Fester, dünner und leichter! Sächsische Firma stellt bruchfestes Glas aus Pökelsalz her

Freiberg - Mit Pökelsalz zum Superglas - eine kleine Firma tritt an, um einem Material neue Dimensionen zu eröffnen: "Die Technologie hat das Potenzial, den Weltmarkt auf den Kopf zu stellen. Produkte aus Glas werden damit fester, dünner und leichter", sagt Michael Heidan (59), Geschäftsführer der ReViSalt GmbH aus Freiberg.

Michael Heidan (59, l.) und Martin Groß (38) von der Firma ReViSalt begutachten an der Salzbad-Anlage zwei Versuchs-Gläser.
Michael Heidan (59, l.) und Martin Groß (38) von der Firma ReViSalt begutachten an der Salzbad-Anlage zwei Versuchs-Gläser.  © Detlev Müller

Pökelsalz, Hitze und das Wissen um den richtigen Zeitpunkt - was ein wenig nach Hexenküche klingt, ist pure Wissenschaft: Das Glas wird in geschmolzenes Kaliumnitrat (Pökelsalz) getaucht.

Im heißen Bad wandern Natrium-Ionen aus der Glasoberfläche in die Flüssigkeit. Ihren Platz nehmen dickere Kalium-Ionen aus dem Salz ein und setzen die Glasoberfläche unter Druck, was diese dichter und bruchfester werden lässt.

Die Grundlage des Verfahrens wurde bereits zu DDR-Zeiten patentiert, danach von Wissenschaftlern der TU Bergakademie Freiberg weiterentwickelt und bei ReViSalt perfektioniert.

Nach Tiermissbrauchs-Vorwurf: Wie werden Sachsens Polizeihunde ausgebildet?
Sachsen Nach Tiermissbrauchs-Vorwurf: Wie werden Sachsens Polizeihunde ausgebildet?

Statt 24 Stunden dauert die Glas-Verfestigung nur noch 30 Minuten. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig.

Thomas Voland (47) prüft an einem Analysegerät die Qualität des verfestigten Glases.
Thomas Voland (47) prüft an einem Analysegerät die Qualität des verfestigten Glases.  © Detlev Müller

Superleichtes Glas könnte bei Solarmodulen und Bierflaschen zum Einsatz kommen

An der Anlage für Pendelschlagversuche testet Martin Groß (38), bei welcher Wucht das Glas zerspringt.
An der Anlage für Pendelschlagversuche testet Martin Groß (38), bei welcher Wucht das Glas zerspringt.  © Detlev Müller

Heidan: "Glasscheiben für Solarmodule sind bisher zwei Millimeter dick, um Hagel standzuhalten. Mit unserer Technologie sind Stärken von 0,7 Millimeter möglich."

Im Mai will ReViSalt den Prototyp eines Solarmoduls mit extradünnem Glas auf der Messe Intersolar Europe in München vorstellen. "Ein Modul von rund zwei Quadratmetern ist etwa fünf Kilogramm leichter", so der Firmen-Chef.

Geringeres Gewicht ist auch bei Glasflaschen ein Thema. Aktuell entwickeln die acht Mitarbeiter eine Anlage für die Herstellung von Bierflaschen, die 50 Prozent weniger wiegen.

Schwäche der Autoindustrie trifft auch Sachsen: Immerhin bei Porsche und BMW läuft's rund!
Sachsen Schwäche der Autoindustrie trifft auch Sachsen: Immerhin bei Porsche und BMW läuft's rund!

Heidan: "Die Anlage wird direkt in den Herstellungsprozess des Flaschenproduzenten integriert."

Mittlerweile hat ReViSalt 14 weltweite Patente angemeldet und wird vom Technologiegründerfonds Sachsen unterstützt.

Schon in der DDR ein Hit

Superfeste Gläser gab es bereits zu DDR-Zeiten. Sie wurden ab 1980 in Schwepnitz in der Lausitz produziert. Rund 115 Millionen Gläser verließen im folgenden Jahrzehnt das Werk, in dem 600 Mitarbeiter arbeiteten.

Das Prinzip der Verfestigung durch Ionenaustausch hatten Chemiker in Berlin entwickelt und 1977 zum Patent angemeldet. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Produktion abgewickelt. Gläser, die nicht kaputtgehen, waren im Westen nicht gefragt. 1992 gaben die Erfinder ihr Patent auf.

Heute werden Superfest-Gläser aus der DDR im Internet für bis zu 25 Euro pro Stück gehandelt.

Titelfoto: Detlev Müller

Mehr zum Thema Freiberg: