Goldrausch: Der Kampf um die Sachsen-Milliarden

Dresden - Bundestag und Bundesrat haben in dieser Woche beschlossen, die Schuldenbremse zu lockern und Milliarden-Kredite für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz aufzunehmen. Das historische Finanzpaket spült voraussichtlich ab 2026 zwölf Jahre lang jährlich etwa 420 Millionen Euro zusätzlich in Sachsens Kassen. Lest hier, welche Begehrlichkeiten, Bedenken und Befürchtungen es in diesem Zusammenhang bereits gibt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) fiel die Entscheidung über das große Schulden-Paket nicht leicht, erklärte er diese Woche im Landtag und im Bundesrat.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) fiel die Entscheidung über das große Schulden-Paket nicht leicht, erklärte er diese Woche im Landtag und im Bundesrat.  © DPA/Robert Michael

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) hofft, dass das zusätzliche Geld vom Bund für Wachstum sorgt. Gleichzeitig drängt er aber auch auf Reformen. "Wir müssen Wachstumsbremsen lösen", betonte der Christdemokrat mehrmals in den letzten Tagen.

Der MP rückt Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Bahnprojekte im Zusammenhang mit Infrastrukturmaßnahmen in den Fokus. Er will "eine neue wirtschaftliche Dynamik entfachen" betont er immer wieder.

Dafür braucht es seiner Überzeugung nach mehr als Geld. Es gehe ebenso etwa um günstige Energiepreise und raschen Bürokratieabbau. Kretschmer spricht davon, dass langwierige Planfeststellungsverfahren für Vorhaben zukünftig übers Baurecht schneller in die Gänge kommen sollen. "Wir müssen raus aus der Mikrosteuerung", so der MP.

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Aufgrund der prekären Haushaltslage muss Sachsen enorme Einsparungen in diesem und im kommenden Doppelhaushalt vornehmen. Dem Vernehmen nach haben etwa Sport, Zivilschutz, Polizei, Kultur und Soziales teils drastische Kürzungen hinzunehmen. "Das muss bei der Vergabe der zusätzlichen Mittel nun besonders berücksichtigt werden", haben die betroffenen bzw. zuständigen Minister bereits lautstark kundgetan.

Als CDU-Kanzlerkandidat im Wahlkampf hielt Friedrich Merz (69) noch an der Schuldenbremse fest. Nun setzte er noch vor seinem Amtsantritt eine historische Kreditaufnahme durch.
Als CDU-Kanzlerkandidat im Wahlkampf hielt Friedrich Merz (69) noch an der Schuldenbremse fest. Nun setzte er noch vor seinem Amtsantritt eine historische Kreditaufnahme durch.  © Imago

IHK ist für Wertschöpfung

Christoph Neuberg (50).
Christoph Neuberg (50).  © Uwe Meinhold

"Das Geld aus den Zusatz-Schulden-Paketen muss diszipliniert in Investitionen in die Infrastruktur eingesetzt werden", sagt der Chemnitzer IHK-Chef Christoph Neuberg (50).

Er fordert zudem, dass der Fokus dabei auf Wertschöpfung im Sinne der Wirtschaft liegt. Vertreter der Industrie und Wirtschaft sollten deshalb mitreden bei der Geldverteilung, findet Neuberg.

Der IHK-Manager unterstützt die Sachsenfonds-Idee, flankiert von einer Zukunftsstiftung. Denn er sieht auch Probleme. Dazu zählen die Vergabebürokratie sowie begrenzte Umsetzungsressourcen in Bauwirtschaft und Handwerk.

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Er warnt: "Wenn das zusätzliche Geld unkontrolliert in den Markt gedrückt wird, wären erhebliche Preissteigerungen die Folge." Die würden letztlich der Privatwirtschaft die Lust am Investieren nehmen.

Mitarbeiter des Maschinenbauers Niles-Simmons aus Chemnitz an einem Rasoma Endenbearbeitungszentrum. Der Sachsenfonds soll auch der Wirtschaft zugutekommen, fordern die IHKs.
Mitarbeiter des Maschinenbauers Niles-Simmons aus Chemnitz an einem Rasoma Endenbearbeitungszentrum. Der Sachsenfonds soll auch der Wirtschaft zugutekommen, fordern die IHKs.  © dpa/Jan Woitas

Handwerk will Zukunftsprojekte

Uwe Nostitz (62).
Uwe Nostitz (62).  © DPA

Der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Uwe Nostitz (62), spricht sich dafür aus, dass die zusätzlich verfügbaren Gelder in zusätzliche Investitionen von Zukunftsprojekten neben den regulären Haushalten fließen.

