Taktisches Wählen rettet Grüne und Linke in Sachsen - aber: "Unguter Wettbewerbs-Eingriff"
Leipzig - Dank der gewonnenen Wahlkreise in Leipzig und Dresden konnten sich die Linke und die Grünen jeweils zwei Sitze im sächsischen Landtag sichern. Hinter diesem kleinen "Erfolg" steckt vor allem der "Taktisch wählen"-Aufruf des Vereins Campact. "MDR Exakt" hat sich das Projekt genauer angeschaut.
Vor der Landtagswahl hatte Campact im Rahmen einer groß angelegten Social-Media-Kampagne zur Stimmabgabe für die Leipziger Juliane Nagel (45, Linke), Nam Duy Nguyen (28, Linke), Claudia Maicher (46, Grüne) sowie für den Dresdner Thomas Löser (52, Grüne) aufgerufen.
Das Ziel: Die Abgeordneten sollten trotz der schlechten Ergebnisse ihrer Parteien per Grundmandatsklausel in den Landtag einziehen und damit die Sperrminorität der AfD verhindern. Und genauso ist es am Wahlsonntag tatsächlich gekommen.
Wie Campact-Mitbegründer Felix Kolb erklärt, habe man sich kurz nach der Europawahl für die Kampagne entschieden: Es seien unzählige Nachrichten von hilflosen Wählerinnen und Wählern aus den beiden sächsischen Metropolen bei ihm eingetrudelt. Die zentrale Frage: Wie kann man die AfD ausbremsen, ohne der CDU seine Stimme geben zu müssen? Campact bot diesen Menschen also eine progressive Alternative.
Laut dem Politikwissenschaftler Oliver Lembcke handelt es sich bei der Kampagne um "klassischen Lobbyismus" - aber mit dem zivilgesellschaftlichen Gedanken "zur Stärkung der Demokratie".
Nach eigenen Angaben finanziert sich die Organisation durch Spenden, wodurch sie inzwischen über ein Budget von rund 15 Millionen Euro verfügen soll. Jeweils 25.000 Euro davon sollte den vier oben genannten Politikern für ihren Wahlkampf zur Verfügung gestellt werden - doch nicht jeder hat das Geld angenommen. Und auch die Meinungen zur "Strategisch wählen"-Kampagne gehen teils weit auseinander.
Campact-Kampagne bei Social Media: Hier scheiden sich die Geister
Denn während Newcomer Nam Duy Nguyen - die erste nicht-weiße Person im sächsischen Landtag - die 25.000 Euro dringend für Ressourcen, Räumlichkeiten und Wahlkampf-Materialien benötigte und deshalb dankend annahm, lehnte seine Kollegin Juliane Nagel das Geld ab.
"Wir waren nicht zufrieden mit der Campact-Kampagne", gibt sie im MDR-Beitrag offen zu. Ihrer Meinung nach hätte ohne die Kampagne und die damit einhergehende Beeinflussung der Wählerschaft vielleicht sogar ein drittes Leipziger Direktmandat für die Linke drin sein können.
Das hatte sich aber Claudia Maicher geschnappt - die die 25.000 Euro ebenfalls abgelehnt hatte. Sie könne zwar verstehen, dass sich viele Menschen nach einer konkreten Methode im Kampf gegen die AfD gesehnt hatten und deshalb - auch entgegen der eigenen Überzeugung - der Campact-Wahlempfehlung gefolgt waren, sieht das Vorhaben aber dennoch kritisch.
So sehe sie die Kampagne sogar als "unguten Wettbewerbs-Eingriff", welcher ihrer Ansicht nach zur Verunsicherung einiger Wählender beigetragen haben soll.
Felix Kolb hält dagegen: "Es ist nicht klar, ob wir ohne diese Kampagne dieses Ergebnis gesehen hätten. Ich denke, dass es nötig ist, dass Abgeordnete auch über ihren eigenen individuellen Schatten springen und nicht nur ihre eigene berufliche Karriere im Blick haben, sondern das große Ganze: das Wohl von Sachsen."
Wer die komplette "MDR Exakt"-Episode vom gestrigen Mittwochabend sehen will, kann das in der MDR-Mediathek tun. Dort findet Ihr auch weitere Beiträge zur Landtagswahl.
Titelfoto: Michael Reichel/dpa