Eine Erfindung aus Sachsen befeuert die Energiewende: Wie ein "Hamster" für wohlige Wärme sorgt
Radeberg - Wie bekommt man große Warmwassertanks für Solarthermie und Fotovoltaik durch kleine Türen? Mit einer Idee aus Radeberg!
Der Erfinder des sogenannten "Wärmehamsters" gibt sein Baby jetzt zur Adoption frei und damit in neue Hände - Staffelstab-Übergabe bei einem innovativen Produkt aus der Region, das Schub durch die Energiewende erhielt und jetzt vom Fachkräftemangel ausgebremst wird.
Vor 18 Jahren arbeitete der gebürtige Wachauer Rolf Förster (64) noch bei seinem heutigen Konkurrenten. Als Angestellter beim Großröhrsdorfer Tankbau stieß er beim Einbau von Öltanks manchmal auf kleine Türen und Öffnungen - zu klein für große genormte Tanks.
Warum den Öltank statt in einem Stück nicht stückchenweise aufbauen, dachte er sich.
"Mit individuell gefertigten Einzelteilen kommt man durch engste Kellertüren, braucht sie im Inneren dann nur noch zusammenzufügen", beschreibt Förster seine Idee, aus der vor 15 Jahren seine eigene Firma Energiedepot Radeberg entstand.
Der zerlegbare Öltank wurde ökologisch und zu einem zerlegbaren Wassertank weiterentwickelt. Er speichert Energie als warmes Wasser, die durch Solarthermie und Fotovoltaik auf dem Dach gewonnen wird.
Försters Firma verbucht einen Jahresumsatz von 650.000 Euro
Geboren war ein Baukastensystem für innovative Wärmespeicher, die sich in Höhe und Breite an jede x-beliebige Räumlichkeit anpassen lassen. Zur Vermarktung der als Gebrauchsmuster geschützten Idee fehlte nur noch ein zündender Name.
"Der wurde mit einem Studienkollegen ersonnen, der eine Werbeagentur leitet", erinnert sich Förster. "Wer nimmt haufenweise etwas zu sich und hält es fest? - Ein Hamster!" So wurde bei zwei Flaschen Wein der Markenname geboren: Wärmehamster.
2008 startete Förster mit zwei Kollegen und seiner Ehefrau. "Sie ist Ökonomin, schmeißt das Büro. Inzwischen hat sich die Mitarbeiterzahl verdoppelt und wir verbuchen einen Jahresumsatz von 650.000 Euro", sagt er.
Kunden kommen über Fachmessen wie die Dresdner 'HAUS' oder 'Bauen Kaufen Wohnen', auf denen sich der Wärmehamster regelmäßig präsentiert.
"Dann schauen wir uns immer erst die örtlichen Gegebenheiten an, bevor ein Auftrag angenommen wird", erklärt Förster sein Firmencredo.
Auch im Elsass und in Südafrika stehen die Anlagen aus Sachsen
Sein Wärmehamster sorgt in bislang über 1000 Gebäuden gleichsam für ökonomisch wie ökologisch wohlige Wärme im Haus - und das weltweit!
So wurde ein unter Denkmalschutz stehendes Umgebindehaus in Oderwitz (bei Zittau) ebenso mit einem "Hamster" aufgewertet wie ein Hotel in der Schweiz oder das Schloss Lomnitz bei Jelenia Góra im polnischen Riesengebirge.
Auch den "aquaTurm" als erstes Nullenergie-Hochhaus der Welt - ein umgebauter 48 Meter hoher Wasserturm in Radolfzell am Bodensee - beheizt ein 9000 Liter fassender "Hamster" aus Radeberg.
Sogar ein Hausboot am Blauen Wunder auf der Elbe in Dresden heizt mit Solarenergie und Hamster-Technologie. "Außerdem stehen unsere Anlagen in Einfamilienhäusern im Elsass und in Südafrika", erzählt Förster.
Beim Einbau verschwimmen die Dimensionen. So fasst selbst der kleinste "Hamster" schon 800 Liter, der größte verbaute misst fünfmal 50.000 Liter.
Er wurde in einer alten Jugendstil-Brauerei in Dessau (Sachsen-Anhalt) beim Umbau in ein Mehrzweckgebäude mit Stadtbibliothek und Kletterpark installiert.
Energiedepot Radeberg sucht händeringend nach Fachkräften
Förster: "Die Kosten für die gesamte Heizungssanierung eines Einfamilienhauses belaufen sich unter Berücksichtigung von Fördermitteln auf 15.000 bis 30.000 Euro, die sich nach zehn bis 20 Jahren amortisiert haben."
Dabei ist der Wärmehamster völlig wartungsfrei, läuft mindestens 30 Jahre korrosionsfrei.
Bevor Rolf Förster nächstes Jahr 65 Jahre alt wird, will er sein Lebenswerk jetzt in jüngere Hände geben, tauscht dafür zwei Positionen in der Firma.
Ende des Jahres soll sein Werkstattleiter Björn Kunath (46) Geschäftsführer werden und Förster sein Angestellter.
Kunath arbeitet bereits seit zehn Jahren im Energiedepot an der Seite von Förster - wegen Personalmangels in letzter Zeit sogar wortwörtlich in Fertigung und auf Montage.
Kunath: "Mancher Azubi hielt keine 14 Tage durch. Wir suchen dringend Nachwuchs, gucken jetzt schon gar nicht mehr auf den Notendurchschnitt."
Auf dem Gelände war einst der VEB Robotron-Elektronik Radeberg ansässig
Der künftige Boss Kunath übernimmt im Aufwind der Energiewende eine florierende Firma.
"Das Produkt ist ausgereift, auch bei den Arbeitsabläufen kann man nicht viel besser machen - außer vielleicht, manuelle Arbeiten teilweise zu automatisieren", hat er sich vorgenommen.
Und wenn er Fragen hat: Sein alter Chef bleibt ja an Bord. Und auf dem Betriebsgelände. Schon einmal eroberte genau an diesem Platz an der Heidestraße eine Innovation die Wohnzimmer der halben Republik.
In den ehemaligen Werkhallen des VEB Robotron-Elektronik Radeberg wurde hier Mitte der 1970er-Jahre der erste DDR-Kofferfernseher Combi-Vision 310 (Preis: 1775 DDR-Mark) hergestellt.
Auch er läutete eine neue Ära ein.
So funktioniert der Wärmehamster
Spätestens seit der Energiewende und mit Beginn des Ukraine-Kriegs sind Wärmepumpen in aller Munde. Doch der Wärmehamster kann mehr.
In ihm steckt eine spezielle Wärmetechnologie. Dabei wird die tagsüber aus Solarthermie und Fotovoltaik gewonnene Energie als warmes Wasser gespeichert.
Clever angezapft hält der Behälter zudem Wasser äußerst effektiv in verschiedenen Temperaturgraden für verschiedene Anwendungsgebiete bereit: 50 Grad sind optimal fürs Duschen, 30 Grad für die Fußbodenheizung und 70 Grad für die Heizkörper im Winter.
Wie die Wärmeschichtung genau funktioniert, bleibt allerdings Försters streng gehütetes Betriebsgeheimnis.
"Mein 'Hamster'-Speicher besteht außerdem nicht mehr aus Stahl, sondern wird aus Glasfaserkunststoff gefertigt, der nachhaltiger ist und deutlich besser speichert", erklärt der Erfinder.
"In der Nacht verliert das System maximal 1 Grad", so Förster.
Titelfoto: Eric Münch, dpa/Silas Stein