Interview mit der neuen Ministerin Constanze Geiert: "Wir müssen die Justiz stärken"

Dresden - Schnellere Asylverfahren, bessere Karrierechancen für Richter, klare Regeln für den Strafvollzug: Im TAG24-Interview verrät Sachsens neue Justizministerin Constanze Geiert (48, CDU) ihre Pläne für die nächsten fünf Jahre.

Constanze Geiert (48, CDU) im Gespräch mit TAG24-Redakteur Thomas Staudt.  © Eric Münch

TAG24: Frau Prof. Geiert, Ihre Berufung kam für viele überraschend. Für Sie auch?

Constanze Geiert: Oh ja, deshalb habe ich zuerst auch gezögert. Meinen Studenten sage ich immer, dass sie mit neuem Schwung in der Verwaltung etwas bewegen können. Jetzt habe ich selbst die Chance dazu - und die muss ich und die will ich wahrnehmen.

TAG24: Das Justizministerium bekommt mit Ihnen auch einen neuen Zuschnitt, weg von der Aufgabenfülle Ihrer Vorgängerin. Eine bewusste Entscheidung, wie der Ministerpräsident sagte. Auch eine richtige?

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Constanze Geiert: Wenn das Vertrauen in die Justiz sinkt - und das haben die Befragungen zum Sachsenmonitor klar gezeigt - ist das ein Alarmsignal. Wenn der Rechtsstaat wieder das Vertrauen erhalten soll, das er verdient, müssen wir die Justiz stärken. Und das geht nur mit einem starken, einem fokussierten Ministerium.

TAG24: Was heißt stark? Ziehen Sie die Zügel nach der zuletzt vergleichsweise liberalen Führung wieder stärker an? Wird es den "Strafvollzug in freien Formen" etwa künftig nicht mehr geben?

Constanze Geiert: Das ist für mich keine Frage von Liberalität. Der Vollzug in freien Formen hat durchaus seine Berechtigung. In anderen Ländern mag er die Regel sein, aber mit mir wird in Sachsen der geschlossene Vollzug weiterhin die Regel bleiben.

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Diese Aufgaben können nicht warten

Die Verfahren vieler Asylsuchender werden nur schleppend bearbeitet, weil schlicht und einfach Richter fehlen. (Symbolbild)  © Sebastian Willnow/dpa

TAG24: Welche Aufgaben im Ministerium können Ihrer Meinung nach nicht warten?

Constanze Geiert: Die Beschleunigung der Asylverfahren und die Entlastung der Verwaltungsgerichte! Wenn die zügig abgearbeitet werden, steigt auch das Vertrauen ins gesamte System. Wie wir das hinbekommen, dazu machen wir uns mit Richtern, Akademikern und Vertretern des Ministeriums bei einem Asylgipfel [...] Gedanken. Wichtig ist aber auch, dass die Entscheidungen der Gerichte dann von den Behörden rasch vollzogen werden.

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Constanze Geiert: Nach dem Personalbedarfsberechnungssystem PEBB§Y (sprich: Pepsi - Anm. d. Red) haben wir tatsächlich zu wenige Richter. Grund ist auch der enorme Zuwachs an Verfahren. An den Verwaltungsgerichten sind die Fälle von 6000 auf 8500 angestiegen, bei den Staatsanwaltschaften von 225.000 auf 275.000 - in nur einem Jahr. Cyberkriminalität, Kinderpornografie, Körperverletzung, Schleuser ... da können Sie gar nicht so schnell nachbesetzen, wie sie müssten. Aber wir geben unser Bestes.

Justiznotstand: Viele Richter gehen in den Ruhestand

Auch die Haftanstalten gehören zum Aufgabenbereich der Ministerin. (Symbolbild)  © Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

TAG24: Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass viele Richter demnächst in den Ruhestand gehen. Wie wollen Sie das Problem lösen?

Constanze Geiert: Wir arbeiten dazu an einem Personalentwicklungskonzept, das Absolventen und junge Juristen in den Fokus nimmt und klare Karrierechancen aufzeigt. Wir wollen junge Juristen für die sächsische Justiz begeistern.

TAG24: Die Einführung der E-Akte muss bis zum 1. Januar nächsten Jahres auch in Sachsen flächendeckend umgesetzt sein. Ist das zu schaffen?

Constanze Geiert: Vier von sechs Staatsanwaltschaften haben sie schon. Und 44 von 46 Gerichten. Ich habe schon als Anwältin damit gearbeitet und das als große Arbeitserleichterung empfunden. Dass das nicht jedem so geht, kann ich gut nachvollziehen. Aber das ist ein Prozess. Ich bin sicher, dass wir ihn bis 2026 abschließen können. Wir arbeiten dazu an einem Personalentwicklungskonzept, das Absolventen und junge Juristen in den Fokus nimmt und klare Karrierechancen aufzeigt. Wir wollen junge Juristen für die sächsische Justiz begeistern.

TAG24: Die Untersuchungshaftanstalten sind überbelegt, war gelegentlich zu hören. Noch ein Problem?

Constanze Geiert: Die Gefangenenbelegung liegt in allen Haftanstalten bei circa 80 Prozent. Wenn es zu Engpässen kommt, unterstützen sich die Haftanstalten gegenseitig. Eine Herausforderung, aber kein Problem.

Constanze Geiert war viele Jahre ihres Berufslebens öffentlich tätig. Dennoch war die neue Justizministerin die große Unbekannte bei der Vorstellung des Kabinetts "Kretschmer III". Eine Annäherung an ihre Person an einem für sie besonderen Ort - in der Dresdner Hofkirche ...

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Im aktuellen Kabinett von Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) ist Constanze Geiert ein neues Gesicht.  © Eric Münch
Am Verwaltungsgericht in Chemnitz herrscht Personalmangel - Lösungen sind gefragt.  © Maik Börner

Der Glaube und die Familie sind ihr Rückhalt

Im aktuellen Kabinett von Ministerpräsident Michael Kretschmer ist Constanze Geiert ein neues Gesicht.  © Eric Münch

Die Dresdner Kapellknaben proben für das Mozart-Requiem. Auf einer der Kirchenbänke sitzt Constanze Geiert und erzählt: "Ich bin katholisch, die Gemeinde ist sehr klein."

Der Chor sei immer ein wichtiger Teil des Gemeindelebens gewesen. Heute hat sie eine noch innigere Beziehung zu dem Ensemble. Ihr Sohn (14) ist mit großer Leidenschaft Chormitglied. "Das prägt natürlich unseren Familienalltag", sagt Geiert. Proben, Aufführung und wieder Proben. Hol- und Bringdienste und der Genuss, an den Konzerten teilzuhaben, inklusive. Familie, das sind außerdem ihr Mann (51) und ihre Tochter (18).

"Ich glaube, in meinem Leben gibt es nichts Wichtigeres als meine Kinder", sagt Constanze Geiert. Ihre dunklen Locken wippen, als wollten sie das Gesagte unterstreichen.

Geboren wurde Constanze Geiert am 24. Juni 1976 in Dresden. In der Elbmetropole hat sie quasi ihr ganzes Leben verbracht. Sie studierte Rechtswissenschaften und Europäische Integration an der TU und war fast 20 Jahre als Rechtsanwältin tätig. Seit 2019 war sie an der HSF Meißen Professorin für Besonderes Verwaltungsrecht, seit 2020 und bis zu ihrer Berufung außerdem stellvertretendes nicht-berufsrichterliches Mitglied des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs.

Und sonst? "Ich spiele Tennis und lese gern."

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