Königsbrücker Heide: Jetzt erobert die Natur das alte Militärgebiet
Königsbrück - Sommerzeit ist Reisezeit. Fernweh macht sich breit. Doch in Zeiten deftiger Teuerungen und unsicherer Fernverbindungen lohnt ein Blick in die Heimat. Wohl dem, der in Sachsen lebt. Ist doch der Freistaat unendlich reich an Sehenswürdigkeiten. Es muss nicht das prachtvolle Schloss oder die alte Burganlage sein. Die TAG24-Sommerserie hat ein paar ungewöhnliche Attraktionen aufgespürt. Heute: die Königsbrücker Heide.
Fast 90 Jahre lang hatten hier Soldaten das Sagen. Jahrzehnte, in denen aus einem Wald mit der Fläche von Görlitz eine munitionsverseuchte Wüste wurde. Selbst Raketen waren in der Königsbrücker Heide stationiert. Nun ist die Natur zurück.
"Herzlich willkommen in der Wildnis!" Die Begrüßung am Sitz der Forstverwaltung im Stadtgebiet von Königsbrück verspricht nicht zu viel. Die kommenden vier Stunden wird es quer durch ein Reservat gehen, wie es Deutschland an keiner anderen Stelle kennt.
Vor der Tür ein eigentümlicher Bus, der extra für diese Zwecke in Spanien gebaut wurde, wie Fahrer Gerd Boinski (65) erläutert. Sonderanfertigung aus gutem Grund: Das hochbeinige Allradgefährt muss sich über schmale, hügelige Sandwege zwängen.
Wandern ist verboten!
Die Heide, die sich bis an die Brandenburger Landesgrenze zieht, darf nur geführt betreten werden.
"Verlassen Sie beim Aussteigen bitte unter keinen Umständen die markierten Wege", warnt Ranger Andreas Kirste (61) zur Einführung.
Obwohl seit 1992 Munition beräumt wird und das Gebiet seit 1996 Naturschutzgebiet ist, lauern überall im Boden Gefahren.
Eine komplette Säuberung sei illusorisch, so Kirste. Wurde doch hier zwischen 1907 und 1991 verballert, was es an tödlichen Geschossen gab.
Truppenübungsplatz zunächst für des Kaisers Armee, dann Reichswehr, dann Wehrmacht!
Dafür waren jahrhundertealte Dörfer und sogar ein Städtchen verschwunden.
Zwölf Kilometer von Süd nach Nord, zehn von West nach Ost. Ein gigantischer Truppenübungsplatz zunächst für des Kaisers Armee, dann Reichswehr, dann Wehrmacht.
Ab 1945 übten hier die sowjetischen Streitkräfte. Artillerie, Panzer, Kampfhubschrauber – sie alle sorgten dafür, dass es auf 7000 Hektar kaum noch Natur gab.
Auf 80 Prozent der Fläche stand buchstäblich nichts mehr.
"Jetzt ist es ein Übungsplatz für die Natur"
"Jetzt ist es ein Übungsplatz für die Natur", so Kirste. "Es gibt 1600 Pflanzen- und Tierarten, 300 davon stehen auf der Roten Liste. Wir haben es hier mit einem der größten Freilandexperimente Mitteleuropas zu tun."
Tatsächlich heißt seit 30 Jahren die Devise: wachsen lassen. Nur zum Schutz von Heideflächen wird da und dort in den jungen Baumbestand eingegriffen.
Vielfach haben Biber die Landschaft gestaltet. Die putzigen Nager vermehrten sich allerdings so rasant, dass es irgendwann zu eng wurde für die nächste Generation. Bis 2011 der Wolf kam. Er regulierte die Biberpopulation auf ein gesundes Maß.
"Wir gehen von zwei Wolfsrudeln aus, die es aktuell gibt." Diese Familien sorgen auch für eine Regulation von Dam- und Rotwild, was wiederum zarten Baumtrieben zugutekommt.
Und noch eine gute Nachricht gibt es. "Wir sind Luchs-Erwartungsland", sagt Kirste. Eines der Tiere habe vor gar nicht allzu langer Zeit schon mal vorbeigeschaut. "Wir erwarten ihn. Er ist herzlich willkommen!"
Geführte Touren durch die Heide
Die geführten Bustouren finden zwischen April und Oktober zweimal täglich von Donnerstag bis Sonntag statt (9 und 13 Uhr). Eine Anmeldung ist erforderlich.
Nur die Randzone der Königsbrücker Heide darf auf eigene Faust erkundet werden. Es gibt einen Radrundweg und markierte Wanderwege.
Den besten Überblick über die Heide bietet der 34 Meter hohe Haselbergturm!
Das Naturschutzgebiet befindet sich zwischen Hoyerswerda und Radeburg. Erreichbar ist es von der A13 aus, Abfahrten Thiendorf oder Ortrand. Oder von der A4 über Ottendorf-Okrilla. An der B97 befindet sich ein Parkplatz (Altes Dorf).
Von Dresden aus fährt auch die S-Bahn nach Königsbrück. Vom Bahnhof sind es rund 15 Minuten Fußweg zum Sitz der Forstverwaltung in der Weißbacher Straße 30.
Titelfoto: Bildmontage: Thomas Türpe (2)