Faire Strafe oder Geldschneiderei? So wehrt Ihr Euch gegen die Knöllchen-Abzocke
Dresden - Parken auf dem Gehweg, bei Rot über die Ampel fahren oder zu schnell unterwegs: Flattert ein Knöllchen oder Blitzerfoto ins Haus, wird das richtig teuer. Doch des einen Leid ist des anderen Freud: So spülen Verkehrssünder jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die Kassen von Sachsens Kommunen. Doch wie wehrt man sich gegen die vermeintliche Abzocke? Tim Küchenmeister (45), Fachanwalt für Verkehrsrecht, gibt Tipps.
10,36 Millionen Euro an Verwarnungs- und Bußgeldern flossen 2023 in den Chemnitzer Haushalt. Knöllchen machten dabei 2,33 Millionen Euro und Blitzer-Bescheide 6,16 Millionen Euro aus.
13 stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtanlagen, drei vollausgestattete Messfahrzeuge und drei Enforcement Trailer, sogenannte Blitzer-Anhänger, überwachen den Verkehr. So wurden im Vorjahr nur durch die mobile Verkehrsüberwachung 145.509 Verstöße registriert.
Noch etwas mehr nimmt die Stadt Dresden ein - über 11,5 Millionen Euro waren es 2023. Ein Plus von mehr als 15 Prozent gegenüber 2022 (9,95 Mio.) und sogar von fast 97 Prozent, vergleicht man die Einnahmen mit dem Jahr 2021 (5,85 Mio.).
Geschuldet ist dies unter anderem den gestiegenen Bußgeldern seit der Reform Ende 2021. Zwei Messfahrzeuge und 25 stationäre Messanlagen brachten das Gros von fast 7,2 Millionen Euro ein.
Haupteinnahmen stammen aus Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen
Ein neuer Kassenschlager könnten auch hier die Blitzer-Anhänger werden. In einer ersten Testphase von drei Monaten (Mai-Juli) wurden 18389 Geschwindigkeitsverstöße erfasst.
Zum Vergleich: Der lukrativste stationäre Blitzer auf der Güntzstraße - hier wurde von 50 auf 30 km/h herunterreguliert - kam auf 19 470 Verstöße in zwölf Monaten.
Dass da noch mehr geht, zeigt Leipzig. 2023 nahm die Messestadt 15,2 Millionen Euro dank der Verkehrssünder ein. Auch hier fand eine Steigerung von etwa 60 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 statt.
Wie auch in Chemnitz und Dresden stammen die Haupteinnahmen von 9,3 Millionen Euro aus Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen. Dafür nutzt Leipzig 27 stationäre Blitzer, vier Enforcement Trailer, vier Messwagen und zwei Stativmesssätze.
Die lukrativsten Blitzer in Dresden - Einnahmen 2023
- Güntzstraße - 853.365 Euro
- Waldschlösschenbrücke - 647.220 Euro
- Stauffenbergallee - 382.150 Euro
- St. Petersburger Straße - 286.875 Euro
- Pillnitzer Landstraße - 283.775 Euro
Quelle: Stadt Dresden
Private Knöllchen immer häufiger
"Viele Supermärkte lassen ihre Parkplätze privat verwalten. Wer die Parkuhr nicht auslegt oder die Parkzeit überschreitet, muss eine Vertragsstrafe bezahlen, meistens 30 oder 40 Euro. Das wird rigoros durchgesetzt", erklärt der Dresdner Anwalt.
Gerichtlich würden die Forderungen zwar nur vereinzelt durchgesetzt. "Aber man bekommt viele Mahn- und Inkassoschreiben. Wer seine Ruhe haben will, der sollte bezahlen."
Und sich beim Supermarkt beschweren. "Wenn es genug Leute machen, dann ändert sich vielleicht die Praxis wieder."
Achtung: Gleiches Recht für E-Scooter
Alkoholisiert mit dem E-Scooter schnell nach Hause düsen? Keine gute Idee! "Vor allem junge Leute fahren mit E-Scootern und unterschätzen, was passiert, wenn man mit Alkohol erwischt wird", warnt Tim Küchenmeister.
Denn für Elektroroller gelten dieselben Promillegrenzen wie bei Moped, Motorrad und Auto. So drohen ab 0,5 Promille (ohne Gefährdung) über 500 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
Ab 1,1 Promille im Blut ist der Führerschein weg, es gibt drei Punkte und eine saftige Geld- oder Freiheitsstrafe obendrauf.
Tipps vom Anwalt
"Grundsätzlich sollte man Bußgeldbescheide prüfen lassen, wenn es um Punkte oder Fahrverbote geht. Da bei acht Punkten die Fahrerlaubnis weg ist, ist der Kampf um jeden Punkt sinnvoll", rät Tim Küchenmeister, Fachanwalt in der Kanzlei "Kaden, Küchenmeister, Modschiedler" in Dresden. Er empfiehlt:
Nicht zum Verfahren äußern!
"Wer einen Anhörungsbogen erhält, sollte sich keinesfalls äußern, sondern Akteneinsicht nehmen. Man kann sich dabei um Kopf und Kragen reden und das Ganze noch schlimmer machen", erklärt Küchenmeister.
Akteneinsicht erhalten in der Regel nur Anwälte. Gut beraten ist also jeder, der eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung hat. Aber: "Parkverstöße sind in der Regel kostenmäßig nicht abgedeckt, weil der Aufwand und die Kosten unverhältnismäßig sind."
Fristen beachten!
Nach der ersten Anhörung bekommt man eine zweite Anhörung, die den Bußgeldbescheid enthält. Dieser muss spätestens drei Monate nach der ersten Anhörung ergehen, andernfalls verjährt das Verfahren.
Küchenmeister: "Wenn man das Bußgeld nicht akzeptieren möchte, muss man innerhalb von 14 Tagen schriftlich Einspruch einlegen".
Erfolgs-Chancen abwägen
"Die Messsysteme werden immer besser. Die Laser- und Lichtschrankmessverfahren sind sehr zuverlässig. Richtige Messfehler treten da selten auf", erklärt der Fachanwalt. Hoffnungslos sei es dennoch nicht. "Manchmal sind die Geräte nicht geeicht. Dann gibt es Verjährungsfristen, die nicht immer eingehalten werden", zählt er auf.
"Und aktuell gibt es eine Schwachstelle bei einer Laserpistole. Da gab es Feststellungen, dass bis 3 km/h falsch angezeigt werden, sogar bei stehenden Objekten." Die Rede ist vom Laserhandmessgerät LTI 20/20 TruSpeed, das auch in Sachsen zum Einsatz kommt. "Mit einer gültigen Eichung am Tattag entspricht das Messgerät den Forderungen an eine amtliche Messung", heißt es dazu aus dem Sächsischen Innenministerium.
Wenn der Halter nicht der Fahrer ist:
"Wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann, der das Auto falsch abgeparkt hat, wird das Bußgeldverfahren eingestellt. Stattdessen ergeht ein Kostenbescheid über 23,50 Euro. In einigen Fällen kann das günstiger sein", meint Tim Küchenmeister. Wurde man hingegen geblitzt und der Fahrer war nicht der Halter, erhält letzterer eine Zeugenanhörung. "Grundsätzlich ist der Halter verpflichtet, Angaben zum Fahrer zu machen", sagt der Fachanwalt.
Aber: "Gegenüber Familienangehörigen kann man sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen." Bei gravierenden Verstößen könne dann die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden. Das sei aber selten der Fall.
Titelfoto: Bildmontage: IMAGO/Bihlmayerfotografie, 123RF/domenicogelermo