Hunderte Bilder zieren Flure und Büros: Diese Kunst hängt in Sachsens Landtag

Dresden - Der Sächsische Landtag in Dresden ist ein Epizentrum der Macht und als Sitz des Landesparlaments der wichtigste Ort für politische Debatten im Freistaat. Dort werden Gesetze besiegelt und der Ministerpräsident gewählt. Dort arbeiten die gewählten Vertreter des Volkes, die die Staatsregierung kontrollieren und auf die Finger "klopfen".

Heiner Ridder (62) in der Bibliothek des Landtages vor dem Gemälde "Nocturne" von Wiebke Herrmann. Die 1987 geborene Dresdnerin ist die jüngste Künstlerin, das Bild der jüngste Ankauf der Sammlung.
Heiner Ridder (62) in der Bibliothek des Landtages vor dem Gemälde "Nocturne" von Wiebke Herrmann. Die 1987 geborene Dresdnerin ist die jüngste Künstlerin, das Bild der jüngste Ankauf der Sammlung.  © Eric Münch

Das ist Allgemeinwissen. Kaum bekannt ist dagegen, dass man den Landtag getrost auch Schatzkästchen nennen darf, denn das Parlament fördert und sammelt zeitgenössische Kunst.

"In den zurückliegenden 25 Jahren hat der Landtag über 450 Kunstwerke angekauft und so sukzessive eine Sammlung aufgebaut. Neben großen Namen finden sich Newcomer und inzwischen in Vergessenheit geratene Persönlichkeiten", berichtet Heiner Ridder (62), der Mitglied der vierköpfigen Kunstkommission des Parlaments ist.

Der Referatsleiter gehört der Landtagsverwaltung an. Seine Welt besteht dort aus Ausschusssitzungen, Paragrafen, Pflichten und Protokollen. Ridders Passion ist aber die Kunst. "Das ist mein Ausgleich zum trockenen Tagesgeschäft", sagt er herzlich lachend. Dann schreitet er im Altbau des Landtages zielstrebig die Treppe hinauf zur ersten Etage.

Auf diese Poledancerin aus Sachsen wartet die große Bühne
Sachsen Auf diese Poledancerin aus Sachsen wartet die große Bühne

An prominenter Stelle hängt dort ein Porträt von Erich Iltgen. "Er war nach der Friedlichen Revolution der erste Präsident des Sächsischen Landtages und 19 Jahre im Amt. In seiner zweiten Legislaturperiode kamen die Abgeordneten auf die Idee, eine Ahnengalerie der Landtagspräsidenten zu begründen", erklärt Heiner Ridder.

Der Landtag besteht aus einem alten und einem neuen Gebäudekomplex. Der Neubau wurde von dem Dresdner Architekten Peter Kulka entworfen und 1993 offiziell eingeweiht.
Der Landtag besteht aus einem alten und einem neuen Gebäudekomplex. Der Neubau wurde von dem Dresdner Architekten Peter Kulka entworfen und 1993 offiziell eingeweiht.  © imago/C3 Pictures

Gemälde sind Grundstein der Sammlung

Mit diesem Bild von Erich Iltgen begann alles. Das Bild wurde allerdings erst zwölf Jahre nach seiner Anfertigung durch Siegfried Klotz aufgehängt.
Mit diesem Bild von Erich Iltgen begann alles. Das Bild wurde allerdings erst zwölf Jahre nach seiner Anfertigung durch Siegfried Klotz aufgehängt.  © Eric Münch

Iltgen durfte damals den Maler seines Porträts selbst aussuchen. Er entschied sich für Siegfried Klotz. Der honorige Professor der Dresdner Kunstakademie stellte den CDU-Politiker 1997 im Ständehaus dar.

Auf seinem Gemälde schweift Iltgens Blick vom alten hinüber zum neuen Landtag. Das Bild schlummerte zwölf Jahre im Archiv. Es kam erst 2009 an Ort und Stelle nach Iltgens Ausscheiden aus Altersgründen.

"Dieses Gemälde ist im Grunde der Grundstein der Sammlung", sagt Ridder. Nach dem Umbau des Altbaus (1995 bis 1997) schrien viele kahle weiße Wände und langweilige Büros nach Blickfängern. Zuerst halfen die Staatlichen Kunstsammlungen mit Leihgaben aus. Mit der Zeit wuchsen im Landtag Wunsch und Wille, das Gebäude mit eigener Kunst von sächsischen Künstlern auszustatten. Aus der Verwaltung heraus bildete sich eine Kunstkommission, der bis heute ausschließlich interessierte Laien angehören.

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Heiner Ridder: "Wir haben uns bei unserer Auswahl Kriterien gegeben. Wir wählen nur professionelle Künstler aus, die tatsächlich aus Sachsen kommen. Zu unserer breiten Palette gehören Malerei, Zeichnung, Grafik und Collagen. Jedoch keine Fotografie und keine Plastik. Für Plastiken fehlt uns der Platz. Wir beschränken uns auf sogenannte Flachware."