Dem Handwerk ist wichtig, dass davon sowohl die Metropolen als auch der ländliche Raum profitieren. "Unverzichtbar ist dazu jedoch auch, Bürokratie zu entschlacken, Planungs- und Bauabläufe spürbar zu beschleunigen", erklärt Nostitz.

Er liegt voll auf der Linie der Staatsregierung, wenn es um die Vereinfachung von Planfeststellungsverfahren geht. Darüber hinaus drängt er darauf, beteiligte Behörden auf Geschwindigkeit und Effizienz zu trimmen, damit in der Praxis Projekte schneller umgesetzt werden können.

Nostitz appelliert an die Landesregierung, transparent zu handeln und Wirtschaftsverbände und -kammern bei der Mittelvergabe einzubeziehen.

Das Handwerk möchte Transparenz, wo die zusätzlichen Millionen investiert werden.
Das Handwerk möchte Transparenz, wo die zusätzlichen Millionen investiert werden.  © Imago

Kommunen melden schon mal Bedarf an

Mischa Woitscheck (57).
Mischa Woitscheck (57).  © Steffen Füssel

Mischa Woitscheck (57) geht als Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages davon aus, dass die Kommunen den Löwenanteil an diesen Geldern erhalten werden.

"Nach Einschätzungen des Instituts für öffentliche Finanzen an der Universität Leipzig beträgt der kommunale Investitionsbedarf im Freistaat Sachsen mehr als 12 Mrd. Euro", so Woitscheck.

In diesem Zusammenhang erinnert er an das Konjunkturpaket II und die daraus finanzierten zusätzlichen Investitionen ab dem Jahr 2009.

"Damals erhielten die sächsischen Kommunen 80 Prozent der Mittel, die dem Freistaat vom Bund zur Verfügung gestellt wurden. Die wichtigsten Förderbereiche bilden sich in den derzeit existierenden Förderrichtlinien ab", so Woitscheck.

"Dazu zählen die Straßen- und Brückeninfrastruktur, der Schulhausbau, die Kindertagesstätten, Wasserwirtschaft und digitale Infrastruktur."

Die Sanierung maroder Schulgebäude könnte nach 2062 mithilfe der zusätzlichen Bundesmittel angegangen werden.
Die Sanierung maroder Schulgebäude könnte nach 2062 mithilfe der zusätzlichen Bundesmittel angegangen werden.  © dpa/Peter Endig

Landkreistag will Gelder fürs Land

Schlaglöchern soll es mit den Infrastruktur-Mitteln an den Kragen gehen.
Schlaglöchern soll es mit den Infrastruktur-Mitteln an den Kragen gehen.  © dpa/Jan-Philipp Strobel

Der Sächsische Landkreistag (LKT) fordert, dass ein Großteil der bereitgestellten Gelder auch tatsächlich für die Verbesserung der kommunalen Infrastruktur (Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Brücken) eingesetzt wird.

"Die Landkreise vertreten den ländlichen Raum und die dortige Wirtschaft und Einwohnerschaft insgesamt und damit zwei Drittel der Bevölkerung. Deshalb erwarten wir, dass ein Großteil der Mittel in den ländlichen Raum fließt", erklärt Veronika Müller, die Vize-Geschäftsführerin des LKT.

Sie argumentiert: Jenseits der Großstädte ist der Erhalt der Infrastruktur nicht nur besonders herausfordernd, sondern auch bedeutend für die Attraktivität der Regionen. "Wichtig ist weiterhin, dass die Umsetzung in einem einfachen und unbürokratischen Verwaltungsverfahren erfolgt", so Müller.

Zudem erwarten die Landkreise, dass vor Ort die Kommunen die Prioritäten setzen.

Ministerin sieht "Fell" schon x-mal verteilt

Infrastruktur-Ministerin Regina Kraushaar (60, CDU).
Infrastruktur-Ministerin Regina Kraushaar (60, CDU).  © dpa/Sebastian Kahnert

Sachsens Infrastrukturministerin Regina Kraushaar (60, CDU) sieht schwierige Verhandlungen auf sich zukommen bei der Verteilung des Geldes. "Das Sondervermögen für die Infrastruktur werden sich viele teilen müssen, und auch die Kommunen werden beteiligt werden."

Das "Fell des Bären" sei gefühlt schon 15 Mal verteilt. "Ich werde mich sehr anstrengen müssen, dass ein großer Teil dieser finanziellen Mittel tatsächlich in den Bau von Straßen und in die Sanierung von Brücken fließt", so die Ministerin.

Sie hat bereits vorsorglich den Freistaat um mehr Personal für ihr Haus gebeten, um die Mittelvergabe zügig bewältigen zu können.

Titelfoto: dpa/Robert Michael, imago

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