Meißen - Das sächsische Landesgymnasium Sankt Afra in Meißen wird wohl auch in Zukunft mit dem Vorurteil kämpfen müssen, eine "Schnösel-Schmiede" zu sein. Dabei bietet das Internat seinen hochbegabten Schülern jede Möglichkeit, sich bestmöglich zu entwickeln.
Laut Studie des sächsischen Kultusministeriums soll jedes zehnte Kind besonders begabt sein. Diese Begabung kann sich in gewöhnlichen Schulkassen zum Beispiel durch Fehlverhalten aufgrund von Unterforderung zeigen.
Auch Mette-Maris Klopsch gehört zu den Hochbegabten. Die 18-Jährige ist seit der neunten Klasse im Sankt Afra, bereitet sich auf ihr Abi vor: "Ich war vorher auf dem Gymnasium in Coswig, habe da nur Einser abgeräumt. Hier geht man einfach anders miteinander um, spricht länger, hört besser zu, denkt tiefer nach."
Johann Gleisberg (13) ist in der siebten Klasse, gerade frisch nach Sankt Afra gekommen: "In der Grundschule bin ich mitgeschlittert, hatte immer beste Noten. Im Gymi in Grimma habe ich auch nichts gelernt, den Unterricht gestört und war immer noch gut."
Die Umstellung von Gymnasium auf Internat für Hochbegabte war dabei gar nicht einfach: "Alle, die hier sind, waren vorher etwas Besonderes auf ihrer jeweiligen Schule. Dadurch ist hier niemand besonders. Man muss seinen Platz erst mal finden", erinnert sich Mette.
Beide Schüler haben einen Aufnahmetest bestanden, um in Sankt Afra auf die Schule zu gehen. "Mein Zeugnis war für die Aufnahme völlig irrelevant. Es gab keinen IQ-Test. Es wurde eher geschaut, wie man in der Gruppe funktioniert und für seine Ideen einsteht", erklärt Johann.
Internat will Schülern "mehr Zeit für vertiefendes Lernen geben"
Auf dem Schulgelände sind auch die Häuser, in denen die Schüler in Mehrbettzimmern wohnen.
Alle drei bis vier Wochen geht es nach Hause: "Heimweh habe ich eigentlich nicht, aber dann am Tag der Abreise große Vorfreude", sagt Johann.
Mette beschäftigt sich zur Abi-Vorbereitung mit Rassismus in Nachkriegsdeutschland, will danach Psychologie an der TU Dresden studieren. Der 13-jährige Johann hat mehr Zeit: "Besonders interessieren mich Robotik, Informatik und Sport."
Die Lehrstruktur im Internat beinhaltet selbstverständlich Stoffe, die auf anderen Schulen behandelt werden, aber es wird weniger Zeit dafür eingeplant: "Wir teilen hier in die zwei Blöcke Fundament und Vertiefung. In Zukunft wollen wir das Fundament weiter verkürzen, den Schülern mehr Zeit für vertiefendes Lernen geben", erklärt Schulleiter Stefan Weih (54) und verweist auf Schüler, die nach dem Standardunterricht bis zu sechs Sprachen gleichzeitig lernen.
500 Euro Gebühr sind pro Kind monatlich fällig, 350 Euro für Kinder aus Sachsen. "Familien, die nicht über diese Mittel verfügen, erhalten Hilfe", so Weih.
Eine Institution mit langer Geschichte
Der Name des Internats Sankt Afra verweist auf die Gründung des Klosters der Augustiner-Chorherren, das zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Meißen entstand und heute Sitz für die Akademie der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen ist.
Schmiede für Russischlehrer, Landesparteischule der SED, Hochschule für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG): In der DDR stand das heutige Internat ganz im Dienste der Roten Armee.
Nach der Wende wurde 1992 auf eine Bürgerinitiative hin aus der LPG das Sankt-Afra-Gymnasium gegründet.