Etliche Projekte liegen auf Eis: Macht das Sondervermögen dem Bahnausbau in Sachsen Dampf?

Dresden - Kommt der Zug noch oder ist er schon abgefahren? In Ostsachsen fragen sich das viele, denn in der Region gibt es diverse Großbau-Projekte, die scheinbar aufs Abstellgleis geschoben wurden und seit Jahren auf ihre Realisierung warten. Vor allem im vergangenen Bundestagswahlkampf wurden nun wieder Hoffnungen geschürt. Das in Rede stehende Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen könnte bestehende Bremsen lösen bei der Elektrifizierung der Strecke Dresden - Görlitz.

Eine Regionalbahn aus Wroclaw (Polen) rollt am 2014 über den Neiße-Viadukt. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wurde damals die Strecke wieder freigegeben.
Eine Regionalbahn aus Wroclaw (Polen) rollt am 2014 über den Neiße-Viadukt. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wurde damals die Strecke wieder freigegeben.  © DPA/Jens Trenkler

Die Elektrifizierung der gesamten Strecke Dresden - Görlitz war bereits zu DDR-Zeiten Thema.

Die Reichsbahn (DR) hatte die Pläne dafür fertig. Das Projekt sollte in den 1990er-Jahren umgesetzt werden.

Nun erklärt dazu das neue Sächsische Infrastrukturministerium (SMIL): "Der Freistaat Sachsen verhandelt und fordert bereits seit mehr als zehn Jahren gegenüber dem Bund die Aufnahme des Projektes in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP)."

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Diese Strecken-Elektrifizierung genießt in Sachsen mit die höchste Priorität. "Selbstverständlich wird Sachsen auch mit der künftigen Bundesregierung in Kontakt treten, um die dringende Notwendigkeit einer elektrifizierten Schienenverbindung zwischen Dresden und Görlitz auch weiterhin eindringlich darzustellen", sagt eine SMIL-Sprecherin.

Allerdings: Der Bund sieht bis heute seinerseits keine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, das Projekt in Angriff zu nehmen. Die Bahn teilt mit: "Bei der DB ist derzeit kein Projekt in Bearbeitung, das die Elektrifizierung der gesamten Strecke Dresden - Görlitz zum Ziel hat."

SachsenEnergie-Chef sicher: "Wären schneller und kostengünstiger als die Bahn"

Dr. Frank Brinkmann (58) von der SachsenEnergie AG würde gern die Bahn in Ostsachsen mit Strom versorgen.
Dr. Frank Brinkmann (58) von der SachsenEnergie AG würde gern die Bahn in Ostsachsen mit Strom versorgen.  © SachsenEnergie/Killig

Dass es trotzdem Planungsunterlagen für Teilstücke gibt, liegt am Einsatz des Freistaates.

Sachsen ging dafür mit inzwischen fast 20 Millionen Euro in Vorleistung. Vorplanungen bestehen gegenwärtig für den Ostabschnitt Demitz-Thumitz - Bautzen - Görlitz. Für den Westabschnitt zwischen Dresden - Bischofswerda - Demitz-Thumitz erfolgt gegenwärtig im Auftrag und finanziert durch den Freistaat Sachsen die Entwurfsplanung.

Nach DB-Angaben visiert man im Westabschnitt den Abschluss der Baumaßnahmen Ende 2031 an.

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Frank Brinkmann (58) würde als Vorstands-Chef der SachsenEnergie AG dieser Strecken-Elektrifizierung gern Beine machen. Der Chef von Ostdeutschlands größtem kommunalen Energieversorger hat angeboten, dass sein Unternehmen Aufgaben bei der Elektrifizierung übernimmt.

"Wir wären dabei schneller und kostengünstiger als die Bahn", ist Brinkmann sicher. Er sieht viele Vorteile darin, wenn Strom von regionalen Wind- und Solarparks in das Bahnnetz eingespeist werden würde.

Auch Fahrgastverband PRO BAHN übt Kritik an Bahn-Plänen

Die Länderbahn trilex verbindet heute die Städte Dresden - Görlitz - Zgorzelec.
Die Länderbahn trilex verbindet heute die Städte Dresden - Görlitz - Zgorzelec.  © imago images/lausitznews.de

Die DB hat seit 2016 mehrere Varianten für die Bahnstromversorgung untersucht.

Die SachsenEnergie-Vorschläge wurden dabei mitbetrachtet, aber schlussendlich beiseitegeschoben. Demnach ergaben Vergleiche, dass die DB-eigene Bahnstromversorgung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht und unter nachhaltigen Aspekten zu bevorzugen ist.

Ingo Koschenz ärgert sich sehr, dass die Bundespolitik kein Interesse daran hat, diese Bahnanbindung Ostsachsens zu verbessern. Der Referent für Osteuropaverkehr des PRO-BAHN-Bundesverbandes, Co-Sprecher der Regionalgruppe Ostsachsen und Sprecher der Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) sagt: "Alle Bundesregierungen - egal von welcher Farbe - setzten ungeachtet der internationalen Bedeutung dieser Strecke ihre Prioritäten aber woanders."

