Drei Generationen Schäfer-Glück! Sächsische Familie pflegt alte Handwerks-Traditionen

Reichstädt (Dippoldiswalde) - "Die spinnen!" Dieser Satz kann auf zweierlei Art ausgerufen werden: mit lauter Empörung oder echter Bewunderung. Letzteres passiert in Reichstädt (Stadt Dippoldiswalde) regelmäßig.

Manja (42), Julius (18) und Karin Drutschmann (70) teilen die Begeisterung für Schafe.
Manja (42), Julius (18) und Karin Drutschmann (70) teilen die Begeisterung für Schafe.  © Norbert Neumann

Nämlich immer dann, wenn ortsfremde Menschen die Schäferei und Spinnstube Drutschmann entdecken und aus dem Staunen kaum noch herauskommen. Drei Generationen der Familie haben sich im Osterzgebirge der ökologischen Landwirtschaft mit Schafen und der Pflege alter Handwerkstraditionen verschrieben.

"Willkommen", sagt Julius Drutschmann (18) fröhlich und öffnet schwungvoll die Tür zur Kreativ-Scheune.

Die Morgensonne flutet den großen Raum. Da drinnen wird jeder sofort Woll-lüstig! Material zum Filzen, Räder zum Spinnen und Stühle zum Weben laden ein, sich auszuprobieren und eigene Ideen umzusetzen. Prall gefüllte Regale mit farbigen Wollknäueln und -waren sowie eine Theke mit Spezialitäten aus der Region verführen zum Shoppen.

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Ein gerahmtes Foto an der hinteren Giebelwand springt ins Auge. "Das ist mein verstorbener Opa Bernhard. Er hat die Schäferei zusammen mit Oma Karin gegründet", erklärt Julius Drutschmann. Der junge Mann tritt in die Fußstapfen seines Großvaters - er erlernt auch das Schäferhandwerk.

Julius begann seine Ausbildung zum Tierwirt/Schafhaltung in Thüringen. Jetzt liegt seine praktische Berufsbildung in den Händen seiner Mutter Manja Drutschmann (42). Die gelernte Schäferin und Technikerin für Landbau übernahm den Familienbetrieb, der seit 2001 ein anerkannter Öko-Betrieb ist, 2021 von ihren Eltern.

"Jeder Tag mit den Tieren schenkt mir etwas. Kein Schaf gleicht dem anderen. Jedes Tier hat einen Charakter, den man erst kennenlernt, wenn man sich mit ihm beschäftigt", schwärmt er. Der Winter ist seine liebste (Arbeits-)Zeit - alle Schafe sind dann im Stall und Anfang Februar beginnt die Zeit der Lämmer.

Faszination: Schaf

Julius Drutschmann erklärt hier Kindern der Kita Schloss-Spatzen, wie aus Wolle Kleidung wird.
Julius Drutschmann erklärt hier Kindern der Kita Schloss-Spatzen, wie aus Wolle Kleidung wird.  © Norbert Neumann

"Ich weiß, dass ich mit dem Beruf nicht reich werden kann und dass man 24/7 als Schäfer gefordert ist. Aber hey, das macht mir nichts aus. Ich habe es mir ausgesucht und bin glücklich", sagt Julius und lacht seine Mutter an, die aufmerksam zugehört hat.

Manja Drutschmann freut es, dass sich Julius und seine jüngere Schwester Klara-Marie so für die Schäferei begeistern.

Ihr Augenmerk als Ausbilderin, Schäferin und Unternehmerin liegt auf Nachhaltigkeit. Sie leistet viel Öffentlichkeitsarbeit, besucht Veranstaltungen, führt Gruppen und Schulklassen durch den Betrieb und hat sich der Idee vom Bauernhof als Lernort verschrieben - neben der Verarbeitung und eigenen Vermarktung aller im Betrieb erzeugten Produkte.

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"Seit diesem Jahr sind wir anerkannter Ökolandbau-Demonstrationsbetrieb", berichtet Manja Drutschmann stolz.

