Das Erbe der Wismut: Milliardensummen und harte Arbeit als Folgen des Uranbergbaus
Aue - Fast heimlich, still und leise hat Europas größtes Umweltsanierungsprojekt in diesen Tagen einen historischen Meilenstein erreicht. Die bundeseigene Wismut-GmbH verfüllte in Bad Schlema (Erzgebirge) den letzten Grubenbau, der ein Loch in den Erdboden hätte reißen können.
Auch die Sanierung der radioaktiven Halden wird bald abgeschlossen. Als größte Herausforderung an den Schäden durch den Uranabbau bleibt nun noch ein kompliziertes Projekt in Königstein.
Schrecksekunde zur Weihnachtszeit: Am 28. Dezember 2014 beobachteten Anwohner in Bad Schlema, wie sich mitten im Ort ein drei mal fünf Meter großes Loch auftat.
Später vergrößerte sich die Einsturzstelle noch auf fünf mal acht Meter, reichte bis 50 Meter in die Tiefe. Etwa 30 solcher Tagesbruchereignisse gab es seit 1990 bei ehemaligen Uranbergbau-Stollen – zum Glück kam niemand zu Schaden.
Ende Oktober dieses Jahres zog die Wismut dann einen historischen Schlussstrich: Sie hatte den letzten tagesnahen Grubenbau verwahrt, der als einsturzgefährdet galt.
Als "tagesnah" werden Hohlräume bezeichnet, die eine Überdeckung von weniger als 80 Metern zur Tagesoberfläche haben. Wegen der ungenügenden geotechnischen Stabilität drohten Bergschäden.
160 Millionen Kubikmeter radioaktiver Schlämme nach dem Ende des Uranerzbergbaus
Allein am Standort Aue-Bad Schlema hat die Wismut seit 1990 exakt 2714 dieser gefährdeten Grubenbaue unschädlich gemacht, 11 weitere in Pöhla. Dazu mussten 310.000 Kubikmeter Hohlräume - da passen mehr als drei Dresdner Frauenkirchen hinein - mit Beton gefüllt werden.
Lediglich eine Grube in Pöhla bleibt vorerst unverschlossen, weil Bergbaufreunde in den Zinnkammern ein Besucherbergwerk betreiben.
Verglichen mit den radioaktiv strahlenden Hinterlassenschaften der SDAG (Sowjetisch-Deutsche-Aktiengesellschaft) Wismut ist die Einsturzsicherung von Schächten aber nur Pillepalle. Hier geht es um völlig andere Dimensionen.
Als der Uranerzbergbau Ende 1990 eingestellt wurde, hatten sich 331 Millionen Kubikmeter Haldenmaterial und 160 Millionen Kubikmeter radioaktiver Schlämme angesammelt, die Menschen und Natur bedrohten.
Zunächst musste 1991 aber mit der kontrollierten Flutung der gerade eingestellten Stollen begonnen werden. Allein um Aue und Schlema gab es eine unterirdische Strecke von 4200 Kilometern – eine Entfernung bis zum Nordpol. Hier stand auch Europas tiefstes Bergwerk (bis 2000 Meter).
Über Bohrlöcher wurden mehr als 300.000 Tonnen Beton eingebracht. Inzwischen ist die Flutung abgeschlossen, das austretende Wasser muss noch über Jahre unschädlich gemacht werden.
Die Sicherung des letzten Absatzbeckens bis Mitte 2023 abgeschlossen
Das Volumen der Halden in Aue und Bad Schlema, die schlecht gesichert in unmittelbarer Wohnortnähe aufgeschüttet wurden, entspricht 45 Millionen Kubikmeter. Dies würde einen Güterzug von 30.000 Kilometern Länge füllen. Viele der Halden wurden abgetragen, andere wurden mit Mineralboden abgedeckt und gesichert.
Inzwischen sind sie bewaldet und die Hügel fügen sich harmonisch in die Landschaft ein. Die letzte Halde wird im kommenden Jahr begrünt. In Schlema, das man einst "Tal des Todes" nannte, findet 2026 die Landesgartenschau statt.
Die riesigen Deponien radioaktiver Schlämme lagerten in Absatzbecken, zwei davon in Sachsen. Sie mussten mit Dämmen gesichert und mit Unmengen an Material abgedeckt werden, sodass sich heute hier natürlich wirkende Landschaften erstrecken.
Das austretende Wasser wird ständig dekontaminiert. Mitte 2023 soll auch die Sicherung des letzten Absatzbeckens Helmsdorf (Kreis Zwickau) abgeschlossen werden.
Permanente messtechnische Überwachung bleibt große Aufgabe
Und dann ist da noch die größte Herausforderung für die Wismut GmbH: der Bergbaubetrieb Königstein. In den 1980er-Jahren wurde zur Erzgewinnung Schwefelsäure genutzt, die mit 55 Millionen Tonnen Gestein in Kontakt kam. Diese nehmen einen Raum von 3400 Reichstagsgebäuden ein.
Die Säure arbeitet weiter und erzeugt eine radioaktive und mit Schwermetallen belastete Brühe. Weil sich ganz in der Nähe ein Grundwasser-Reservoir unter anderem für Dresden befindet, kann die Flutung nur äußerst behutsam und kontrolliert erfolgen.
In den vergangenen Monaten versuchte man, die Säure mit Natron- oder Kalilauge zu neutralisieren. Derzeit bereitet man einen hydrologischen Test vor, bei dem ab Ende 2023 der Flutungspegel auf Grundwasser-Niveau gehoben werden soll. Dieses toxische Erbe bedarf noch jahrelanger Arbeit.
Seit 1991 hat das bundeseigene Unternehmen in Sachsen und Thüringen über sieben Milliarden Euro eingesetzt, um die entstandenen Schäden zu entschärfen und abzudecken. Die Langzeitaufgaben aber bleiben: Permanente messtechnische Überwachung der Einzelobjekte ist nötig. Auch diese Mittel kommen aus dem Bundeshaushalt.
Titelfoto: Thomas Ackermann/Wismut GmbH Chemnitz/picture alliance/ullstein bild