Kunstwerke sind Eigentum des Freistaates

Dieses dreiteilige Gemälde (Öl auf Leinwand) von Felix Lippmann zeigt den "Wilisch" bei Kreischa.
Dieses dreiteilige Gemälde (Öl auf Leinwand) von Felix Lippmann zeigt den "Wilisch" bei Kreischa.  © Eric Münch

Bei den Ankäufen orientiert sich die Kommission an der Auswahlliste der Kulturstiftung des Freistaates. Ridder: "In der Stiftung sitzen die wahren Experten. Die beschäftigen sich monatelang mit den Künstlern. Da können wir mit gutem Gewissen kaufen."

Beispiel: 2024 erwarb der Landtag Werke von Wiebke Hermann und Lisa Pahlke (beide aus Dresden), Sol Namgung und Theresa Möller (beide aus Leipzig) sowie Matthias Lehmann (Meißen).

Der Anspruch der Landtagsvertreter ist es, ein breites Spektrum abzubilden. Sie entscheiden dabei frei und sind auch nicht festgelegt auf Motive, Stile, Farben, Formen oder Formate. Pro Jahr steht ihnen für Ankäufe ein Budget von insgesamt 20.000 Euro zur Verfügung. Im Lauf der Jahre kam so die umfangreiche Kollektion zusammen. Ridder betont: "Wir kaufen nicht fürs Archiv. 90 Prozent der Kunstwerke hängt. Darauf bin ich stolz."

Die Bilder sind im Umlauf. "Jeder Mitarbeiter und Abgeordnete kann bei uns ein Bild aus dem Bestand für sein Büro auswählen. Wen jemand ausscheidet, gibt er dann das Bild zurück", erklärt Ridder. Er weiß, dass sich viele im Parlament sehr mit "ihrer" Kunst identifizieren.

Wollte gar jemand schon dem Landtag etwas abkaufen? Der Referatsleiter schmunzelt: "Das gab es noch nie. Aber das wäre haushaltsrechtlich auch ganz schwierig. Schließlich sind die Kunstwerke allesamt Eigentum des Freistaates."

AfD schmückt sich mit großen Denkern

Jeder Flur des Landtags bekommt durch die angekaufte Kunst einen Charakter.
Jeder Flur des Landtags bekommt durch die angekaufte Kunst einen Charakter.  © Eric Münch

Der angekauften Kunst begegnet man auf Schritt und Tritt im Landtagsgebäude - nur nicht auf den Fluren der Fraktionen.

Diese machen von ihrem Recht Gebrauch, ihre Räumlichkeiten selbst auszugestalten oder zeitweise eigens ausgewählte Künstler auszustellen.

Ein Beispiel: Nachdrucke von historischen Gemälden zieren den Flur, von dem die Büros der AfD-Abgeordneten abgehen.

Die Drucke zeigen deutsche Denker und Künstler wie Friedrich Nietzsche, Clara Schumann, Albrecht Dürer und Richard Wagner.

Die vielfältige Kunstsammlung des Landtags stellt einen Querschnitt der aktuellen Kunstströmungen in Sachsen dar.
Die vielfältige Kunstsammlung des Landtags stellt einen Querschnitt der aktuellen Kunstströmungen in Sachsen dar.  © Eric Münch

Führungen gibt's auch

"Extatiker goes Tampere" heißt dieses Ölgemälde von Lydia Thomas. Die Künstlerin wurde 1987 in Karl-Marx-Stadt geboren. Ein Stipendium der Stadt Chemnitz führte sie 2013 in die finnische Partnerstadt Tampere.
"Extatiker goes Tampere" heißt dieses Ölgemälde von Lydia Thomas. Die Künstlerin wurde 1987 in Karl-Marx-Stadt geboren. Ein Stipendium der Stadt Chemnitz führte sie 2013 in die finnische Partnerstadt Tampere.  © Eric Münch

Interessierte Erwachsene und Schulklassen der Oberstufe können bei einstündigen Führungen anhand ausgewählter Werke tiefere Einblicke in die Sammlung des Landtages erhalten.

Aktuell werden drei verschiedene thematische Führungen angeboten, die von einer Kunsthistorikerin gestaltet werden.

Wichtig: Besucher müssen sich vorab online (www.landtag.sachsen.de) für die jeweiligen Rundgänge anmelden!

Die nächsten Termine:

• Montag, 20. Januar, 11 Uhr - "Aus weiblicher Hand - Künstlerinnen im Fokus"

• Dienstag, 11. Februar, 17 Uhr - "Kunst im Kontext - Künstler(gruppen) und ihr Umfeld"

• Montag, 10. März, 18 Uhr - "Ausgewählt - Ein kleiner Einblick in die Sammlung"

Titelfoto: Bildmontage: IMAGO/C3 Pictures, Eric Münch

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