Helle Köpfchen unter Tage: Freiberger erfinden Bergwerk-Rettung neu
Freiberg - Es gibt nichts Neues unter der Sonne - aber unter Tage! Experten aus Freiberg haben die Erste Hilfe im Bergbau neu erfunden. Das preisgekrönte Konzept könnte bald zum deutschlandweiten Standard werden.
Wenn im Bergwerk ein Unfall geschieht, dauert es mitunter anderthalb Stunden, bis die Verletzten die Oberfläche erreichen. Erst dort können sie von den Sanitätern versorgt werden. Auf dem weiten Weg zurück ans Tageslicht müssen sich die Kumpel gegenseitig helfen.
Dafür gibt es zwar Grubenwehren. Doch deren Erste Hilfe-Ausbildung reicht nicht aus, findet Frank Reuter (33), Leiter des Grubenbetriebs im Lehrbergwerk der TU Bergakademie Freiberg.
"Bisher ist nur der 'Ersthelfer' gefordert, wie man ihn auch beim Führerschein macht", erklärt er. "Das ist für die zu erwartende Verletzungsschwere deutlich zu wenig."
Frank Reuter beriet sich mit zwei Spezialisten aus dem Kreiskrankenhaus Freiberg, Notaufnahmen-Leiter Dr. Andreas Fichtner (44) und Stationsschwester Denise Preuß (32). Gemeinsam entwickelten sie eine neue Methode für die Erste Hilfe unter Tage.
"Das Konzept deckt alle Notfälle ab, vom Knochenbruch bis zum Herz-Kreislauf-Stillstand", sagt Reuter. "Dazu haben wir die medizinische Ausrüstung komplett neu zusammengestellt und den widrigen Erfordernissen unter Tage angepasst, etwa mit einem kleineren Notfall-Rucksack."
Schulung soll Bergarbeiter zu Notfallsanitätern ausbilden
Sie entwickelten einen Lehrgang, der passgenau auf die Hilfe im Bergbau zugeschnitten ist. "Mit einer zweitägigen Schulung können Laien bei den speziellen Einsätzen unter Tage das Niveau eines Notfallsanitäters erreichen."
So lernen die Bergarbeiter etwa, wie sie Verletzte künstlich beatmen oder Medikamente per Infusion über das Knochenmark verabreichen können. Um die lange Zeit zu überbrücken, bis die Sanitäter an der Oberfläche übernehmen.
Nun erblickt das Konzept das Licht der Welt: Prämiert wurden die Forscher bereits im vergangenen Jahr mit dem Ehrenpreis der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin.
Jetzt diskutiert der Deutsche Ausschuss für das Grubenrettungswesen darüber, die Methode in sein Regelwerk aufzunehmen - dann würde es zur bundesweiten Leitlinie.
Titelfoto: Detlev Müller