Bei Familie Drutschmann wird das Schäferhandwerk noch gelebt

Mehr als 600 Schafrassen gibt es auf der Welt. Auch die Drutschmanns haben verschiedene Tiere auf ihrem Hof.
Mehr als 600 Schafrassen gibt es auf der Welt. Auch die Drutschmanns haben verschiedene Tiere auf ihrem Hof.  © Norbert Neumann
Mit mobilen Elektrozäunen werden die wechselnden Flächen zum Grasen "ausbruchsicher" gemacht.
Mit mobilen Elektrozäunen werden die wechselnden Flächen zum Grasen "ausbruchsicher" gemacht.  © Norbert Neumann
Die Hufe der Schafe müssen ab und an beschnitten werden.
Die Hufe der Schafe müssen ab und an beschnitten werden.  © Norbert Neumann

Bei Dippoldiswalde bewirtschaften die Drutschmanns zahlreiche Flächen

Die malerische Spinnstube liegt in Dippoldiswalde, Am Dorfbach 10.
Die malerische Spinnstube liegt in Dippoldiswalde, Am Dorfbach 10.  © Norbert Neumann

Ihre Familie bewirtschaftet zahlreiche Bergwiesen und Täler in der Region.

Zum Betrieb gehören neben der Kreativ-Scheune Schafställe im Berreuth und eine 250-köpfige Schafherde.

Manja Drutschmann: "Neben Merinolandschafen und Suffolks züchten wir auch die vom Aussterben bedrohten Skudden, die kleinste deutsche Schafrasse."

Die Vorzüge der natürlichen Bewirtschaftung der teils steilen Bergwiesen sind nachgewiesen. Manja Drutschmann erklärt: "Durch die Beweidung leisten wir einen Beitrag zum Klima-, Hochwasser- sowie Artenschutz. Dort, wo wir die Schafe weiden lassen, wachsen mehr Kräuter und Gräser als auf konventionell bewirtschafteten Wiesen."

"Das liegt daran, dass unsere Schafe die Flächen düngen und als Samentaxis unterwegs sind, wenn sie von Weide zu Weide ziehen."

Der Winter kann kommen: Manja Drutschmann mit einigen Produkten, die es in der Spinnstube zu kaufen gibt.
Der Winter kann kommen: Manja Drutschmann mit einigen Produkten, die es in der Spinnstube zu kaufen gibt.  © Norbert Neumann
Im Hofladen finden auch Kurse und Veranstaltungen statt.
Im Hofladen finden auch Kurse und Veranstaltungen statt.  © Norbert Neumann
Niedlich! Auch flauschige Stofftiere entstehen aus der Wolle - eine klassische Geschenkidee.
Niedlich! Auch flauschige Stofftiere entstehen aus der Wolle - eine klassische Geschenkidee.  © Norbert Neumann

Heute sind Schafe auch Landschaftspfleger

Karin Drutschmann weiß noch, wie man einen Webstuhl bedient.
Karin Drutschmann weiß noch, wie man einen Webstuhl bedient.  © Norbert Neumann

"Anhand unserer Schafzucht kann man wunderbar zeigen, wie sich die Schafzucht gewandelt und Rassen geformt hat", erklärt Karin Drutschmann (70). Die Diplom-Agrar-Ingenieurin arbeitet seit fast 50 Jahren mit Schafen in der Landwirtschaft.

"Der Fokus der Arbeit mit den Tieren liegt heute im Bereich Landschaftspflege im Auftrag von Kommunen, Verbänden, Firmen oder privaten Landbesitzern. Für diese Arbeit gibt es eine öffentliche Förderung. Sie ist eine wichtige Einnahmequelle unserer Schäferei", erklärt Karin Drutschmann. Die Gewinnung von Wolle und Fleisch stand hingegen zu DDR-Zeiten im Mittelpunkt.

Die Senior-Chefin freut sich: "Die Vermarktung der Produkte rund ums Schaf fällt uns nicht schwer. Beim Fleisch können wir oft nicht die Nachfrage decken und bei der Wolle vermarkten wir in unserem Hofladen dreimal so viel an Wollprodukten, wie wir an Rohwolle zur Verarbeitung geben."

Die gestandene Schäferin berichtet mit Freude von einer Woll-Wende, die Deutschland seit geraumer Zeit erlebt. Stricken ist das neue Yoga. Gleichzeitig entdecken immer mehr Menschen (und Betriebe) heimische Wollprodukte neu für sich.

"Die Begeisterung für Wolle erleben wir immer wieder, wenn Menschen sich bei uns ausprobieren beim Spinnen, Filzen, Stricken oder Weben."

Titelfoto: Montage: Norbert Neumann

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