
Der Stoßkorb wirkt wie ein Rammbock auf die Oberkörper von Randalierern. Die tobenden Fans mimen Laiendarsteller der Polizei. Auch als plötzlich Pyrotechnik knallt und Brandgeruch durch die Luft wabert, bleiben die Hunde bei der Stange.
Spielzug statt Steak
Für ihre Schnüffeldienste werden Abby und ihre befellten Mitschüler übrigens nicht etwa mit einem besonders großen Steak belohnt. Ihnen reicht, wenn sie nach ihrer Schnüffelarbeit ausgelassen mit ihrem Spielzeug spielen dürfen.
"Das ist meist ein handelsübliches Bringsel oder bei manchen Kollegen auch ein Ball", sagt Otto.
So ist das Kommando "Such!" für den Spürhund eigentlich nur das Vorspiel auf ein Spielchen. Den eigentlichen Suchvorgang hakt das Tier im Spieltrieb quasi im Vorbeigehen ab.
Anstrengend ist es trotzdem.
Letzte Lektion: Schlichtung eines Familienstreits
In der Praxis braucht ein Hund nach 20 Minuten Schnüffeleinsatz eine Pause. Die hat sich Abby nach einer letzten Übung des Ausbildungstages auch redlich verdient.
Schlichtung eines Familienstreits und häusliche Gewalt, heißt die letzte Lektion. "Dabei kommt es darauf an, dass vor allem auch der Hund im Gerangel geschützt wird", erklärt Claudia.
Doch ganz ohne ein paar Stockschläge des Darstellers in Mission eines wütenden Familienvaters geht es heute nicht ab.
Otto: "Wir müssen sehr realitätsnah trainieren, damit Hund und Hundeführer im Ernstfall erfolgreich sind."
Im Fokus der Kritik
Ausgerechnet ein 35-jähriger Ausbilder der Polizei-Diensthundeschule steht derzeit im Fokus der Kritik.
"Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den sächsischen Polizeibeamten wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung im Amt sowie der Sachbeschädigung und des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz", sagt Sabine Wylegalla (44), Sprecherin der Staatsanwaltschaft Dresden.
"Ihm wird vorgeworfen, in dieser Funktion einen Demonstranten unter Einsatz seines Diensthundes über die Leitplanke von der Fahrbahn der Zufahrtsstraße zur Elbbrücke gedrängt zu haben. Hierbei soll er den Hund, der keinen Beißkorb trug, kräftig gegen die Leitplanke und gegen den Demonstranten gedrückt haben."
"Der Sachverhalt wird kritisch ausgewertet", sagt Peter Langer (60), Präsident der sächsischen Bereitschaftspolizei. Der Hundeführer muss mit einem Disziplinarverfahren bei der Bereitschaftspolizei rechnen.
Am vergangenen Samstag hatten mehr als 10.000 Demonstranten versucht, den AfD-Bundesparteitag zu verhindern. Mehr als 2000 Polizisten waren im Einsatz. Die Szene mit dem Diensthund wurde gefilmt und ging online viral.
Titelfoto: Montage: Norbert Neumann (2)