Gegen den Klimawandel: So macht das Schlösserland seine Gärten zukunftsfit

Dresden - Über Jahrhunderte trotzten die historischen Gartenanlagen in Sachsen Fluten, Gesellschaftsumbrüchen und sogar Kriegen. Doch der Klimawandel stellt inzwischen eine ernste Gefahr für die Kulturdenkmale dar. Lange erfolgreich praktizierte Gartenpflege stößt an ihre Grenzen, und so versuchen die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten (SBG) neue, aber teils auch alte Wege zu beschreiten, um dem Niedergang ihrer Gärten noch rechtzeitig zu begegnen.

So schön soll der Große Garten auch in Zukunft aussehen.
So schön soll der Große Garten auch in Zukunft aussehen.  © imago/Sylvio Dittrich

"Unsere historischen Gärten sind bedeutende Denkmale und Refugien der Artenvielfalt", betont Dr. Claudius Wecke (41), Leiter der staatlichen Gärten Sachsens, die Notwendigkeit. Allein im Großen Garten würden mehr als 180 Baumarten und -sorten wachsen.

Aber: "Deren Erhalt ist bedroht und die Herausforderungen durch Wetterextreme wie Dürren, Stürme oder Starkregen sind enorm gestiegen." Dadurch würden Bäume Verbrennungsschäden und Vitalitätsverluste erleiden, Krankheitserreger und Schädlinge hätten leichteres Spiel, sodass immer häufiger auch wertvolle, alte Bäume absterben.

Wecke: "Gerade im Großen Garten haben wir zehnmal so viele abgestorbene Bäume wie in früheren Jahren." Mussten die SBG 2019 nur neun Bäume fällen, waren es 2021 bereits 185, 2022 dann 305 und 2023 sogar 390 Bäume.

West-Nil-Virus bei Pferden in Sachsen: Landkreis ruft zur Impfung auf
Sachsen West-Nil-Virus bei Pferden in Sachsen: Landkreis ruft zur Impfung auf

"Die finanzielle und personelle Belastung ist deutlich gestiegen in den letzten Jahren. Durch den Klimawandel haben wir 25 bis 30 Prozent mehr Aufwendungen", sagt Claudius Wecke, der seit knapp drei Jahren auch das bundesgeförderte Projekt "Klimawandel in historischen Gärten" für die SBG leitet und mit Fachkollegen aus Deutschland nach Auswegen aus der Misere sucht.

So werden im Großen Garten und im Schlosspark Pillnitz verschiedene Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel erprobt.

Ist-Zustand analysieren

Wissenschaftler des Instituts für Bodenkunde und Standortslehre an der TU Dresden nahmen Nadel-, Blatt- und Bodenproben. "Uns geht es auch um das Zusammenspiel, was kommt aus dem Boden oben in den Blättern an", erläutert Projektmitarbeiterin Dr. Ursula Weiß (62).

Dabei wurden häufige Baumarten wie Hainbuche oder Stiel-Eiche ausgewählt, für die es viele Vergleichswerte gibt, aber auch seltenere Arten wie Rot-Erle oder Flatter-Ulme. "Bei der Stiel-Eiche sind wir bei der zweiten Beprobung richtig erschrocken. Da war es stellenweise schwierig, überhaupt ausreichend Blattmasse für die Untersuchung zu bekommen", sagt die Expertin.

Projektmitarbeiterin Luise Hofmann (25) wird anhand der Proben nun den Ernährungszustand der Bäume analysieren. Erste Erkenntnisse: Die Böden sind extrem verdichtet und das Grundwasser befindet sich erst in sechs Metern Tiefe.

Frost, Hagel, Schädlinge, Krankheiten und nicht zuletzt Dürrezeiten haben diese Stiel-Eiche im Großen Garten stark geschädigt.
Frost, Hagel, Schädlinge, Krankheiten und nicht zuletzt Dürrezeiten haben diese Stiel-Eiche im Großen Garten stark geschädigt.  © Eric Münch

Naturverjüngung fördern

"Was natürlich und direkt am gewünschten Standort gekeimt hat, besitzt viel bessere Wachstumschancen. Wir sparen dadurch wertvolle Ressourcen bei der Entwicklungspflege. So kann bei einem naturverjüngten Baum auf die Bewässerung fast gänzlich verzichtet werden", erklärt Claudius Wecke.

Dr. Claudius Wecke (41) möchte Glanz und Gloria der historischen sächsischen Gärten bewahren.
Dr. Claudius Wecke (41) möchte Glanz und Gloria der historischen sächsischen Gärten bewahren.  © Eric Münch

Eigene Baumschulen

Um widerstandsfähigere Gehölze nachpflanzen zu können, legt die SBG im Großen Garten, in Pillnitz und Moritzburg gerade eigene Baumschulen an. "Wir werden hier gut angepasste Nachkommen aus eigenen Beständen vor Ort selektieren und vermehren.

Das wurde früher schon so gemacht", sagt Claudius Wecke. "Dadurch erwarten wir eine größere Widerstandskraft der Gehölze und haben bessere Anwuchserfolge".

