Klimawandel, Dürre, Extremwetter: So will Sachsen dem Hitze-Kollaps trotzen
Sachsen - Hitze ist eine tödliche Gefahr - im wahrsten Sinne des Wortes für Mensch und Tier. Aber auch im übertragenen Sinne - etwa für die Land- und Forstwirtschaft. Nun wächst im Zuge der Klimaveränderungen auch hierzulande die Wahrscheinlichkeit von extremen Hitzewellen. Wie will Sachsen dem drohenden Hitzekollaps entgehen? Hier Beispiele, wo Politik und Wirtschaft bereits heute Weichen stellen.
Existenzen in der Landwirtschaft bedroht
Die Rekordhitze und anhaltende Trockenheit bereiten der Landwirtschaft mehr als Sorgen. Sie bedrohen Existenzen. Bereits in den 1990er Jahren begann man hierzulande Versuche mit sogenannten trockentoleranten Feldkulturen.
Mit tiefwurzelnden Luzernen fing man damals an. Heute laufen Versuche mit Kulturen aus südlichen Regionen wie Quinoa, Amaranth und Kichererbse sowie alten Kulturen (Linsen, Hirse, Buchweizen).
Parallel dazu wird erforscht, ob etwa Wintererbsen oder Winterackerbohnen (anstelle der entsprechenden Sommerformen) die Zukunft gehören könnte. "Diese können die Winterfeuchtigkeit nutzen und leiden daher weniger unter dem Niederschlagsdefizit im Vorsommer", sagt Ulf Jäckel.
Er leitet das Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau im LfULG.
Kulturen (Mais, Hafer, Raps), deren Saat in Trockenzeiten fallen, haben in Sachsen einen zunehmend schweren Stand. Hier experimentiert man mit späten Aussaaten. "Bei den Kartoffeln spielt neben der Wasserversorgung auch die Bodenerhitzung eine Rolle. Sind die Kartoffeldämme lange intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt, stellen sie das Wachstum ein", so Jäckel.
Auch schonende Anbauverfahren werden untersucht (pfluglose Bodenbearbeitung, Mulchen). Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (50, Grüne) informierte sich bei seiner jüngsten Israel-Reise über Bewässerungssysteme.
"Israel ist Vorreiter bei der effizienten Nutzung von Wasser. Hier können wir in Sachsen viel lernen, vor allem für unsere immer trockneren Regionen Lausitz und Nordsachsen."
Freistaat erarbeitet Wasserstrategie
Wasser ist lebenswichtig. Und die Bereitstellung für Trink- und Brauchwasser für Mensch, Natur und Wirtschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dabei gibt es gleich mehrere Herausforderungen: Das Vorhalten von Wasser in Hitze- und Dürrezeiten sowie das Risikomanagement bei den ebenfalls zunehmenden Starkregen-Ereignissen gehören dazu.
Die Bundesregierung verabschiedete im März eine Nationalen Wasserstrategie. Umweltminister Wolfram Günther (50, Grüne) kündigte vor wenigen Wochen im Landtag an, mit einer Sächsischen Wasserstrategie nachzuziehen. Ein Kernthema seines Papiers soll die Anpassung der Talsperren-Infrastruktur sein.
Die Rückhaltebecken versorgen 40 Prozent der Bevölkerung des Freistaats mit Trinkwasser, im Südraum Sachsen sind es sogar 70 Prozent.
Das Talsperren-Verbundsystem müsse ausgebaut werden, um die Systemresilienz zu stärken, so Günther. Zehn Aufgabenfelder hat er definiert. Hochwasserschutz, die Schaffung eines Starkregen-Risikomanagements, die ausreichende Versorgung von Bächen und Flüssen mit Wasser, die Renaturierung der Tagebau-Folgelandschaften (Lausitzer Seenland, Leipziger Raum), sowie die Schaffung von Löschwasser-Reservoirs in Schutzgebieten zählen dazu.
Blick ins Tagesgeschäft: Gegenwärtig sind Sachsens Talsperren nach Aussage der Landestalsperrenverwaltung gut gefüllt (teilweise über 95 Prozent).
Stadtumbau: Bausünden sollen schnell verschwinden
Je höher die Temperaturen klettern, desto unbehaglicher kann es in Städten werden angesichts versiegelter Flächen, Straßenschluchten und Betonwüsten. Mit Baggern und Bulldozern versucht man nun, Bausünden zu heilen und Mutter Erde atmen zu lassen.
Sachsen weist eine der höchsten Dichte an Städten deutschlandweit auf. Im Freistaat sind daher vor allem Lösungen zur Klimaanpassung im Bestand gefragt, erklärt Thomas Schmidt (62, CDU) als Minister für Regionalentwicklung.
Sein Ministerium fördert nachhaltige integrierte sowie wassersensible Stadtentwicklung, die Schaffung von Grünflächen, Parks oder die Begrünung von Dächern und Fassaden.
Dazu werden Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie dem Landeshaushalt genutzt (Programm "Nachhaltige integrierte Stadtentwicklung EFRE 2021-2027").
Sachsens Großstädte versuchen sich Klima-Fit zu machen. Dresden setzt dabei u.a. auf Grünzüge, Trinkbrunnen. Chemnitz investiert in Ruhe-Oasen, Alleebäume. Impulse für ganz Deutschland sollen vom Modellprojekt "BlauGrün" in Leipzig ausgehen.
Auf dem Gelände des ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhofs soll dort eine sogenannte "Schwammstadt" entstehen, die vorbildlich Wasser- und Vegetationsmanagement betreibt und sich so vor Überhitzung, Trockenheit und Extremwetter-Ereignissen selbst schützen kann.
Gesundheitsrisiko Hitze
Hitze stellt für Säuglinge, Kinder, Schwangere, Ältere, Obdachlose und Menschen mit Vorerkrankungen ein Gesundheitsrisiko dar. Das Netzwerk Health for Future schätzt, dass es allein in Deutschland zwischen 2018 und 2020 über 19.000 Hitzetote gab. In der EU erwartet man bereits 2030 etwa 30.000 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle pro Jahr.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (60, SPD) will diesen Sommer noch einen nationalen Hitzeplan vorlegen. Ein Sachsen-Pendant dazu wird es nicht geben. Sachsens Sozialministerium (SMS) setzt auf die lokale Kompetenz. Es sieht die Zuständigkeit für die Erstellung dieser Pläne federführend bei den Kommunen.
Eine zentrale Koordinierungsstelle für Hitzeaktionspläne auf Landesebene ist nicht vorgesehen, heißt es dazu aus dem Ministerium von Petra Köpping (65, SPD).
Hitzeaktionspläne haben einzelne Kommunen (zum Beispiel Dresden) geplant bzw. in Arbeit. Die Aktionspläne betreffen vor Ort mehrere Stellen. Im Gesundheitswesen sind das die zuständigen Ämter, Heime, Krankenhäuser. Gleiches gilt für Kitas und Schulen.
Die Landesärztekammern fordern vom Bund mehr als ein detailliertes Hitzeschutz-Konzept (u.a. mit Warnstufen), sondern auch Mittel für konkrete Maßnahmen in Kommunen.
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