Hilfe gegen das Vergessen: Wie ein Museums-Chef alte Erinnerungen weckt

Oschatz - Bilder, Gegenstände, Farben, aber auch Gerüche wecken Erinnerungen. Sächsische Museen nutzen das und sorgen mit speziellen Führungsangeboten für mehr Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit Demenz.

Günther Hunger (72) in seinem Eisenbahn-Postkarten-Museum in Oschatz. Er setzt sich für mehr Teilhabe für von Demenz Betroffenen ein.
Günther Hunger (72) in seinem Eisenbahn-Postkarten-Museum in Oschatz. Er setzt sich für mehr Teilhabe für von Demenz Betroffenen ein.  © Christian Juppe

Das Eisenbahn-Postkarten-Museum Oschatz (Nordsachsen) zum Beispiel. Oma vergisst immer öfter, wo sie ihren Geldbeutel hingelegt hat. Oder dass sie einkaufen gehen wollte - eigentlich. Manchmal weiß sie nicht einmal mehr, wer sie ist.

Für Menschen wie sie hat Günther Hunger (72) einen einstündigen Parcours durch das Museum konzipiert.

"Es geht mir darum, hervorzuholen, was im Langzeitgedächtnis gespeichert ist", sagt er und zeigt für sein "demenzsensibles Führungsangebot" eine Personenwaage, wie sie früher auf jedem Bahnhof zu finden war.

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Oder eine alte Fahrkarte aus festem Karton, die die Teilnehmer in die Hand nehmen dürfen. Vom Band kommt das Zischen und Pfeifen und der stampfende Rhythmus alter Dampfloks.

Vier Personen können an einer solchen Führung teilnehmen. Dauer maximal eine Stunde. "Wenn alles klappt, ist das nicht nur für die Teilnehmer eine angenehme Erfahrung, sondern auch eine Entlastung für die Betreuenden, die in der Zwischenzeit einen entspannten Kaffee trinken können", meint Hunger.

Anzahl der Demenz-Kranken in Sachsen nimmt zu

Mehr als 103.000 Menschen sind in Sachsen von Demenz betroffen.
Mehr als 103.000 Menschen sind in Sachsen von Demenz betroffen.  © dpa/Patrick Pleul

Der gelernte Elektromonteur und langjährige Fotojournalist sammelt schon seit seiner Kindheit Postkarten. Mittlerweile sind es Zehntausende.

2019 eröffnete er das Museum im Südbahnhof an der Schmalspurstrecke des "Wilden Robert". Ohne Steuergelder, wie er betont.

Die Idee zu der Führung kam Hunger bei einem Wochenendseminar der TU Dresden. Dort kooperiert Michael Wächter mit der Goethe-Universität (Frankfurt/Main) und dem Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe (Berlin) im Projekt "Erinnerungs_reich - Museen als Medizin für Menschen mit Demenz".

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"Wir brauchen ganz dringend Angebote für solche Menschen, weil ihre Zahl zunimmt", sagt Grit Wegner (60) vom Landratsamt Torgau. Häufigste Ursache ist Alzheimer. Rund 103.000 Menschen mit Demenz leben nach Angaben der Deutschen Alzheimergesellschaft in Sachsen. Das ist - neben Sachsen-Anhalt - prozentual gesehen der höchste Anteil bundesweit.

Für die Betroffenen will auch Wegner etwas tun und hat dafür gesorgt, dass der Landkreis die Finanzierung für den Druck von Werbepostkarten für Hungers Führungsangebot übernimmt.

Führungen am 19. September von 14 bis 16 Uhr im Rahmen der "Woche der Demenz" (14.-22.9.).

Museumsmitarbeiter Günther Jentzsch (63) an einer alten Waage, an der Demenzkranke haptische Erfahrungen machen können.
Museumsmitarbeiter Günther Jentzsch (63) an einer alten Waage, an der Demenzkranke haptische Erfahrungen machen können.  © Christian Juppe
ine Abteilung des Museums beschäftigt sich mit dem Thema Post. Briefsachen und Pakete, sagt Hunger, seien ja immer auch von der Bahn befördert worden.
ine Abteilung des Museums beschäftigt sich mit dem Thema Post. Briefsachen und Pakete, sagt Hunger, seien ja immer auch von der Bahn befördert worden.  © Christian Juppe
Die Demenzbeauftragte des Kreises Nordsachsen, Grit Wegner (60), hat eine Postkarte gesponsert, um das Angebot für Betroffene bekannter zu machen.
Die Demenzbeauftragte des Kreises Nordsachsen, Grit Wegner (60), hat eine Postkarte gesponsert, um das Angebot für Betroffene bekannter zu machen.  © Christian Juppe

Sachsens Plan gegen Demenz

Sachsen setzt die nationale Demenzstrategie auf Landesebene um. Dazu hat die Staatsregierung Anfang August einen Landesdemenzplan verabschiedet. Zur Strategie gehören demenzsensible Angebote in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen sowie die Unterstützung für Angehörige und Frühbetroffene.

Zur Enttabuisierung des Themas hat das Sozialministerium auf YouTube eine Erklärstory veröffentlicht.

Titelfoto: Bildmontage: Christian Juppe, dpa/Patrick Pleul

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