Ex-Innenminister Heinz Eggert: "Politiker sind gewählt, aber nicht auserwählt!"

Dresden - Er war - neben dem legendären Ministerpräsidenten "König" Kurt Biedenkopf (†91) - einer der markantesten Kabinetts-Köpfe in Sachsens Staatsregierung: Heinz Eggert (77), Innenminister von 1991 bis 1994. Vor vierzehn Jahren stieg er endgültig aus der Politik aus, lebt zurückgezogen im beschaulichen Oybin im sächsischen Dreiländereck.

Heinz Eggert (77) bei seiner Festrede. Er geht scharf mit jenen ins Gericht, die knapp 34 Jahre nach dem Mauerfall das einstige SED-Regime verharmlosen.
Heinz Eggert (77) bei seiner Festrede. Er geht scharf mit jenen ins Gericht, die knapp 34 Jahre nach dem Mauerfall das einstige SED-Regime verharmlosen.  © Eric Münch

Am gestrigen Dienstag betrat er noch einmal die landespolitische Bühne - und hielt im Landtag zum 33. Tag der Deutschen Einheit die vielleicht wichtigste Rede seines Lebens.

Eggerts Vorredner sagten zum Anlass zunächst das zu Erwartende: Landtagspräsident Matthias Rößler (68, CDU) warnte davor, aus Unzufriedenheit den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat infrage zu stellen.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU) feierte das "geschichtliche Wunder" und das "Ende der Block-Konfrontation in einem geeinten Europa".

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Und dann sprach Eggert.

"Vergangenheit ist der Prolog. Und Geschichte setzt sich immer aus Geschichten zusammen", beginnt das Urgestein der sächsischen Politik seine Festrede und fliegt in seinen Gedanken zurück in den Oktober 1989.

Am 40. Jahrestag der Republik lud Eggert als aufmüpfiger Pfarrer zu einem Erntedank-Konzert in die Oybiner Kirche ein.

Michael Kretschmer (48, CDU) bei seiner Rede im Landtag.
Michael Kretschmer (48, CDU) bei seiner Rede im Landtag.  © Eric Münch

Heinz Eggert im Landtag: "Geschichte ereignet sich auch in jenem winzigen Moment"

Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und sein Innenminister Heinz Eggert (beide CDU) 1992 im Landtag. Als Eggert sich aus der Politik zurückzog, bedauerte das Biedenkopf sehr.
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und sein Innenminister Heinz Eggert (beide CDU) 1992 im Landtag. Als Eggert sich aus der Politik zurückzog, bedauerte das Biedenkopf sehr.  © picture-alliance/ZB

Eggerts persönliche Erinnerungen ziehen seine Zuhörer in den Bann: In Zittauer Kirchen finden im heißen Herbst '89 Versammlungen des Neuen Forums statt. Im Wald stehen Kinderwagen, die Republikflüchtlinge zurückgelassen haben. Die Staatsmacht lässt die Muskeln spielen. Stasi-Spitzel machen Überstunden. Während einige Bürger brav kollaborieren, demonstrieren andere mutig.

"Geschichte ereignet sich auch in jenem winzigen Moment, wenn der Einzelne sich aus seiner Sofaecke erhebt", erklärt Eggert tiefsinnig.

Er mahnt die anwesenden Entscheider: "Deshalb achtet immer die Provinz. Vieles, was später politisch im Großen geschieht, nimmt hier im Kleinen seinen Anfang."

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Der Sprung aus der Vergangenheit in die Gegenwart gelingt ihm mühelos.

Eggert findet es - ohne die AfD beim Namen zu nennen - übel, dass sich Leute heute "das Hemd eines Widerstandskämpfers anziehen", während sie auf Demonstrationen die krudesten Ideen präsentieren und dabei von der Polizei beschützt werden. Das könnten sich "diese Rufer von heute in anderen Diktaturen verdienen, wo die Polizei prügelt und die Gefängnisse voller werden; nur zu, die Welt ist offen."

In Richtung der anwesenden Abgeordneten aber ruft er: "Politiker sind gewählt, aber nicht auserwählt."

Titelfoto: Eric Münch

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