Dieser Sachse war einst bei der Kripo, nun ist er Deutschlands oberster Alpaka-Züchter
Oberwiesenthal - Zu DDR-Zeiten war Fritz-Jürgen Hieke (71) bei der Kriminalpolizei, musste Spuren an Tatorten sichern - ein Job, der an die Nieren geht. Heute löst der Oberwiesenthaler eher flauschige Felle, besser gesagt nur die Vliese, und zwar vom Rücken seiner rund 80 Alpakas.
Hieke und seine Partnerin züchten die drolligen Tiere schon seit Jahren selbst. Außerdem ist er auch Präsident des "Alpaka Zucht Verbands Deutschland", vertritt damit etwa 550 Gleichgesinnte. Nicht eine Minute, beteuert der witzige Kumpeltyp, habe er seinen Jobwechsel je bereut.
Eher aus Mangel an Alternativen war Hieke in den späten Siebzigern in den Polizei-Job geschlittert. "Nach der Armeezeit merkte ich, dass es im Erzgebirge nicht viel zu verdienen gab", erinnert Fritz-Jürgen Hieke sich. Ausnahme: die Polizei.
Der sportliche Bursche absolvierte eine Ausbildung zum Kriminaltechniker in Aschersleben, bekam danach Arbeit im Annaberger Revier. "Wir ermittelten bei Diebstählen, mussten aber auch zu Morden raus", denkt Hieke mit leichtem Schaudern zurück.
Kindstötungen und Suizide in der Vorweihnachtszeit sind ihm bis heute ungut im Gedächtnis geblieben. Ihm setzte das zu. Ein paar Jahre vor der Wende legte er fest: Das ist nicht mein Ding. Und er ging!
Die nächsten Jahre waren nicht leicht, verschiedene Jobs wechselten sich ab, eine schwere Krankheit kam auch noch dazu. Erst 2004 nahm das Schicksal eine Wende - und die hatte natürlich mit einem Alpaka zu tun.
Paar aus dem Erzgebirge verliebte sich in Alpakas
Hiekes Partnerin Romy Schmidt (58) hatte damals in der Chemnitzer Morgenpost das Foto eines Alpakas gesehen, war sofort schockverliebt. "Ich rief die Telefonauskunft an, ließ mich mit einem Züchter verbinden", denkt sie lachend zurück.
Ein Treff wurde vereinbart, bei dem Romy und Fritz-Jürgen zum ersten Mal Alpakas live und in voller Größe erlebten. "Da liefen mir die Tränen und wir haben gleich ein paar Tiere bestellt", sagt Romy Schmidt. Für das Paar aus O'thal war dies nicht weniger als der Beginn eines ganz neuen Lebens.
Fortan wurde gezüchtet, immer im Hinblick auf die Qualität des Vlieses, also des Fells. Je besser die ist, umso höher der Preis, den man für Jungtiere erzielen kann. Und umso besser die Produkte, die aus den Haaren der Vierbeiner hergestellt werden.
Einiges strickt Romy Schmidt sogar selbst: "Mützen etwa, aber auch Strümpfe und Stirnbänder." Für größere Sachen wie Pullover oder Bettzeug hat das Paar dagegen Verträge mit Manufakturen aus Deutschland abgeschlossen. Dorthin wird die Alpakawolle geliefert, und von dort kommen die fertigen Produkte zurück - um dann im Oberwiesenthaler Hofladen oder online Käufer zu finden.
"Man kann gut davon leben", verrät Fritz-Jürgen Hieke, der allerdings auch zehn Jahre lang keinen echten Urlaub mehr gemacht hat. "Damals ging es zu den Alpakas nach Peru", lacht er. Abschalten geht irgendwie anders.
Bei einem Kriminal-Fall schaltete sich Fritz-Jürgen Hieke neulich ein
An seine Zeit als Kriminaltechniker bei der Kripo denkt der Erzgebirger kaum noch zurück. Außer neulich mal: Als Präsident der Alpaka-Züchter wurde ihm berichtet, dass im Westen zwei Tiere erst gestohlen, dann unweit vom heimischen Stall ausgeweidet aufgefunden wurden.
Offenbar waren sie des Fleisches wegen getötet worden - ein Frevel! "Da habe ich mich in die Ermittlungen eingeschaltet", sagt Hieke. "Gut möglich, dass die Täter bald schon gefasst werden." In seinem Verband (der größte Europas!) hat er übrigens die Satzung so geändert, dass nur Mitglied werden kann, wer die Alpakas nicht des Fleisches wegen züchtet.
Mit unfreiwilligen Todesfällen will Fritz-Jürgen Hieke in seinem zweiten Leben schließlich nichts mehr zu tun haben.
Weitere Infos unter traumweide.com und azvd.de.
Titelfoto: Uwe Meinhold