Grimmas Stadtchef in Rage: "Kommunale Selbstverwaltung ist zur Worthülse verkommen!"
Grimma - Er ist ein Mann der klaren Worte: Grimmas parteiloser OB Matthias Berger (56) hat seinem Herzen Luft gemacht und aus kommunaler Sicht die Politik der Landesregierung verrissen. Sein vernichtendes Urteil: Sachsen ist finanziell gegen den Baum gefahren!
"Die Haushalte sind nicht mehr ausgeglichen, weil die Kosten explodiert sind. Wir haben kein Geld mehr, um aktiv und innovativ zu sein. Die Kommunen werden nach allen Belangen bevormundet", bricht es aus Berger heraus. Es gebe eine Entfremdung zwischen Land und kommunaler Ebene.
Regierungs-Chef Michael Kretschmer (49, CDU) sei zwar kommunikativ und "ein netter Mensch".
"Es nutzt dem Freistaat aber nicht, wenn es einen Ministerpräsidenten gibt, der jedem Sachsen einmal die Hand geschüttelt hat. Er hat es versäumt, strukturelle Veränderungen vorzunehmen."
Der frühere Finanzminister Georg Unland (70, CDU) hätte schon vor Jahren gewarnt, dass Sachsen finanziell an den Baum fahre, wenn man die Bürokratie nicht einschränke, so Berger.
Berger: Kommunen brauchen mehr Verantwortung
"Die Zahl der Landesdiener sollte mal auf 70.000 sinken, jetzt bewegen wir uns auf die 100.000 zu. 40 Prozent des Staatshaushaltes gehen für Personalkosten drauf. Das ist bitter", kritisiert der Stadtchef, der sich erstmals für ein Landtagsmandat bewirbt und Spitzenkandidat der Freien Wähler ist.
Nach Ansicht von Berger ist die kommunale Selbstverwaltung zu einer Worthülse verkommen, weil den Kommunen inzwischen jeglicher Handlungsspielraum fehle. Man trage immer neue Ideen ins Land, deren Umsetzung aber nicht funktioniere.
"Wir brauchen eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wir brauchen klare Strukturen und Verantwortlichkeiten", sagte Berger. Extreme Hierarchien wie in Sachsen seien falsch. Die Kommunen müssten mehr Verantwortung übertragen bekommen.
Es dürfe nicht sein, dass sie "betteln müssen, wenn sie mal eine Glühbirne einschrauben wollen".
Titelfoto: Ralf Seegers