Im Schatten der Macht: Kennt Ihr noch Sachsens stellvertretende Ministerpräsidenten?
Dresden - Vier Ministerpräsidenten hatte Sachsen in den letzten 33 Jahren, ihre Namen dürften den meisten geläufig sein.
Kurt Biedenkopf (†91), Georg Milbradt (78), Stanislaw Tillich (64) und Michael Kretschmer (48, alle CDU).
Bei den Stellvertretern sieht es schon anders aus, da finden viele im kollektiven Gedächtnis des Freistaats schon lange nicht mehr statt.
Darum hier zur Erinnerung:
Diese acht Sachsen waren oder sind nur einen langen Schatten von der Macht im Freistaat entfernt.
Rudolf Krause (*1939)
Kurz vor Kriegsbeginn in Schlesien geboren, wuchs Krause im Bezirk Leipzig auf, wo er auch sein Abitur machte und ein Mathematik-Studium abschloss.
Fortan arbeitete er als Lehrer, war aber seit 1962 auch Mitglied der Ost-CDU.
1989/90 war Rudolf Krause Mitglied des Bezirksvorstandes in Leipzig und saß auch mit am Runden Tisch.
Im ersten Kabinett Biedenkopf war Krause Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident, ehe er wegen einer früheren Stasi-Tätigkeit (zwischen 1973 und 1982) im Herbst 1991 alle Ämter niederlegte.
Heinz Eggert (*1946)
Der in Rostock geborene Pfarrer von Oybin war zu DDR-Zeiten Anlaufstelle mancher Ausreisewilliger und Oppositioneller.
Während der Wende engagierte Eggert sich zunächst beim Neuen Forum, trat erst im Oktober 1990 in die CDU ein.
Im Herbst 1991 "beerbte" er seinen Vorgänger Krause sowohl als Innenminister wie auch als Vize-MP.
Nach Vorwürfen, er habe Mitarbeiter belästigt - die er stets bestritt - trat Heinz Eggert 1995 zurück.
Allerdings saß er bis 2009 als streitbarer Geist für seine CDU weiter im Landtag.
Hans Geisler (*1940)
Geboren im schlesischen Lauban, wuchs Geisler im nahen Löbau aus.
Er machte eine Ausbildung zum Färber, studierte dann ab 1960 in Dresden Chemie und promovierte.
1989 trat der vierfache Familienvater erst dem Demokratischen Aufbruch (DA) bei, der ein Jahr später mit der CDU verschmolz.
Von März bis Oktober 1990 saß Geisler in der letzten DDR-Volkskammer, wechselte dann ins sächsische Kabinett, wo er Minister für Soziales, Gesundheit und Familie wurde.
Ab 1995 bis 2002 durfte Geisler sich auch "stellvertretender Ministerpräsident" nennen.
Karl Mannsfeld (*1939)
Der gebürtige Dresdner studierte Germanistik und Geografie auf Lehramt, im Anschluss nach ein Fachstudium der Geografie.
Er sollte dann auch nicht als Lehrer arbeiten, sondern zunächst (ab 1964) als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Büro für Territorialplanung in Dresden.
Ab 1966 dann arbeitete er in Leipzig an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Sein Feld: Natur und Umwelt. Für beides engagierte sich Mannsfeld, der bereits 1974 in die CDU eingetreten war, auch ehrenamtlich.
Mannsfeld gehörte von 1990 bis 2004 sowie dann noch mal von 2005 bis 2009 der CDU-Landtagsfraktion an.
Von April 2002 bis November 2004 war er auch Kultusminister und Milbradts Stellvertreter.
Als der nach der Wahl 2004 sein Team neu ordnete, war für Mannsfeld am Kabinettstisch kein Platz mehr.
Thomas Jurk (*1962)
Der groß gewachsene Görlitzer war der erste Nicht-CDU-Mann, der im Freistaat Sachsen das Amt des stellvertretenden Regierungs-Chefs bekleidete.
Weil MP Milbradt bei der Landtagswahl 2004 die absolute Mehrheit für die CDU nicht halten konnte, kam es zu einer Koalition mit Jurks SPD.
Der gelernte Funkmechaniker und Chef der Sachsen-SPD bekam neben der Stellvertreter-Ehre auch den Posten als Wirtschafts- und Arbeitsminister.
Beide Ämter behielt er bis 2009 inne, dann endete die erste sächsische CDU/SPD-Koalition.
Von 2013 bis 2021 saß Jurk für die SPD im Deutschen Bundestag.
Sven Morlok (*1962)
Mit dem Liberalen Sven Morlok bekleidete von 2009 bis 2014 erstmals ein "West-Import" den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten.
Dies war wohl nur möglich, weil der MP selbst ab 2008 Stanislaw Tillich (64, CDU) hieß - und aus Sachsen kam.
Morlok, der eine Bankkaufmannslehre und ein BWL-Studium absolviert hatte, war in der CDU/FDP-Koalition auch Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
Der gebürtige Stuttgarter lebt weiterhin in Leipzig, wo er für seine FDP weiterhin im Stadtrat sitzt.
Martin Dulig (*1974)
Geboren ist Martin Dulig zwar im Vogtland, doch schon früh zog es die kirchlich geprägte Familie nach Meißen und Moritzburg, wo Dulig bis heute wohnt.
Der Sozialdemokrat (Landesvorsitzender von 2009 bis 2021) hat gleich zwei Ausbildungen absolviert, ist Maurer mit Abitur und Sozialpädagoge.
Seit 2014 ist er stellvertretender Ministerpräsident. Anfangs als Vize von Stanislaw Tillich, ab 2017 als zunächst noch erster Stellvertreter von Michael Kretschmer (48, CDU).
Seit der letzten Landtagswahl hat diesen Posten der Grüne Wolfram Günther (49) inne, Dulig ist seither zweiter Stellvertreter.
Sein Ministeramt (Wirtschaft, Arbeit, Verkehr) übt der sechsfache Familienvater und mehrfache Großvater (!) unverändert aus.
Wolfram Günther (*1973)
Die Vita des aktuellen "ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten" Sachsens ist ziemlich bunt.
Günther war jahrelang Leistungsschwimmer, brachte es 1986 zum Vize-DDR-Meister.
Nach der Wende machte der Leipziger erst eine Bankkaufmanns-Ausbildung, studierte dann Jura, Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Philosophie.
Seit 1997 ist Wolfram Günther Mitglied der Grünen, für die er schon seit 2014 im Landtag sitzt.
Nach der letzten Landtagswahl und der Bildung einer schwarz-grün-roten Koalition ("Kenia") wurde Günther Minister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft und eben Vize-Ministerpräsident.
Auch Wolfram Günther ist verheiratet und hat sechs Kinder.
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