Kaltblütiger Mord im Erzgebirge: Wissenschaftler klären brutales Verbrechen auf
Annaberg-Buchholz - Auftragskiller im Erzgebirge: Ein spektakulärer Mordfall aus der Annaberger Geschichte beschäftigt derzeit Dresdner Wissenschaftler. Bei den Ausgrabungen auf dem Areal des alten Franziskanerklosters stießen sie auf das Skelett eines Mannes, der eindeutig keines natürlichen Todes starb!
Experten des Sächsischen Landesamtes für Archäologie haben bereits in den vergangenen beiden Jahren mehr als 10.000 Fundstücke auf dem Gelände finden und ausgraben können. Bereits während der archäologischen Arbeiten fanden die Wissenschaftler an Gräbern des alten Klosters Hinweise auf einen spektakulären Mord, der sich im Jahre 1514 ereignet haben soll.
Gemeinsam mit der Berliner Anthropologin Bettina Jungklaus rekonstruierten die sächsischen Experten die Bestattung des Mordopfers. Das mehr als 500 Jahre alte Skelett weist am Hinterkopf ganz klare Spuren einer Gewalttat auf. Das Opfer, ein damals etwa 57 bis 67 Jahre alter Mann, war gut 1,65 Meter groß.
"Durch intensive historische Recherchen stellte sich heraus, dass es sich bei dem Erschlagenen nur um den Kaufmann Johann Wengemeyer handeln kann, der laut den Annaberger Gerichtsakten im Mai 1514 ermordet worden war und in der Franziskanerkirche bestattet wurde", sagt Annaberg Stadtsprecher Matthias Förster (61) über die Arbeiten der Archäologen und der Anthropologin.
"Der wohlhabende Unternehmer stammte aus dem oberdeutschen Gebiet und hielt sich mit seiner Frau Barbara damals in der florierenden Bergstadt Annaberg auf." Selbst die Mörder konnten die Wissenschaftler finden.
"Die Akten und der Skelettfund geben Zeugnis von einem Gewaltverbrechen, das alle Zutaten zu einem Thriller hat,“ erklärt Christiane Hemker, Referatsleiterin Südwest-Sachsen im Landesamt für Archäologie. Gleich zwei Männer haben sich des Mordes an dem Geschäftsmann schuldig gemacht.
Wiwolt Tiermann und sein Geselle Hensel Unger aus Nürnberg wurden bereits kurz nach ihrer grausamen Tat geschnappt. Sie gestanden schnell. Ihre Mordwaffe: Eine Axt.
"Tiermann soll von dem reichen Nürnberger Patrizier Andreas Tucher über Mittelsmänner gedungen worden sein, Wengemeyer zu töten", so Matthias Förster. "Dafür wurde ihm die enorme Summe von 400 Gulden in Aussicht gestellt, was dem achtfachen Jahreseinkommen eines damaligen Handwerkers entsprach." Sie waren also gefährliche Auftragskiller!
Die beiden Mörder gaben an, Wengemeyer in der Klostergasse erschlagen zu haben. Regina Smolnik, die Landesarchäologin des Freistaates Sachsen sagt: "Wir verdanken es der Kombination verschiedener Fachdisziplinen, dass wir uns dem Rätsel um diesen außergewöhnlichen archäologischen Fund nähern konnten." Auf Mord stand die Todesstrafe, im Falle der beiden Auftragskiller wurde diese durch Rädern vollstreckt.
In den nächsten Jahren wird am Standort des ehemaligen Franziskanerklosters im Auftrag des Freistaates Sachsen das zentrale Finanzamt des Erzgebirgskreises gebaut. Nach der Fertigstellung ist geplant, einige ausgewählte Artefakte aus den Grabungen in Annaberg-Buchholz zu zeigen.
Titelfoto: Sebastian Paul