Erzgebirgs-Jäger schießen gegen den Sachsenforst
Marienberg - Die Jäger des Forstbezirks Marienberg im Erzgebirge sind mit ihrem Latein am Ende. Sie sollen mehr Rotwild schießen, viel mehr als jetzt schon und eventuell sogar viel früher als erlaubt. Ihr Gegenspieler: ausgerechnet der staatliche Sachsenforst.
Wilhelm Bernstein (68) hat keine Angst vor großen Tieren. Als Jäger nicht im Wald, aber auch nicht, wenn es um die Konfrontation mit Mächtigen geht. Schließlich war er lange Manager für Sicherheit in VW-Fabriken weltweit.
Doch was da gerade vom Sachsenforst aus Pirna-Graupa anrollt, macht ihn ratlos.
Er und seine Vorstandskollegen im Landesjagdverband befürchten ein "Massenschlachten", das sie im Staats-Auftrag durchführen sollen. Entgegen vieler Jagdregeln. Und vor allem bereits ab April statt erst, wie erlaubt, August.
"Offensichtlich werden hier einseitig Strategien zulasten unseres heimischen Rotwildes entwickelt - und das, ohne den Oberen Landes-Jagdbeirat und den erzgebirgischen Jagdbeirat im Vorfeld darüber auch nur zu informieren", so Bernstein. Er vermutet dahinter eine "forstliche Ideologie, dass Waldbau vor dem Wild und seinem Lebensraum steht".
Wald leidet unter Verbissschäden
Falsch, heißt es aus dem Sachsenforst. Schonzeit bleibe Schonzeit. Aber gerade im Forstbezirk Marienberg leide der junge Wald unter immensen Verbissschäden durch Rotwild. Dabei sei es - Stichwort Klimawandel - dringend, den Waldumbau schnell hinzubekommen.
Der Rotwildbestand jedoch sei aktuell viermal höher als normal. Sachsenforst sei mithin "rechtlich und gesellschaftlich" zum Handeln verpflichtet, heißt es auf Anfrage.
"Aus diesen Gründen wird im Forstbezirk im Rahmen eines am 1. April beginnenden Projektes geprüft, inwieweit die Aufgabenerfüllung durch jagdorganisatorische Anpassungen wirksam verbessert werden kann. Das Projekt ist bis zum 31. März 2025 befristet", so Sachsenforst-Sprecher Renke Coordes. Alle Gremien, die es angehe, seien einbezogen.
Bernstein vermutet: Das "Projekt" ist der frühe Start zur Massenjagd durch die Hintertür.
Titelfoto: Andreas Franke/Profuturadesign, Kristin Schmidt, Jan Woitas/dpa