EU pumpt Millionen in die Lausitz: So wollen diese Firmen profitieren
Lausitz - Und was kommt danach? Diese bange Frage stellen europaweit viele Menschen, wenn sie etwa an den Ausstieg aus der Kohleförderung und den damit einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen denken. Die Europäische Union hat mit dem Just Transition Fund (JTF) ein Förderprogramm aufgelegt, das den Strukturwandel begleiten und dessen negative Folgen puffern soll. Auch sächsische Regionen profitieren davon. Wohin die Brüsseler Millionen fließen, zeigen hier drei Beispiele aus der Oberlausitz.
Hochtrabende Pläne sind jetzt bezahlbar
Alexander Knappe (25) klopft auf Holz. "Toi! Toi! Toi! Zum Glück habe ich mir bei der Arbeit noch nie etwas gebrochen", sagt der Stuntmen und grinst. Er und sein Bruder Stefan lieben Aktion und Pferde. Zusammen führen sie in Herrnhut und Großschönau die Geschäfte der Firma "Awego" fort, die 1991 von ihrem Vater und einem Onkel gegründet wurde.
Alexander Knappe: "Unsere Spezialität sind Stunts mit und ohne Pferde. Nicht nur Schauspieler kommen zu uns, um das Reiten und den Umgang mit Pferden zu erlernen."
Das Brüderpaar bildet Regisseure sowie Kameraleute fort und Stuntpferde aus. Die Tiere werden bei Filmaufnahmen oder in Theater- und Festival-Produktionen eingesetzt. Ein Beispiel: Das Pferd Amadeus in dem Kinder-Kino-Film "Bibi und Tina - Einfach anders" stammt aus der Oberlausitz. Bei Familie Knappe hört der Vollblüter auf den Namen "Sandkorn".
"Wir besitzen insgesamt 19 Pferde und wollen unser Angebot als Betrieb erweitern und insgesamt etwa 150.000 Euro investieren", berichtet der Stuntmen.
Das Geld soll unter anderem für den Umbau einer Scheune zur Reithalle, den Ausbau von Seminarräumen für Workshops sowie die Anschaffung einer Solaranlage genutzt werden.
Knappe dankbar: "Ohne die 70-prozentige EU-Förderung wäre das alles für uns nicht finanzierbar."
Die Rückkehr der Zeppeline
"Wir leben unseren Traum dank der Fördermittel aus dem JTF-Fonds", sagt Oskar Meyer (25). Sein Bruder Ferdinand (23), der neben ihm sitzt, nickt und ergänzt: "Wir träumen von einer emissionsfreien Luftfahrt. Dafür wollen wir eine neue Generation von Luftschiffen entwickeln und arbeiten Vollzeit an der Umsetzung unserer Ideen."
Für die Gründung ihres Zeppelin-Start-ups sind die beiden Brüder von Dresden nach Zittau gezogen.
Sie loben die Stadt im Dreiländereck sehr. Sie kommen dort nicht nur in den Genuss der üppigen Struktur-Förderung, sondern finden da auch günstige Mieten, gute Forschungsbedingungen sowie kooperative Behörden.
Die Brüder möchten Luftschiffe mit einer starren Außenhülle bauen. Diese Zeppeline sollen elektrisch angetrieben werden. Ihr Konzept sieht vor, dass der Strom für den Antrieb von Solarzellen auf der Außenhaut des Zeppelins bereitgestellt wird. "Die Patentanmeldung für unser Antriebskonzept läuft", berichtet Oskar Meyer.
Die jungen Männer haben einen Stufenplan. Im ersten Schritt wollen sie bis zum Frühjahr einen zehn Meter langen Zeppelin als Prototyp bauen und zur Zulassung (als Drohne) bringen. Wenn alles gut läuft, bauen sie in ein paar Jahren mithilfe von Investoren riesengroße Zeppeline für Transportflüge und komfortable "Kreuzfahrtschiffe der Lüfte".
Oskar und Ferdinand Meyer brennen für ihre Idee. Nachfragen von Zweiflern beantworten sie geduldig, getreu ihrem Motto: Gegenwind gibt uns Auftrieb.
Bäcker muss keine kleinen Brötchen mehr backen
"Welches Brot darf es sein?", fragt Bäckermeister Jörg Schütze (34) und dreht sich um zum Regal, wo die frischen Laibe liegen. Die Kundin grübelt, so verlockend schauen die Backwaren aus. Sie entscheidet sich schließlich für ein Dinkel-Blütenbrot - allein sein Anblick ist ein Augenschmaus. Gut gelaunt verlässt die Frau die Filiale der Bäckerei Drechsel im Löbauer Edeka-Markt an der Hartmannstraße.
"Diese Filiale konnte ich dank der JTF-Mittel bauen", sagt Schütze. Ihm gehört seit 2017 die Bäckerei Drechsel. Er beschäftigt 80 Mitarbeiter. Sein Team bewirtschaftet insgesamt elf Geschäfte und Filialen im Oberland zwischen Zittau, Bautzen und Löbau. Schütze nutzte bereits mehrmals Mittel aus dem Fonds, um sein Geschäft auszubauen und Technik anzuschaffen.
Allein diese Filiale im neuen Edeka-Markt kostete den Bäcker 220.000 Euro. Lediglich 30 Prozent davon musste er selbst aufbringen. Schütze: "Bei der Beantragung der Fördermittel hat mir ein Betriebsberater geholfen." Den nächsten Förderantrag hat er schon eingereicht. Mithilfe von JTF-Geldern möchte er eine Brot- und Brötchenmaschine anschaffen. Kostenpunkt: 250.000 Euro.
Jörg Schütze: "Für mich ist die Förderung enorm wichtig. 2017 habe ich mich für viel Geld in das Unternehmen eingekauft. Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, brauche ich jetzt die Förderung."
645 Millionen Euro fließen nach Sachsen
Die EU stellt in der Förderperiode 2021 bis 2027 insgesamt 19 Milliarden Euro für den Just Transition Fund (JTF) bereit.
Das erklärte politische Ziel bei der Gründung des Fonds war es, Regionen und Menschen in die Lage zu versetzen, die "Auswirkungen des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu bewältigen".
Die Bundesrepublik ist nach Polen der zweitgrößte Empfänger von JTF-Fördermitteln. Etwa 2,5 Milliarden Euro fließen nach Deutschland ab. Davon wiederum werden 645 Millionen Euro nach Sachsen weitergeleitet in die JTF-Fördergebiete: Lausitzer Revier, Mitteldeutsches Revier sowie die Stadt Chemnitz.
Aktuell wurde in Sachsen für 415 Projekte eine JTF-Förderung bewilligt. Das Gros der Projekte hatten kleine und mittelständische Unternehmen (bewilligte Mittel: 37,61 Mio. Euro), Start-ups (9,99 Mio. Euro), Großunternehmen (58,09 Mio. Euro) sowie Forschende (39,79 Mio. Euro) eingereicht.
Titelfoto: MOntage: dpa/Monika Skolimowska, Thomas Türpe