Mit Kadaver-Suchern an der Abwehrfront: Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest in Sachsen
Görlitz/ Dresden - Alle reden über Corona. Doch im Osten Sachsens kämpfen die Verantwortlichen gegen eine weitere, heimtückische Gefahr: Die Afrikanische Schweinepest (ASP). Jetzt steht die Seuche kurz davor, von der Lausitz in weiter westlich gelegene Gebiete überzuspringen. Die Maßnahmen gegen die Tierseuche gleicht dem berühmten Kampf gegen Windmühlen. Trotzdem geben die Akteure vor Ort alles, um die Ausbreitung wenigstens zu verlangsamen. TAG24 machte an einen "Frontbesuch" bei den Abwehrkämpfern.
Ein Waldstück in der Nähe von Niesky. Die Lausitz riecht nach Sommerwiese und Kiefernnadeln. Zwei Störche schnäbeln im dichten Gras nach Futter. Eigentlich eine Idylle - wäre da nicht die Deponie.
Gleich daneben machen sich Uschi, Babett und Toni einsatzbereit. Zu ihrer Ausrüstung gehören Sender, Keilerschutzwesten und - lange Leinen. Die drei sind Kadaver-Suchhunde.
Dicht an ihrer Seite Hundeführerin Michaela Botz (49), die für den ehrenamtlichen Einsatz mit ihren Kolleginnen Stefanie Loose (49) und Gabriele Ott (54) extra aus Bayern gekommen ist.
Das Ziel der Truppe: Schwarzwild-Kadaver aufstöbern. Werden sie fündig, nehmen die Hundeführerinnen die GPS-Daten der Fundstelle.
"Bergeteams im Vollschutz beproben die Tiere und bringen sie zu einer von fünf Sammelstellen", so Udo Mann, stellvertretender Amtstierarzt im Landkreis Görlitz. Endstation ist die zentrale sächsische Tierkörperbeseitigungsanstalt in Lenz bei Meißen. Dort werden die Überreste sterilisiert und verbrannt.
Mittel gegen Afrikanische Schweinepest gibt es nicht
Die Kadaver-Suche ist eine wichtige Aufgabe, seit im November 2020 ein tot aufgefundenes Wildschwein im nördlichen Landkreis Görlitz zum ersten Mal in Sachsen positiv auf die Afrikanische Schweinepest (ASP) getestet wurde.
Einmal mit dem Virus infiziert, sterben die Tiere sehr schnell, ein Gegenmittel gibt es nicht.
Im Landratsamt in Görlitz werden die Fallzahlen ständig auf den neuesten Stand gebracht. Danach sind 22,8 Prozent oder 339 der bisher gefundenen oder geschossenen Wildschweine mit ASP infiziert gewesen. Tendenz steigend.
"Die Kadaver-Suche ist wichtig, auch um den Druck von den Betrieben zu nehmen", sagt Landrat Bernd Lange (65).
Denn: Wenn das Virus in Schweinezuchtbetriebe hineingetragen wird, stehen ganze Existenzen auf dem Spiel.
Im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in Dresden hat man die Gefahr erkannt und die bestehenden Schutzzonen, die mit Zäunen gegen infizierte Wildschweine aus Polen gesichert werden, bis an die Grenze des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erweitert. 18 Millionen Euro lässt sich der Freistaat in diesem Jahr die Bekämpfung der Seuche kosten.
Vorsitzender des Jagdverbands Oberlausitz: Staatsregierung zögert zu lange
Für Hans-Dieter Dohrmann (70) in Rothenburg/Neiße handelt die Staatsregierung immer noch zu zögerlich.
Für den Vorsitzenden des Jagdverbands Oberlausitz reichen Zäune und die Kadaver-Suche mit Menschenketten, Suchhunden und Drohnen nicht.
"Das muss unbedingt verbessert werden", sagt Dohrmann. Für ihn bleibt die Reduzierung des Wildschweinbestands, also der Abschuss durch die Jägerschaft, das wichtigste Mittel.
Inzwischen sind Uschi, Babett und Toni fast sieben Stunden im Einsatz, dann ist Schluss. Ergebnis diesmal: Null.
"Aber wir sind ja nicht zum ersten Mal hier", so Michaela Botz, "wir haben bisher insgesamt 60 bis 70 Kadaver gefunden."
Alle Funde wurden auf ASP getestet. Alle waren positiv.
Schweinezüchter bibbert vor der Pest
Bisher ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) im Landkreis Görlitz nur nördlich der A 4 nachweisbar.
Erreicht die Seuche den Schweinezuchtbetrieb von Sebastian Wieland (33) in Großhennersdorf, könnte er vermutlich einpacken.
Nein! Diese Antwort ist unmissverständlich. "Ich kann und ich werde Sie nicht in meine Schweinezuchtanlage lassen. Nicht einmal für Fotos", sagt Sebastian Wieland. Der Geschäftsführer der Berthelsdorfer Agrar AG mit insgesamt 60 Mitarbeitern hat sich neben der Milch- und Pflanzenproduktion auf die Zucht von Ferkeln spezialisiert. 330 Sauen und 2500 Ferkel stehen in den schmucken Ställen, die man schon von Weitem riecht.
"Sie könnten, ohne es zu merken, in infiziertes Material getreten sein. Das gefährdet unseren ganzen Bestand", begründet Wieland sein kategorisches Nein.
Um seine Schweine vor ASP zu schützen, hat er einen massiven Metallzaun gegen Wildschweine um die ganze Anlage gezogen, Seuchenwannen und Desinfektionskübel aufgestellt. Jeglicher Besucherverkehr ist verboten.
Ist das nicht übertrieben? "ASP ist für uns ein extremes Existenzrisiko, weil wir heute nicht wissen, ob unsere Ferkel in vier Wochen noch abgenommen werden", so Wieland. Was, wenn nicht? "Dann können wir nur zumachen."
Titelfoto: Thomas Türpe