87-jährige Blütenbildnerin aus Sachsen: "Ich habe keine Zeit zum Aufhören"

Auerbach/Erzgebirge - Wenn Christiane Schlüssel (87) eine Blume anschaut, sieht sie, was daraus werden kann: poesievolle Bilder, zu denen sich gepresste Blütenblätter, Gräser, Dolden und Moosstängel, winzige Knospen und Samen zusammenfügen.

Bevor die Blüten verarbeitet werden, spannt Christiane Schlüssel (87) die zarten Gewächse zwischen Papierblättern und Pappe in eine Presse.
Bevor die Blüten verarbeitet werden, spannt Christiane Schlüssel (87) die zarten Gewächse zwischen Papierblättern und Pappe in eine Presse.  © Uwe Meinhold

Mit der Blütenbildnerei im Auerbacher Zipfelhaus im Erzgebirge, das von ihrer Mutter 1942 gegründet wurde, ist Christiane Schlüssel aufgewachsen.

Und auch als Hochbetagte mag sie nicht von der filigranen Kunst lassen: "Ich habe keine Zeit zum Aufhören. Ich habe doch so viele Aufträge. Kurz nach 6 Uhr geht es los und ehe ich mich versehe, ist es nachmittags."

Für ihre Blütenkunst braucht die Auerbacherin eine lange Pinzette, einen Pinsel mit etwas verdünntem Holzleim, Papier und ihren Fundus aus 360 gepressten Pflanzenteilen, in wundersamen Kategorien beschriftet.

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In der Mappe mit der Aufschrift "Buchenmäuse" liegen Blüten der Rotbuche, als "Holunderaugen" sind winzige Knospen von Holunderdolden eingeordnet, Samenstände von Clematis als "Mäuseschwänze".

Überhaupt sind Tiere ihr liebstes Motiv.

Ein kleines Pusten öffnet für einen Augenblick die Seidenmohn-Vorhänge der Blütenwiege.
Ein kleines Pusten öffnet für einen Augenblick die Seidenmohn-Vorhänge der Blütenwiege.  © Uwe Meinhold
Aus Pflanzenteilen Tierbilder zusammenfügen - wie diese Mäuse für eine Geldgeschenkkarte - ist die liebste Beschäftigung der Blütenbildnerin.
Aus Pflanzenteilen Tierbilder zusammenfügen - wie diese Mäuse für eine Geldgeschenkkarte - ist die liebste Beschäftigung der Blütenbildnerin.  © Uwe Meinhold

Kürzertreten: ja, aufhören: nein!

Auf Papierbögen gepresst, wie diese Malven, wandert der im Frühjahr und Sommer gesammelte Blütenvorrat in den Fundus.
Auf Papierbögen gepresst, wie diese Malven, wandert der im Frühjahr und Sommer gesammelte Blütenvorrat in den Fundus.  © Uwe Meinhold

Darüber hinaus schöpft Christiane Schlüssel aus einem Schatz von 2000 Entwürfen, die noch von ihrer Mutter stammen. Wie die Blütenwiege: Wer vorsichtig gegen den zarten Vorhang aus Seidenmohn pustet, kann einen Blick auf das Babyköpfchen mit einem Häubchen aus Kornblumenspitze erhaschen.

Oder die Wäscheleine, die sich vom Stamm eines Labkrautstängels spannt und an der Blütenblätter des Rittersporns wie Hosen neben Geranienröckchen im Wind flattern.

Kalender, Bücher mit Blütengeschichten und poesievolle Leporellos entstehen seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit Katrin Pieper, der ehemaligen Cheflektorin des Kinderbuchverlags (Näheres unter: zipfelhaus.de).

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Ans Aufhören denkt Christiane Schlüssel nicht: "Ich habe schon den Kalender für 2027 im Kopf." Aber ans Kürzertreten: "Große Sendungen verschickt ab nächstes Jahr mein Verlag. Denn ich hätte gern ein bisschen mehr Zeit, um zu lesen."

Die blauen Vogelkörper auf diesem Blütenbild gehörten zu "Männertreu", die rosa Köpfchen zu Schlangen-Knöterich, im Volksmund als "Zahnbürsten" bekannt.
Die blauen Vogelkörper auf diesem Blütenbild gehörten zu "Männertreu", die rosa Köpfchen zu Schlangen-Knöterich, im Volksmund als "Zahnbürsten" bekannt.  © Uwe Meinhold

Florale Kunst aus aller Welt

In der Heimatstube Auerbach zeigt eine Ausstellung derzeit Blütenbilder aus der Zipfelhauswerkstatt und aus aller Welt.
In der Heimatstube Auerbach zeigt eine Ausstellung derzeit Blütenbilder aus der Zipfelhauswerkstatt und aus aller Welt.  © Uwe Meinhold

In der Heimatstube des Rathauses Auerbach, Hauptstraße 83, sind derzeit Blütenbilder aus aller Welt zu sehen.

Christiane Schlüssel hat die Kunstwerke aus über zwanzig Ländern in Jahrzehnten während ihrer Reisen zusammengetragen.

Unter den Schaustücken sind beispielsweise über 120 Jahre alte Ansichtskarten aus Jerusalem mit echten Blüten.

Die Ausstellung ist am 10. und 30. November, am 28. und 29. Dezember, 14 bis 17 Uhr, sowie auf Anfrage (Telefon: 0177/7 40 69 91) geöffnet.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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