Zu viele Ungereimtheiten: Familie glaubt nicht an Suizid von Christian (†20)
Leisnig - Vor mehr als einem halben Jahr wurde der Leisniger Student Christian Morgenstern (†20) tot aus der Mulde geborgen. Für die Polizei stand schnell fest: Es war Suizid. Christians Familie ist sich jedoch sicher: "Unser Sohn hat keinen Selbstmord begangen!" Jetzt gibt es neue Indizien, die für ein Verbrechen oder sogar Mord sprechen.
Familie Morgenstern ist gerade frisch aus den Ostsee-Ferien auf Rügen zurück. Es war genau der Urlaub, den Vater Dirk Morgenstern (48) mit seinem Sohn am Silvestertag plante: "Ich fragte ihn per WhatsApp, ob er in den Sommerurlaub mitfahren will. Christian sagte zu."
Diese Silvester-Nachricht war der letzte Kontakt zu seinem Sohn. Denn Christian lebt nicht mehr.
Der 20-Jährige war in der Neujahrsnacht plötzlich spurlos verschwunden (TAG24 berichtete). Nur sein Personal- und Studentenausweis, die IKK-Gesundheitskarte, Führerschein, Fahrzeugschein und Autoschlüssel wurden gefunden - fein säuberlich auf der Leisniger Fußgängerbrücke über die Mulde abgelegt und von seiner Engelbert-Strauss-Jacke abgedeckt.
Erst am 6. Februar wird Christians Leichnam in der Mulde gefunden (TAG24 berichtete) - allerdings 15 Kilometer flussabwärts von der Brücke entfernt.
Die Polizei ging von einem Suizid aus. Doch für seine Eltern und die beiden Geschwister Elias (13) und Sarah (22) ist klar: "Christian ist Opfer eines Gewaltverbrechens geworden." Erschreckende Indizien nähren den Verdacht, dass es sich sogar um Mord im Drogenmilieu handeln könnte:
• Ominöse Nachrichten: Die Morgensterns haben über eine Ersatz-SIM-Karte ein Backup von Christians Handys einspielen können - von Dezember 2018. "Darin ist die Rede von 'Ott und Herb', 'super silver haze' und 'niederländischem Brötchen'", erzählt sein Vater. Alles Bezeichnungen für Drogen wie Marihuana.
Auch von Abnehmern und Fahrten ist die Rede. Ein Schock für die Eltern. War Christian im Drogenmilieu aktiv? "Ich habe ihn immer vor Drogen gewarnt und er hat mir gesagt, dass er keine nimmt", beteuert seine Schwester Sarah (22). Bevor er seinen Führerschein in der Tasche hatte, soll Christian jedoch gelegentlich gekifft haben.
• Auffindesituation des Körpers: Hinter der Brücke befindet sich ein Wehr. "Das müsste Christian eigentlich abgefangen haben, wenn er wirklich von der Brücke gesprungen sein soll", sagt sein Vater.
Doch der Leichnam wurde 15 Kilometer entfernt in der Mulde gefunden. "Vielleicht wurde er erst Tage später in den Fluss geworfen. Ein Anwohner hat im Januar einen dunklen Pkw am Auffindeort beobachtet."
• Handy-Manupilationen: Bereits am Neujahrsmorgen kurz nach 10 Uhr wurde versucht, Christians Apple-Account zu kapern - jedoch erfolglos. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Morgensterns noch nichts vom Verschwinden ihres Sohnes. Wer hatte ein Interesse daran, Christians Account zu knacken?
• Heimliche Internet-Einwahl: Aus Apple-Einwahlprotokollen geht hervor, dass sich Christians Handy (iPhone 7) am 2. und 7. Januar in das heimische WLAN der Familie einzuloggen versuchte. "Da muss offensichtlich jemand mit Christians Handy vor unserem Haus gestanden haben", glaubt der Vater.
• Fundstücke: "Die fein säuberlich auf der Brücke abgelegten Sachen unseres Sohnes wirkten fingiert", sagt Mutter Susann (48). "Die Jacke war zudem kaum nass, obwohl es am Neujahrsmorgen geregnet hatte."
• Obduktionsergebnisse: Der Leichnam war unversehrt, wurde sogar im Computertomograf auf kleinste Verletzungen gescannt - ohne Befund. "Doch wie soll ein Mensch, der von einer 7,30 Meter hohen Brücke in 2,80 Meter tiefes Wasser springt und 15 Kilometer felsigen Flusslauf überwindet, völlig unversehrt bleiben", fragt sich der Vater.
• Zeugenaussagen: Nach dem Suchaufruf bei "Kripo live" im MDR-Fernsehen meldeten sich 15 Zuschauer. Zeugen gaben an, sie hätten aufgeschnappt, dass Christian irgendwo festgehalten werde.
• Ausbildungskonto geplündert. "Von den 10.522 Euro waren nur noch 1,30 Euro übrig", sagt Dirk Morgenstern. Was passierte mit dem Geld?
• Parallele mysteriöse Todesfälle: "Christians bester Freund - ebenfalls Student - wurde in Leipzig vier Monate zuvor von einem Fahrzeug mit gestohlenem Kennzeichen angefahren und tödlich verletzt.
Der Fahrzeuglenker beging Fahrerflucht", erzählt der Vater. Auffällig auch: "In anderen Flüssen wurden seit Januar immer wieder junge Männer mit Drogenvergangenheit tot gefunden."
WIE GEHT ES WEITER?
Wie starb Christian Morgenstern wirklich? War es ein Unfall, eine Eifersuchtstat, Mord? Rache eines Drogenrings? Wollte Christian aussteigen, wusste aber zu viel? Die Familie will nichts ausschließen, möchte nur wissen, warum und wie ihr Sohn sterben musste.
Weil die Polizei von einem Suizid ausging, wurden anfangs auf der Brücke keine Spuren gesichert, nicht nach Blut gesucht. "Wir haben weiterhin keine Anhaltspunkte, dass es sich um eine Straftat handelt", sagt Jana Brockmeier (51) von der Chemnitzer Staatsanwaltschaft. Polizeisprecherin Jana Ulbricht (42) räumt jedoch ein: "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. "
Derzeit werde im Cybercrime-Kompetenzzentrum versucht, das Handy des Verstorbenen zu entschlüsseln und den Nachrichtenverkehr in der Neujahrsnacht zu rekonstruieren. Wurde Christian zu einem Treffpunkt bestellt, vielleicht entführt?
Am Neujahrsmorgen gegen 4.05 Uhr schießt eine Kamera des REWE-Marktes in der Nähe des elterlichen Wohnhauses offenbar das letzte Foto, das Christian lebend zeigt: ein großer Mann (Christian maß 1,87 Meter) mit einem leuchtenden Handydisplay. Sein Vater: "Wir gehen davon aus, dass dieses Foto Christian zeigt."
Bis heute fehlen Christians EC-Karte und sein Portmonee mit bis zu 200 Euro Bargeld. Auch seine Vigor Rigger Armbanduhr (Wert: zwischen 30 und 50 Euro, F.) mit einem grünen Armband ist seit der Silvesternacht verschwunden. Wurde Sie jemandem angeboten? Hinweise an die Döbelner Polizei: Telefon 03431/65 90.