In Sachsens kleinster Gartensparte denkt niemand ans Aufhören
Pirna - Im beschaulichen Pirna-Zatschke liegt Sachsens wohl kleinste Gartensparte. Die verbliebenen vier Parzellen müssen ohne Strom und Wasser auskommen. Das macht die Suche nach neuen Pächtern schwer.
Wolkenberge schieben sich vor die Nachmittagssonne, als sich Eberhard Müller den Strohhut aufsetzt. "So. Hier ist es", lacht der 83-Jährige, "mein Arbeitsparadies."
Möhren und Zwiebeln schützen sich gegenseitig vor Fliegen, die restlichen Feldlücken füllen Kartoffeln. "Ich hab drei Familien zu versorgen!", berichtet Müller. Seine Frau und die beiden Töchter. Eine wohne noch mit im Haus, die zweite habe mit einem Engländer die Straße runter gebaut.
Müller ist der Vorsitzende von vier verbliebenen Pächtern der "Weißen Taube", Sachsens wohl kleinster Gartensparte.
Sein Rasenmäher läuft mit Akku, Fußball schaut er zu Hause. Denn in keiner der vier Parzellen gibt es Strom; Wasser kommt aus der vor drei Jahren vertieften Pumpe.
Wie geht es für die "Weißen Taube" weiter?
"Wir müssen schauen, wie es weitergeht", sagt Susanne Russig (48) vom Dachverband der Gartenfreunde.
Vor 15 Jahren ging die Hälfte der Parzellen bereits zurück an die Stadt Pirna. Die verbliebenen Pächter würden älter, vielleicht gebrechlicher werden. "Und wer will heute noch einen Garten ohne Strom?"
"Unser Jüngster ist Mitte 30", zeigt Müller auf die erste Parzelle neben dem verwachsenen Eingang. Der 83-Jährige nennt sie "Party-Garten". Es ist der einzige mit einer zwei Meter hohen Hecke und Laube darin.
Karlfried Klipsch (82) braucht eh keine. Er baute vor 26 Jahren in Zatschke, eine Schwungtür verbindet Haus und Garten. "Ich muss nicht so viele Leute versorgen", lacht der Schatzmeister des Vereins. Ohnehin haben's die Insekten ihm angetan. So säte er eine eigene Blumenwiese, bohrte Löcher in Baumstämme für Holzbiene und Co. Plötzlich legt er die Hand ans Ohr: "Und das ist unsere Nachtigall!"
Müllers Knie sind seit der DDR-Liga kaputt, Klipschs Gang eher schwerfällig als flott. Ans Aufhören denkt hier keiner. Eher ans nächste Feuer in der Gemeinschaft. "Wir können gar nicht aufhören", so Chef Müller. "Meine Töchter brauchen das Gemüse."
Titelfoto: Montage: Steffen Füssel