Außerdem würden auf diese Weise keine Krankheitserreger von außen, wie zum Beispiel aus externen Baumschulen, eingetragen werden.

Im Großen Garten entsteht an historischer Stelle eine neue Baumschule.
Im Großen Garten entsteht an historischer Stelle eine neue Baumschule.  © Eric Münch

Klimaangepasste Gehölze

Gleichzeitig wird das Ziel verfolgt, geprüftes Saatgut und Gehölze aus vergleichbaren Klimaregionen zu beziehen. Wecke: "Das ist nicht die Mittelmeerregion, sondern geht in Richtung Balkan, Bulgarien und Kaukasus".

Dort gäbe es wie bei uns niederschlagsarme Zeiten, aber auch Frost. Schließlich werden auch neue klimaresiliente Arten ins Auge gefasst, beispielsweise Esskastanie oder Orientalische Buche.

"Diese sind sehr erfolgversprechend und für den Laien kaum von heimischen Arten zu unterscheiden", erklärt Claudius Wecke.

Projektmitarbeiter Jan Weber (44) nimmt in luftiger Höhe bei einer Hainbuche Blattproben aus der Oberkrone.
Projektmitarbeiter Jan Weber (44) nimmt in luftiger Höhe bei einer Hainbuche Blattproben aus der Oberkrone.  © privat

Kleiner pflanzen

"Viele Arten wie die Eiche, die für uns sehr wichtig sind, haben Pfahlwurzeln. Diese werden in kommerziellen Baumschulen beim Verpflanzen gekappt. Pfahlwurzeln regenerieren sich aber nicht mehr", beschreibt Wecke das Problem und fährt fort: "Wir müssen diese Pfahlwurzeln behalten, damit sie später in tieferen Schichten an Wasser gelangen können. Deshalb wollen wir künftig viel kleinere Gehölze pflanzen."

Ihre groß gepflanzten Kollegen aus externen Baumschulen holen sie schnell ein und überflügeln sie bereits nach wenigen Jahren. Dafür benötigt es jedoch mehr Schutz vor Wild und Vandalismus durch sogenannte Dreiböcke, die mit Drahtgeflecht versehen werden.

Die Parkanlagen im Großen Garten werden regelmäßig gemäht. An einigen Stellen darf das Gras aber auch wachsen, um Wurzelbereiche zu beschatten.
Die Parkanlagen im Großen Garten werden regelmäßig gemäht. An einigen Stellen darf das Gras aber auch wachsen, um Wurzelbereiche zu beschatten.  © Eric Münch

Gründüngung

Wurden verdichtete Böden im Wurzelraum besonderer Bäume bisher mittels Druckluftlanzen aufwendig gelockert, soll diese Arbeit nun eine Gründüngung mit Ackersenf, Lupine oder Ölrettich übernehmen.

"Die einjährigen Pflanzen bilden ein tiefes Wurzelwerk aus. Das lockert das Erdreich und bildet kleine Kanäle, über die Sauerstoff und Wasser in den Boden gelangen", erklärt der Experte.

Erste Versuche wurden unter den vier Bouché-Buchen am Palais ausgesät.

Die vier Bouché-Buchen am Palais wurden abgesperrt, weil hier Gründüngung ausgesät wurde.
Die vier Bouché-Buchen am Palais wurden abgesperrt, weil hier Gründüngung ausgesät wurde.  © Eric Münch

Pflanzenkohle

Hoffnungsträger ist auch eine eigene Pflanzenkohle-Anlage, die im Großen Garten entstehen soll und bis zu 12 Tonnen Pflanzenkohle pro Jahr für alle Gartenanlagen der SBG liefern soll.

"Wir haben Berge von Resthölzern, die wir bislang entsorgen lassen mussten. So können wir künftig Stoffkreisläufe schließen und wertvolle Nährstoffe in der Anlage behalten", freut sich Wecke.

Pflanzenkohle wird als Langzeitdünger eingesetzt, aktiviert das Bodenleben, verbessert die Wasserhaltefähigkeit und lagert langfristig CO₂ ein.

Dr. Wecke freut sich über aktuelle Fortschritte.
Dr. Wecke freut sich über aktuelle Fortschritte.  © Eric Münch

Natürliche Beschattung

"Bei älteren Bäumen lassen wir im Wurzelraum das Langgras bis zum Herbst stehen. Das führt dazu, dass sich der Wurzelbereich um 3 bis 5 Grad weniger aufheizt und weniger Wasser verdunstet", erklärt der Projektleiter.

Gießroboter

In Kooperation mit dem Barkhausen Institut und der Professur für Technisches Design der TU Dresden wird aktuell an zwei Prototypen für einen halbautonomen Gießroboter getüftelt.

Ein Gießroboter soll den Gärtnern schwere Arbeit abnehmen. (Symbolbild)
Ein Gießroboter soll den Gärtnern schwere Arbeit abnehmen. (Symbolbild)  © 123RF/xanthius

Diese sollen die Gärtner bei der Arbeit unterstützen, indem sie selbständig Wasser zapfen und zu vorgegebenen Punkten navigieren.

Titelfoto: Bildmontage: imago/Sylvio Dittrich, Eric Münch

Mehr zum Thema Sachsen: