Fünf Tage auf Reisen: Wie Sachsens Firmen von Indien profitieren wollen
Dresden/Tamil Nadu (Indien) - Fünf Tage weilte eine sächsische Wirtschaftsdelegation mit Minister Martin Dulig (50, SPD) im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu (80 Mio. Einwohner). Außer Spesen nix gewesen? Die Bilanz der Teilnehmer fällt einhellig aus: Das Bild, das die Deutschen von Indien im Kopf haben, braucht dringend ein Update.
Indien greift als stolze Nation nach den Sternen. Die indischen Top-Unternehmen wollen zur Weltspitze aufschließen. Deutschland ist ihr Vorbild und das Interesse an Partnerschaften und Jobs in "Germany" gewaltig.
Die Sachsen erfuhren aber auch, dass der Vielvölkerstaat vor vielen Zerreißproben steht. Die Konflikte heißen dort Nationalismus statt kultureller und religiöser Vielfalt, Nord gegen Süd, Arm gegen Reich.
Entscheidend wird auch in Zukunft sein, wie erfolgreich die große Jugendarbeitslosigkeit bekämpft und der Energiehunger klimaneutral gestillt werden kann.
Hier fünf Stimmen von sächsischen Unternehmern.
Löbauer Umwelttechnik hofft auf Absatz in Indien
"Ich bin ohne spezifische Erwartungen mit der Delegation nach Indien geflogen. Nach dieser Woche bin ich überzeugt, dass sich in diesem Land für mein Unternehmen interessante Möglichkeiten eröffnen", sagt Alexander Jakschik (41).
Der Wirtschaftsingenieur hat die Geschäftsführung der Löbauer ULT AG Umwelt- und Lufttechnik (200 Beschäftigte/produziert Filtertechnik, Entfeuchtungstechnik) 2015 mit seinem Bruder von seinem Vater übernommen.
In Indien sieht er vor allem einen Absatzmarkt. Jakschik: "Das Land besitzt weltweit die stärksten Wachstumsraten."
Der Unternehmer nutzte die Reise auch, um mit Minister Dulig ins Gespräch zu kommen. "Wir deutschen Mittelständler wünschen uns eine liberalere Wirtschaftspolitik mit weniger Dokumentationspflichten und Anreizen statt Subventionen."
Bannewitzer Firma suchte Kunden - und fand Lösungen
"Ich bin tief beeindruckt, wie sich Indien entwickelt hat", sagt Frank Seinschedt (58) von der Firma Langer EMV-Technik (50 Mitarbeiter) aus Bannewitz. Der Vertriebs-Chef ist sich sicher, dass er schon bald wieder nach Tamil Nadu zurückkehrt, um Gespräche zu vertiefen.
In den vergangenen Tagen fand Seinschedt nicht nur neue Kunden, sondern auch Lösungen für Probleme, vor denen seine Firma steht.
"Wir suchen dringend Ingenieure für die Entwicklung von elektronischen Bauteilen. Die gibt es in Deutschland kaum, aber hier. Wir werden versuchen, Mitarbeiter anzuwerben. Vorstellbar ist auch, dass wir Aufträge für Soft- und Hardware-Entwicklung nach Indien geben."
Seine Lageeinschätzung vor dem aktuellen Hintergrund laufender Debatten in Deutschland: "Die Inder sind hungrig. Und noch hinter uns. Aber nicht mehr lange, denn sie brauchen nicht so viel Zeit wie wir als Nation, sich globalen Herausforderungen zu stellen."
Kamenzer Metaller erstaunt über Qualität der Ausbildung
Peter Lucas (62) ist Vorstand der Innung Metall Kamenz. In Tamil Nadu lag sein Fokus auf der Beurteilung der Qualität der Ausbildung in den Metallberufen (Werkzeugmacher, Mechatroniker, Konstruktionsmechaniker) in Indien.
Er staunte oft: In Indien nehmen die Familien Kredite auf, um die berufliche Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren. Etwa 3000 Euro kostet eine überbetriebliche Ausbildung (3 1/2 Jahre) nach deutschem IHK-Standard. Für den Deutsch-Kurs als Vorbereitung auf eine sprachkundige Prüfung löhnen sie noch einmal etwa 1800 Euro.
Peter Lucas: "Das Niveau der Grund- sowie der Spezialausbildung war sehr gut. Die Ausstattung der Kabinette, wo Hydraulik- und Pneumatik gelehrt wurde, war beeindruckend." Eine pauschale Empfehlung zur Einstellung von Azubis aus Indien mag er aber trotzdem nicht aussprechen.
Er sagt: "Am Ende muss jeder Betrieb prüfen, ob der Bewerber auch ins bestehende Team und das Unternehmen passt. Am Ende zählt das wohl mehr als die reine Qualifikation."
Waldheimer XXL-Rührwerke werden in Indien produziert
Die Waldheimer Unternehmerin Janin Klatt-Eberle (57) ist seit 30 Jahren in Indien beruflich unterwegs. Ihre Firma baut XXL-Rührwerke für industrielle Anwendungen. "Wir fertigen die größten Rührwerke der Welt. Sie werden in Anlagen verbaut, deren Behältern fünf Meter Durchmesser und zehn Meter Höhe haben."
2023 gründete ihre Firma STC-Engineering einen eigenen Betrieb in Indien. Klatt-Eberle: "Der indische Markt ist für uns sehr interessant. Zudem wollten wir Leuten hier Arbeit geben." Perspektivisch plant die Unternehmerin, Anlagen vom Subkontinent auch nach Europa zu importieren.
Janin Klatt-Eberle: "Ich kann jedem sächsischen Unternehmen nur empfehlen, sich zu öffnen und in Indien neue Kunden und Arbeitskräfte zu suchen. Die Inder sind fleißig und kreativ und schätzen die deutschen Tugenden sehr."
Reise-Minister Dulig umschiffte Fettnäpfchen
Martin Dulig flogen in Tamil Nadu die Herzen der Inder zu, ohne dass er sich besonders anstrengen musste. Kann er Ausland? Die Gastgeber hätten dem Deutschen wohl viele Fehler verziehen, wenn er sie gemacht hätte. Hat er aber nicht.
Der Politiker umschiffte sicher Fettnäpfchen, war stets freundlich und zugewandt. Lässigkeit leistete er sich - im offiziellen Teil - nicht. Bei 37 Grad war für ihn weißes Hemd, Anzug, Krawatte Pflicht. Vorträgen und Gesprächen folgte der Sozialdemokrat aufmerksam.
Teilweise ließ er sich dabei übersetzen. Duligs Reden übertrug jedoch eine Übersetzerin in die englische Sprache.
Titelfoto: Montage: SMWA/Kristin Schmidt (2)