Regierungsbildung nach der Landtagswahl: Diese bitteren Kröten müssen Sachsens Parteien schlucken

Dresden - Die Bildung einer neuen Regierung ist nach der Landtagswahl in Sachsen keine simple Sache.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) will einen "sächsischen Weg" einschlagen, um eine stabile Regierung für Sachsen zu formieren.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) will einen "sächsischen Weg" einschlagen, um eine stabile Regierung für Sachsen zu formieren.  © dpa/Michael Kappeler

Nachdem die CDU als Wahlsieger mit Michael Kretschmer (49) an der Spitze sowohl die Bildung einer Minderheitsregierung als auch die Zusammenarbeit mit AfD und Linken ausgeschlossen hat, läuft alles auf eine Koalition von CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hinaus.

"Brombeer-Koalition" (wegen der Farben Schwarz, Lila und Rot) nennt der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte (65) dieses politische Bündnis, das es jetzt zu schmieden gilt.

Damit Sachsen nun eine stabile Regierung bekommt, müssen der amtierende Ministerpräsident und sein Team sowie alle anderen Parteien "bittere Kröten" schlucken.

Diese drei Parteien müssen in Sachsen zueinander finden

Sabine Zimmermann (63) führt als Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende das BSW in Sachsen.
Sabine Zimmermann (63) führt als Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende das BSW in Sachsen.  © Kristin Schmidt

CDU

  • Das Festhalten an der Schuldenbremse gehört zur DNA der Christdemokraten. BSW und SPD sind dagegen für Kreditaufnahmen, um Investitionen zum Beispiel im Gesundheitswesen, in Bildung und Infrastruktur möglich zu machen.
  • Seit Jahrzehnten fährt die Sachsen-CDU einen harten Kurs gegen die Partei Die Linke. Nun kommen im BSW etliche Leute aus der Linkspartei. Das nährt die Sorge der CDU-Basis, dass eine Brombeer-Koalition das Fundament der Volkspartei beschädigt.
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  • In der CDU hält man nicht viel vom Modell Gemeinschaftsschule. BSW und SPD wollen aber ein längeres gemeinsames Lernen ab der Grundschule. Das BSW bekundete zudem auch Interesse am Kultusministerium - das wird vom Kretschmer-Vertrauten Christian Piwarz (49) geführt.
  • BSW-Gründerin und -Namensgeberin Sahra Wagenknecht hat rote Linien (Stichwort Ukraine-Unterstüzung) und Forderungen ("Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen") formuliert.
  • Der Tanker CDU schippert bei Verhandlungen in teils unbekannte Gewässer, denn das Wahlprogramm der Wagenknecht-Partei enthält große Lücken bei landespolitischen Themen. Das erschwert Vereinbarungen. Gemeinsame Positionen müssen erstmal ausgelotet werden.
Petra Köpping (66, SPD) ist seit Dezember 2019 Ministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Petra Köpping (66, SPD) ist seit Dezember 2019 Ministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.  © dpa/Jan Woitas

BSW

  • Die deutsche Außenpolitik im Ukraine-Krieg war ein zentrales Element im Wahlprogramm der Partei. Nun wird Außenpolitik aber in Berlin und nicht in Dresden gemacht. Der Einfluss der Landesregierung ist also äußerst begrenzt. Hinzu kommt, dass die CDU im Bund Waffenlieferungen unterstützt und die diplomatische Lösung des Konflikts skeptisch betrachtet. Der MP vertritt da eigene abweichende Positionen und setzt sich für Gespräche mit Putin ein. Aber kann der jungen Partei das genügen?

SPD

  • Spitzenkandidatin und Gesundheitsministerin Petra Köpping (66) (und auch das BSW) haben im Wahlkampf Kürzungen im Sozialbereich rundweg abgelehnt. Angesichts knapper Kassen wird es wohl schwer werden, diese Forderung so durchzuziehen.
  • Der MP hat für die CDU Anspruch auf das Wirtschaftsministerium angemeldet, das seit 2014 vom Sozialdemokraten Martin Dulig (50) geführt wird.
  • Köpping selbst kann als Gesundheitsministerin auch nicht sicher sein, dass sie ihr Ministerium behält. BSW-Chefin Sabine Zimmermann hat Interesse an dem Ressort. Da ihre Partei das bessere Wahlergebnis eingefahren hat, besitzt sie bei einem möglichen Posten-Poker bessere Karten.

Gibt es überhaupt Schnittmengen? Ja, alle drei Parteien wollen eine Aufarbeitung der Corona-Politik. CDU und BSW wollen illegale Migration stoppen, die Ländergrenzen besser schützen. Alle wollen der Entwicklung des ländlichen Raumes mehr Aufmerksamkeit widmen.

... und für sie bleibt wohl nur die Opposition

Mit AfD-Mann Jörg Urban (60) will keine der anderen Parteien reden.
Mit AfD-Mann Jörg Urban (60) will keine der anderen Parteien reden.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

AfD

Die Partei findet sich nach der Wahl erneut am Spielfeldrand wieder. Keiner mag mit dem Landesverband der AfD, den der sächsische Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat, im Parlament zusammenarbeiten. Parteichef Jörg Urban (60) muss hinnehmen, dass seine Gesprächsangebote weiter ignoriert werden - obwohl seine Partei die zweitstärkste Fraktion im Parlament stellt.

Grüne

Nach ihrem miesen Abschneiden bei der Wahl muss die Partei verdauen, dass sie zwei Ministerien (Umwelt und Justiz) sowie das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten verliert, sollte die Brombeer-Koalition kommen. Außerdem schrumpft ihre Fraktion stark.

Linke

Die Genossen schmerzt das erfolgreiche BSW-Abschneiden sehr. Schließlich haben sie viele Wählerstimmen an Ex-Parteifreunde verloren. Nach dem Beinahe-K.O. in Sachsen und den Turbulenzen in der Berliner Parteizentrale muss die Linke sich neu erfinden.

Und was, wenn man sich nicht einigen kann?

Leere Abgeordneten-Stühle im Plenarsaal des sächsischen Landtages.
Leere Abgeordneten-Stühle im Plenarsaal des sächsischen Landtages.  © dpa/Sebastian Kahnert

Laut sächsischer Verfassung muss das neu gewählte Parlament spätestens 30 Tage nach der Landtagswahl zur ersten Sitzung zusammenkommen – also spätestens am 1. Oktober 2024.

Bis dahin ist der alte Landtag im Amt. Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt.

Wählt der Landtag den Regierungs-Chef nicht innerhalb von vier Monaten nach der Konstituierung, muss er aufgelöst werden.

Michael Kretschmer bleibt demnach bis Anfang Februar Zeit für die Bildung einer Regierung.


Titelfoto: Bildmontage: dpa/Michael Kappeler, Kristin Schmidt, dpa/Jan Woitas

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