Das Argument der "Unwirtschaftlichkeit" bringt ihn in Rage: "Diese Unwirtschaftlichkeit wurde erst geschaffen, weil natürlich die Menschen in der Region 'abgehängt' wurden und die Region dadurch unattraktiver für Zuzügler wurde. Welche Unternehmen und welche Einwohner ziehen in Regionen, aus denen man nicht hin- und wegkommt?"

Der Bahnexperte sieht, dass die Bundesebene Grenzräume wie die Oberlausitz in den letzten Jahren aus dem Blick verloren hat.

Koschenz: "Nach Polen sind beispielsweise nur zwei Strecken insgesamt unter Fahrdraht - eine dritte ist immerhin im Bau." Nach Tschechien gibt es nur einen einzigen elektrisch betriebenen Grenzübergang. Der liegt im Elbtal und ist vollkommen überlastet.

Michael Kretschmer hofft auf das Infrastruktur-Sondervermögen

Arbeiter bereiten die Montage einer Oberleitung vor. Was die Gesamtelektrifizierung der Strecke Dresden - Görlitz kostet, kann die DB gegenwärtig nicht beziffern.
Arbeiter bereiten die Montage einer Oberleitung vor. Was die Gesamtelektrifizierung der Strecke Dresden - Görlitz kostet, kann die DB gegenwärtig nicht beziffern.  © IMAGO/Zoonar

Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (49, CDU) setzt nun große Hoffnungen auf das Infrastruktur-Sondervermögen, das gegenwärtig im Bundestag verhandelt wird.

Er hätte ein Ass im Ärmel, wenn es um die Verteilung der Mittel geht. Vor der Bundestagswahl konnte er CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69) davon überzeugen, dass die künftige Regierung großes Augenmerk auf vernünftige und gute Verkehrsverbindungen nach Polen und Tschechien legt.

Zusammen mit den Regierungen von Polen und Tschechien soll eine Liste erstellt werden mit den wichtigsten grenzüberschreitenden Bahnverbindungen. Deren Ertüchtigung soll notfalls neben dem Bundesverkehrswegeplan finanziert werden.

Zumindest in Görlitz tut sich ein wenig

Wann fahren wieder internationale Fernzüge über Dresden-Hauptbahnhof und Görlitz nach Polen?
Wann fahren wieder internationale Fernzüge über Dresden-Hauptbahnhof und Görlitz nach Polen?  © Sebastian Kahnert/dpa

Ein weiteres Politikum in der Oberlausitz ist die Elektrifizierung des Strecken-Abschnittes von Görlitz hin zur polnischen Grenze.

Die Oberleitung aus polnischer Richtung endet gegenwärtig kurz vor der deutsch-polnischen Staatsgrenze auf dem Neißeviadukt. Immerhin: Nach jahrelangem Zaudern tut sich da was.

"Wir elektrifizieren im Görlitzer Bahnhof die Gleise 3 und 4 sowie die Streckengleise Richtung Polen mit dem polnischen Bahnstromsystem. Dadurch ermöglichen wir die elektrische Ein- und Ausfahrt von Zügen aus Polen in den Bahnhof Görlitz", teilt die Bahn mit. Für die erste Baustufe im Bahnhof Görlitz liegt ein Planfeststellungsbeschluss und damit auch die Baugenehmigung vor.

Die DB begann bereits mit den Bauvorbereitungen für den Aufbau der Oberleitungsanlagen und den Neubau der beiden Gleise. Aktuell werden die Ausführungsplanungen erstellt, Bauleistungen ausgeschrieben. "Der Baustart für die Elektrifizierung ist im Spätsommer geplant", so ein DB-Sprecher. Sachsen finanziert die Maßnahmen mit, nutzt dafür Struktur-Mittel aus dem Kohle-Topf.

Wasser in den Wein muss Ingo Koschenz von PRO BAHN trotzdem schütten. Der Görlitzer Neißeviadukt wurde schon zwischen 1923 und 1946 elektrisch befahren! Koschenz: "Wir hätten uns gewünscht, dass die Reelektrifizierung bereits mit der Elektrifizierung der polnischen Strecke Wegliniec - Zgorzelec im Dezember 2019 umgesetzt worden wäre." Die polnische Bahn hatte damals "unbürokratisch" angeboten, die fehlenden 800 Meter in den Görlitzer Hauptbahnhof hinein mit umzusetzen.

"Die jetzige Situation ist betrieblich suboptimal. Zgorzelec eignet sich anders als der Görlitzer Hauptbahnhof nicht als Umsteigestation. Teilweise müssen die Verkehrsunternehmen Pendelfahrten zur jeweiligen Anschlusssicherung zwischen Görlitz und Zgorzelec einlegen", so der Experte. Er fordert, dass spätestens im Dezember 2026 wieder Fahrdraht im Görlitzer Hauptbahnhof hängt.

Titelfoto: Montage: dpa/Jens Trenkler, IMAGO/Zoonar

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