Jeder sechste Sachse trinkt zu viel: Rund 80.000 bräuchten sogar ernsthaft Hilfe

Dresden - Die Statistiken zeigen: Wir Deutschen übertreiben es gern beim Trinken. Mehr als 14.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen des krankhaften Konsums, der wirtschaftliche Schaden beziffert sich auf Milliardenbeträge. Der Übergang in die Sucht ist fließend und kommt schleichend. Könnten Verkaufsverbot oder Preiserhöhungen die Lösung sein? Und was halten deutsche Brauer eigentlich von der Idee, Bier nur an Volljährige zu verkaufen?

Wer nicht aufpasst, ertrinkt im Alkoholfluss.
Wer nicht aufpasst, ertrinkt im Alkoholfluss.  © imago/Ikon Images

Die aktuelle Schadensbilanz der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren (SLS) zeigt: Jeder sechste Sachse trinkt zu viel Alkohol. In Deutschland sterben jährlich 14.000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs - davon 1124 im Freistaat.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Sterblichkeit hier besonders hoch. Sachsen zählt somit hinter Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zu den traurigen Spitzenreitern.

"Ein Problem der ehemaligen DDR - das sind die Toten, die vor etwa 40 Jahren das Trinken anfingen", sagt Olaf Rilke (57), Leiter der Landesstelle. Gut 10,2 Liter picheln wir pro Jahr reinen Alkohol pro Kopf. Das ist zwar etwas weniger als noch 2019 (12 Liter), dennoch zählt Deutschland in puncto Bechern zu den Hochkonsumländern.

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Sachsen Ausgezeichneter Bahnhof: Hier kann man sogar sein Auto zulassen

Etwa 80.000 Sachsen haben ein so ernsthaftes Alkohol-Problem, dass sie umfassende Hilfe benötigen. Weitere 70.000 Sachsen betreiben einen Alkoholmissbrauch mit entsprechend schädlichen Auswirkungen.

Hier und da mal ein Gläschen - was soll schon dabei sein? Die Sucht kommt schneller, als man denkt.
Hier und da mal ein Gläschen - was soll schon dabei sein? Die Sucht kommt schneller, als man denkt.  © 123rf/nomadsoul1

Sachsen haben auch andere Süchte

In Sachsen sterben überdurchschnittlich viele Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums.
In Sachsen sterben überdurchschnittlich viele Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums.  © 123RF/helloitsme

Olaf Rilke plädiert nicht nur für die Abgabe von Alkohol erst ab 18, sondern auch für Verkaufsverbote. "Die ständige Verfügbarkeit, wie etwa an Tankstellen, muss reduziert werden."

Unser Trinkverhalten ist außerdem eine teure Angelegenheit für die Wirtschaft. Rund drei Milliarden Euro ökonomische Kosten werden jährlich in Sachsen verursacht. Darin sind u.a. Behandlungs- und Rehabilitationskosten für alkoholbedingte Krankheiten und Unfälle, Medikamente, sowie Kosten zur Reintegration der Patienten ins Arbeitsleben.

Besonders bitter ist die hohe Zahl der geschädigten Kinder im Mutterleib. Jede Stunde wird in Deutschland ein alkoholgeschädigtes Kind geboren. Jährlich sind das in Sachsen 500 Babys.

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Sachsen Nach Sperrung: Bekommt Bad Schandau jetzt eine Pontonbrücke?

Übrigens: Sachsen schauen nicht nur gerne zu oft tief ins Glas. 23.000 Menschen im Freistaat sind abhängig von illegalen Drogen wie Crystal, Opiaten oder Kokain. Ganze 90.000 Menschen sind süchtig nach Medikamenten wie Schmerz- oder Beruhigungsmitteln.

Schmeckt's vielleicht schon ein bisschen zu gut?

Wenn der Griff zur Flasche zum Alltag gehört: In Sachsen sind Zehntausende Menschen ernsthaft alkoholkrank.
Wenn der Griff zur Flasche zum Alltag gehört: In Sachsen sind Zehntausende Menschen ernsthaft alkoholkrank.  © 123RF/artemfurman
Sei ehrlich zu Dir selbst und teste Dein Trinkverhalten.
Sei ehrlich zu Dir selbst und teste Dein Trinkverhalten.  © 123rf/axelbueckert

Hier ein Glas Wein zum Essen, da ein Absacker zum Feierabend - wir Deutschen feiern die Feste gerne wie sie fallen. Ein Gläschen am Tag macht uns noch lange nicht zum Alkoholiker. Oder doch?

Testet Euer Trinkverhalten mit den nächsten sieben Fragen. Solltet Ihr drei oder mehr Fragen mit "Ja" beantworten, liegt möglicherweise eine Alkoholabhängigkeit vor.

  • Hand aufs Herz: Verspürst Du manchmal einen starken Drang, eine Art unbezwingbares Verlangen nach Alkohol?
  • Wie ein Fass ohne Boden: Passiert es häufiger, dass Du nicht mehr mit dem Trinken aufhören kannst, nachdem Du einmal begonnen hast?
  • Das Konter-Bier: Greifst Du manchmal schon morgens zur Flasche, um Übelkeit oder z. B. zitternde Hände zu lindern?
  • Intervention: Haben Familie, Ärzte oder Freunde schon einmal Bedenken wegen Deines Trinkverhaltens geäußert oder empfohlen, Deinen Alkoholkonsum einzuschränken?
  • Rausch-Trinken: Trinkst Du in den letzten Jahren zunehmend mehr Alkohol, um eine bestimmte (gewünschte) Wirkung zu erzielen?
  • Schäden ignorieren: Trinkst Du , obwohl Du weißt, dass der Alkoholkonsum bereits zu schädlichen körperlichen, psychischen oder sozialen Folgen geführt hat?
  • Zeit für einen Drink: Richtest Du Deine Tagesplanung danach aus, Alkohol trinken zu können?

Brauer-Bund stellt klar: Wer wählen kann, soll auch Bier trinken dürfen

Die Alk-Debatte trübt die Stimmung der deutschen Brauer keineswegs.
Die Alk-Debatte trübt die Stimmung der deutschen Brauer keineswegs.  © imago/Lichtgut
Ab welchem Alter sollte Bier legal sein?
Ab welchem Alter sollte Bier legal sein?  © imago/Hans Lucas

Wer 16 Jahre alt ist, kann in Deutschland ganz legal Wein, Sekt und Bier kaufen. Zu früh, findet der Drogenbeauftragte der Bundesrepublik, Burkhard Blienert. Er möchte Alkohol nur noch für Volljährige erlauben. Was halten eigentlich Deutschlands Brauer von diesem Vorstoß?

"In mehreren Bundesländern dürfen Jugendliche bereits mit 16 ihre Stimme abgeben. Die Ampelkoalition will das Wahlalter auch für Bundestagswahlen senken. Wenn wir jungen Menschen hier eine große Verantwortung übertragen und ihnen selbstbestimmte Entscheidungen zutrauen, warum nicht auch bei Alltagsfragen?", sagt Nina Göllinger, Sprecherin des Deutschen Brauer-Bundes in Berlin.

Der deutsche Jugendschutz habe sich bewährt, lasse sich aber nicht mit pauschalen Verboten erreichen. "Der Alkoholgehalt von Bier und Biermischgetränken ist deutlich niedriger als bei anderen alkoholhaltigen Getränken. Dies ist ebenfalls ein wichtiger Faktor", findet Göllinger.

Wichtig sei gezielte Aufklärungsarbeit, geltende Verkaufsverbote müssten konsequent kontrolliert und Verstöße strikt geahndet werden.

Titelfoto: Bildmontage: 123RF/artemfurman/123RF/nomadsoul1

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