Gelähmte Rosalie (22) macht anderen mit ihren Gedichten Mut

Lauba (Sachsen) - Rosalie Renner aus Lauba in der Oberlausitz ist ein kreatives Energiebündel. Die 22-Jährige studiert Kulturwissenschaften, schreibt Gedichte und veröffentlichte bereits zwei Bücher. Wie viel Talent noch in ihr schlummert, bleibt den meisten allerdings verborgen. Das Gros der Menschen, die der jungen Frau begegnen, reduziert sie auf ihre Bewegungsunfähigkeit und Behinderung. Rosalie Renner rebelliert dagegen. Sie hat eine Mission: Mut machen.

Rosalie Renner (22) ist seit ihrer Geburt an der spinalen Muskelatrophie (SMA) erkrankt. Die genetisch bedingte Krankheit nimmt den betroffenen Kindern nach und nach alle Kraft und führt dazu, dass diese selbstständig nicht mehr atmen können. Trotz aller krankheitsbedingten Einschränkungen sagt die Studentin von sich: "Ich bin glücklich."
Rosalie Renner (22) ist seit ihrer Geburt an der spinalen Muskelatrophie (SMA) erkrankt. Die genetisch bedingte Krankheit nimmt den betroffenen Kindern nach und nach alle Kraft und führt dazu, dass diese selbstständig nicht mehr atmen können. Trotz aller krankheitsbedingten Einschränkungen sagt die Studentin von sich: "Ich bin glücklich."  © Eric Münch

Die junge Frau lebt von Geburt an mit der schwersten Form einer spinalen Muskelatrophie (kurz SMA).

"Wenn ich mich bewegen will, kommt das Nervensignal nicht so gut vom Rückenmark zum Muskel, und weil weniger ankommt, werden die Muskeln mit der Zeit immer schwächer. Ich kann nicht einmal aufrecht sitzen oder stehen", erklärt Rosalie Renner ihre Erkrankung.

Die Ärzte räumten ihr nach der Geburt eine Lebenserwartung von weniger als zwei Jahren ein.

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Die heute 22-Jährige kommentiert das mit dem ihr eigenen Humor: "Nun ja, ich mache halt nie, was andere erwarten."

Die Krankheit sorgt dafür, dass Rosalie Renner bewegungsunfähig und abhängig von medizinischer Pflege und Betreuung ist. Atmen, abhusten, hören - ohne Hightech-Hilfsmittel geht es ihr nicht gut. Selbst das Sprechen fällt ihr schwer.

Fremde verstehen sie kaum, wenn ihre Lippen mit leiser Stimme Worte formen.

Rosalie kommuniziert über das Schreibprogramm ihres PCs

PC und Bildschirm stehen direkt am Bett der jungen Frau. Wenn sie Bücher lesen mag, hilft eine Maschine ihr beim Umblättern der Seiten.
PC und Bildschirm stehen direkt am Bett der jungen Frau. Wenn sie Bücher lesen mag, hilft eine Maschine ihr beim Umblättern der Seiten.  © Eric Münch

Zum Kommunizieren nutzt Rosalie Renner darum lieber das Schreibprogramm ihres Computers. Sie erklärt: "Ich steuere meinen PC mit einer ScanMaus und zwei MicroLight-Schaltern und schreibe mit einer Bildschirmtastatur. Beim Schreiben habe ich in jeder Hand einen Taster, der mit dem Computer verkabelt ist."

Buchstabe für Buchstabe, Satzzeichen für Satzzeichen entstehen so ihre Texte und Botschaften.

Während die Zeichen auf dem Bildschirm des PCs ihren Platz finden, fliegen Rosalie Renners Gedanken stets schon weit voraus.

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So beschränkt ihr Aktionsrahmen auch sein mag - ihr geistiger Horizont scheint keine Grenzen zu kennen! Hellwach verfolgt sie, was man wohl Zeitgeist nennt.

Wo immer es geht, versucht sie dabei zu sein mit ihrem angepassten Elektrorollstuhl. Barrierefreiheit besitzt besondere Bedeutung für sie, ihre Familie und Freunde.

Rosalie Renner möchte kein Mitleid

Ihre beiden Bücher sind online im Buchhandel verfügbar.
Ihre beiden Bücher sind online im Buchhandel verfügbar.  © privat

Rosalie Renner hat einen großen Wissens- und Lebenshunger. Sie legte trotz ihrer Handicaps erfolgreich die Abiturprüfungen ab. Gegenwärtig strebt sie einen Abschluss an der Fernuni Hagen an.

Resolut stellt sie klar: "Ich will kein Mitleid." Höchstens Anerkennung für ehrlich erbrachte Leistungen.

Im Internet fühlt sich die Studentin wohl wie ein Fisch im Wasser. "Ich bin ein Nerd, ein Computerfreak", sagt sie über sich. Tatsächlich eröffnet ihr das World Wide Web neue Welten. Rosalie Renner besitzt einen eignen Blog.

Ehrenamtlich betreut und kreiert sie Homepages und hilft, Texte in einfache Sprache zu übersetzen. Mit dieser Arbeit unterstützt sie die Laubaer Kirchgemeinde und vor allem die Evangelische Jugend in Sachsen sowie verschiedene Projekte rund um Inklusion.

Die großen Leidenschaften von Rosalie Renner heißen aber Philosophie, Literatur und Poesie. Die Texte der indisch-kanadischen Autorin Rupi Kaurs, die von Freundschaft und Liebeskummer bis Migration, Gewalt und Trauma handeln, berühren sie. Die Laubaerin mag tiefgründige, schonungslos ehrliche Texte und Poetry-Slam-Wettbewerbe. Ihre eigenen Texte und Gedichte bezeugen das. Jammern? Fehlanzeige. Rosalie Renners Reime strotzen vor Dynamik.

Sie offenbaren aber auch Zerbrechlichkeit.

Woher nimmt die schwerkranke Studentin ihre Kraft?

Rosalie Renner steuert ihren PC mit einer ScanMaus und zwei MicroLight-Schaltern. Zum Schreiben nutzt sie eine Bildschirmtastatur.
Rosalie Renner steuert ihren PC mit einer ScanMaus und zwei MicroLight-Schaltern. Zum Schreiben nutzt sie eine Bildschirmtastatur.  © Eric Münch

Woher nimmt die schwerkranke Studentin diese Kraft?

"Kraft gibt mir die Gewissheit, dass es einen göttlichen Plan für jeden Einzelnen gibt und in jedem Menschen, jedem Lebewesen ein Funke Gottes steckt und wachsen möchte. Wenn sich zwischen Menschen ehrliche Liebe und Akzeptanz zeigt, dann offenbart er sich. Diese Momente geben mir Kraft und Hoffnung."

Sie träumt davon, dass immer mehr Menschen diesen Funken in sich entdecken. Rosalie Renner ist überzeugt, dass Glück und Liebe nur aus jedem selbst kommen können.

"Jeder ist einzigartig und gleichzeitig eben gleich, weil wir alle dieses Licht der Liebe und Weisheit in uns tragen. Wenn wir das begreifen und in die Welt tragen, kann diese wirklich zu einem besseren Ort werden."

Titelfoto: Eric Münch

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