Fördermittel fallen weg, Kommunen müssen sparen: Sind die fetten Jahre für Sachsen vorbei?
Dresden - Sachsen muss in den kommenden Jahren den Gürtel enger schnallen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Steuereinnahmen sprudeln gegenwärtig längst nicht so kräftig wie erhofft. Die Geldquellen des Freistaates in Brüssel und Berlin trocknen auf lange Sicht hin immer mehr aus. Gleichzeitig wachsen hierzulande die Ausgaben im Sozialbereich. Eine sachliche Analyse - unter dem Eindruck des Einsturzes der Dresdner Carolabrücke.
Nach der Mai-Steuerschätzung kann der sächsische Staatshaushalt 2024 Steuereinnahmen in Höhe von etwa 19,1 Milliarden Euro erwarten - das sind ungefähr 385 Millionen Euro weniger als bei der vorherigen Schätzung.
Dass die nächste Schätzung im Oktober günstiger wird, ist unwahrscheinlich. Derzeit bleiben sowohl die Steuereinnahmen als auch das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurück, berichtet das Dresdner Wirtschaftsministerium.
Die Haushaltssperre light, die der Freistaat wegen der miesen Zahlen bereits verhängt hat, bleibt darum bestehen. "Sie dient auch der Schonung der in den vergangenen Jahren deutlich reduzierten Rücklagen des Freistaates, die jedoch für künftige Handlungsspielräume gebraucht werden", so das Finanzministerium.
Am Horizont kein Licht. Während die Ausgaben (insbesondere Soziales, Personal) steigen, entwickeln sich die Einnahmen schwach.
"Die Haushaltslage des Freistaats wird auch in den kommenden Jahren angespannt bleiben", urteilt das zuständige Ministerium. Es kündigt an, dass zukünftig noch konsequenter definiert werden muss, welche Projekte samt Finanzierung Vorrang genießen.
Wird jetzt auf Kosten der Kommunen gespart?
Sachsens Städte, Gemeinden und Landkreise bereiten sich längst darauf vor, dass sie sprichwörtlich bald vom Regen in die Traufe kommen und ihre Finanzdecke noch dünner wird.
Sie beklagen unisono, dass die in den vorigen Jahren von der Staatsregierung beschlossenen Rechtsverordnungen und im Land- und Bundestag verabschiedeten Gesetze mit immer neuen kostentreibenden Standards und Leistungsansprüchen verbunden sind. Die kommunale Ebene sieht sich dabei als Verlierer, denn sie bleibt auf den Folgekosten sitzen.
"Mit den üblichen Instrumenten, die bei Finanzausgleichsverhandlungen zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel der Auflösung von Vorsorgevermögen oder der Verringerung von Zweckbindungen, ist das allein nicht mehr zu bewältigen", klagt der Chef des Sächsischen Städte- und Gemeindetags (SSG), Mischa Woitscheck (58).
"Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden macht auf erschreckende Weise deutlich, dass Deutschland von der Substanz lebt", schimpft der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebundes André Berghegger (52) und fordert eine "Investitionsoffensive Infrastruktur". Ein Blick in die Kassenbücher zeigt: Dafür fehlen schlicht die finanziellen Mittel.
Finanzbedarf für Infrastruktur-Projekte enorm
Das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) hat im Rahmen einer Befragung von Kommunen ermittelt, dass der Instandhaltungsbedarf für kommunale Straßen und Brücken in Sachsen allein für 2022 bis 2026 mehr als 1,2 Milliarden Euro beträgt.
Zusätzlich werden 2,1 Milliarden Euro für Investitionen gebraucht. Tatsächlich stehen den 418 Städten und Gemeinden im Freistaat jährlich insgesamt nur 175 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich zur Verfügung, um Straßen und Brücken in Schuss zu halten oder neu zu bauen.
Der Freistaat stellt darüber hinaus für Projekte, die in seinem Interesse sind, 20 Millionen Euro bereit. Acht Millionen davon sind gebunden an den Bau von Radwegen.
SSG-Vize Ralf Leimkühler: "Die Summen allein klingen groß. Sie relativieren sich aber rasch, wenn wann bedenkt, wie viele Kommunen mit ihren Infrastruktur-Projekten daran partizipieren wollen."
EU-Gelder dürften spärlicher fließen
Aus EU-Töpfen flossen in den vergangenen Jahrzehnten hohe Millionen-Beträge nach Sachsen. Das Land profitierte massiv davon. Kann man zukünftig auch mit so viel Unterstützung rechnen?
"Das ist unrealistisch. Dafür waren wir in der Vergangenheit zu erfolgreich bei der Akquise von Fördermitteln", sagt der frisch gewählte sächsische EU-Parlamentarier Oliver Schenk (56, CDU).
Der Ex-Chef der Staatskanzlei erklärt: "Sachsen gehörte einst zu den ärmsten Ländern Europas. Unsere Wirtschaftskraft lag bei 30 bis 35 Prozent des europäischen Durchschnitts. Heute sind wir bei 100 Prozent und darüber. Das zeigt, dass wir eine sehr europäische Region geworden sind mit einer starken Wirtschaftskraft."
Aktuell laufen in Brüssel die Debatten um die Neuverteilung der Geldströme im sogenannten mittelfristigen Finanzrahmen. Sachsens Vertreter in Brüssel setzen sich dabei dafür ein, dass der Freistaat künftig als Industrie-Cluster von europäischer Bedeutung (Chipindustrie) bei der Regionalförderung zum Zuge kommt.
Länder fürchten Einschnitte beim Bund
Im Bundestag in Berlin standen in dieser Woche der neue Haushalt und vor allem dessen Milliardenlöcher im Fokus.
Fast 490 Milliarden Euro will die Ampel-Regierung laut Gesetzentwurf im nächsten Jahr ausgeben.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (45, FDP) hatte den Entwurf am Dienstag ins Parlament eingebracht. Er plant, dass für mehr als ein Zehntel des Haushalts (genau 51,3 Milliarden) Kredite aufgenommen werden.
Mit 81 Milliarden Euro sollen die Investitionen auf Rekordniveau liegen. Die Union kritisiert die Vorlage unter anderem wegen der hohen Finanzlücke von zwölf Milliarden Euro scharf.
Das letzte Wort in Sachen Haushalt ist noch lange nicht gesprochen. Dennoch treiben die Länderchefs große Sorgen um. Sie fürchten, dass es bei Förderprogrammen des Bundes bald drastische Einschnitte geben wird.
Grund dafür sind die geplanten Kürzungen bei den Etats Gesundheit, Wirtschaft und Klimaschutz, Landwirtschaft sowie Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Diese führen dazu, dass die Lasten auf den Schultern der Länder weiter wachsen werden.
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